"Der Klassenfeind kann kommen"

Rostocker Werftarbeiter über die DDR, den Westen und die Wiedervereinigung

SPIEGEL: Die Umwälzung in Ihrem Land, die den Namen Revolution verdient ist von der Intelligenz ausgegangen. Warum war der Anteil der Arbeiter daran bisher so gering?

S(...): Wir Arbeiter sind eigentlich dazu da, Leistung zu bringen. Wir sind nicht in der Lage, die politischen Sachen so in jedem Augenblick zu erkennen. Die Künstler reagieren da sensibler. Die hatten ja auch am meisten unter diesen stalinistischen Machenschaften zu leiden.

SPIEGEL: In Ihrer Nachbarschaft in Polen ...

S(...): Das mit dem Siezen könnt ihr lassen. Wir sind Arbeiter, das kennen wir nicht.

SPIEGEL: Na gut. In Polen gibt es seit fast zehn Jahren die Gewerkschaft Solidarność ist da kein Funke übergesprungen?

K(...): Also, mit Solidarność, dass die alle naselang gestreikt haben, gefiel uns auch nicht. Und wir haben ja gesehen, dass es da auch nicht vorwärts ging mit. Aufgrund dessen ist die Meinung bei uns: Mit Streiks is nix zu machen.

SPIEGEL: Lech Walesa ist also kein Vorbild für euch?

G(...): Nö, politisch haben sie vielleicht was erreicht aber von der Wirtschaft her sieht es eigentlich noch schlechter aus als vorher. Das ist wie 'n Fass ohne Boden. Aber wen es das Streikrecht bei uns geben würde, wär' schon ganz gut.

W(...): Das Streikrecht muss das ein - für den äußersten Notfall.

S(...): In der jetzigen Zeit, in dem wirtschaftlichen Chaos, wo wir nun wirklich schon an der Grenze taumeln, das wäre der Kollaps, wenn wir den Generalstreik veranstalten würden.

SPIEGEL: Wie wollen die Arbeiter sich denn nun in Zukunft Gehör verschaffen?

S(...): Jetzt müssen wir erst mal den Volkswohlstand hinbringen, wo er hingehört. Die Leistungsgesellschaft muss entwickelt werden, ausländisches Kapital müssen wir reinlassen, weil wir total runtergewirtschaftet sind. Dann allerdings braucht der Arbeiter eine starke Gewerkschaft weil die schließlich der einzige Interessenvertreter sein wird.

K(...): Das muss aber 'ne andere Gewerkschaft sein als bisher. Von der Basis muss was Neues kommen, denn die oben hängen doch alle mit drin.

SPIEGEL: Euer langjähriger Boss Harry Tisch sitzt in Untersuchungshaft, weil er sich als korrupt entpuppt hat. Was hat das in der Brigade auf der Werft ausgelöst?

G(...): Hass. Denn der Mann, der hat uns ja wirklich aufs gröblichste beschissen. Wir sind jetzt in der Brigade so weit, dass wir erst mal die Gewerkschaftsbeiträge aussetzen. Wir wollen genau wissen, was gemacht wurde mit dem Geld.

SPIEGEL: Hat das nicht umso mehr geschmerzt, als Tisch ja schließlich Jahrzehntelang Parteisekretär und Gewerkschafter in Rostock war?

S(...): Na klar, 'n bisschen stolz waren wir schon auf ihn.

W(...): Er war wirklich ein Mann vom Volk.

G(...): Aber einer, der sich zum Bonzen entwickelt hat. Der hat nicht mehr gewusst wo er herkommt.

S(...): Wenn man's ganz echt sagt, er hat sich zum Kriminellen gemacht. Da hat einer wie ich lange mit zu tun, da biste moralisch und seelisch total überplättet.

SPIEGEL: Täglich werden neue Korruptionsfälle aus der ehemaligen DDR-Führung bekannt. Wie reagieren die Kollegen auf der Neptun-Werft darauf?

K(...): Die sind alle verbittert. Natürlich können wir unterscheiden. Der kleine SED-Funktionär unten, der kann ja nichts dafür, der hat's ja geglaubt und ist genauso betrogen worden. Aber die Wut entlädt sich eben auf die, weil die noch da sind.

S(...): Die meisten haben ja die Parteibücher schon abgegeben.

SPIEGEL: Wie viele auf der Werft?

S(...): Na, von rund 2 000 sind mindestens 600 schon rausgegangen.

W(...): (zu S(...)) Mich hat's gewundert, dass du dein Buch noch nicht abgegeben hast.

G(...): Weil er wirklich überzeugt ist. Für ihn is'ne Welt zusammengebrochen.

S(...): So isses.

SPIEGEL: Ist die Stimmung im Betrieb inzwischen aggressiver geworden?

W(...): Bedeutend aggressiver. Bei der Weihnachtsfeier hat sich diese ganze Stimmung entladen.

G(...): Da gab es handfeste Rangeleien mit den Kommunisten. In den Leuten brodelt das. Und wenn der Alkohol noch fließt, dann kommt das natürlich zum Ausbruch.

SPIEGEL: Eine Frage, die jetzt nicht an das SED-Mitglied S(...) gerichtet ist: Habt ihr denn jemals, zumindest in Ansätzen, an den "real existierenden Sozialismus", an die Ideale einer klassenlosen Gesellschaft geglaubt?

G(...): Dass nun alles Käse war, das kann man auch nicht sagen. Klar gibt's gewisse Sachen, die von der Theorie her gar nicht so schlecht gedacht gewesen sind. Aber die großen Klassiker, die würden sich zehnmal im Grabe herumdrehen, wenn sie das noch mitgekriegt hätten, was hier in der DDR passiert ist.

SPIEGEL: Die Schulbücher müssen alle umgeschrieben werden.

S(...): Ja, was bleibt uns denn noch - Wilhelm Pieck, Ernst Thälmann, Rudolf Breitscheid ...

G(...): ... das waren noch Leute, die in die Kneipen gegangen sind und mit den Arbeitern Bier getrunken haben.

SPIEGEL: Wann ist es euch eigentlich gedämmert, dass dieses hier kein Erfolgsmodell ist?

K(...): Man hat doch immer gehofft, vielleicht kommt ja noch irgendetwas. Zum Schluss hat man's aufgegeben.

S(...): Wir haben schon gute Vorschläge gemacht. Wir haben Türen eingelaufen, und dahinter war wieder 'ne Tür, und dann kam noch 'ne Tür. Wie oft haben wir gesagt: Da müsste noch 'n Schwenkarm hin und da 'n E-Karren. Wir haben gewusst, dass das nicht die Alternative sein kann, wie wir gearbeitet haben. Unsere Arbeit ist durch Fehlorganisation zerstört worden.

SPIEGEL: Soll die SED jetzt raus aus den Betrieben?

W(...): Ja.

SPIEGEL: Und die Betriebskampfgruppen?

W(...): Auch raus.

SPIEGEL: Was sagt der SED-Mann?

S(...): Ich würde mich dieser Meinung anschließen.

SPIEGEL: Viele Werksleiter, die der SED verpflichtet waren, sind nun nicht mehr gefragt. Erwünscht sind stattdessen die klassischen Klassenfeinde, die kapitalistischen Manager aus dem Westen, die das Know-how mitbringen. Wie findet ihr das?

W(...): Was heißt hier Klassenfeind? So sind wir immer geimpft worden, deshalb brauchten wir die Betriebskampfgruppen und die Armee. Aber der Zahn ist bei mir schon lange gezogen. Der Klassenfeind kann kommen.

G(...): Anders kommen wir nicht mehr aus dem Dreck raus.

K(...): Alleine können wir's doch gar nicht schaffen. Entweder kaufen die uns gleich richtig auf, oder man lässt uns da halbe-halbe machen, wie das bei Trabant und VW ja schon anfangen soll.

SPIEGEL: Eine Fusion von Blohm + Voss mit der Neptun-Werft könnt ihr euch also vorstellen?

W(...): Meine Meinung dazu ist: Wir arbeiten hier, ich könnte aber woanders auch arbeiten. Auch unter 'ner anderen Führung.

G(...): Man wurde verdummt.

SPIEGEL: Verletzt das nicht auch den Arbeiterstolz, wenn der Kollege im Westen mit Maschinen und Methoden arbeitet, die den eigenen weit überlegen sind.

K(...): Sicherlich. Wir haben das ja bloß immer im Fernsehen gesehen, aber wenn die von Blohm + Voss mal sehen würden, wie wir hier arbeiten, die würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

SPIEGEL: Glaubt ihr denn, dass es in der DDR ohne die Marktwirtschaft überhaupt weitergehen kann?

W(...): Nee. Weil wir anders nicht zurechtkommen.

SPIEGEL: Und wie soll die DDR-Mark Kaufkraft gewinnen, wenn Schwarzhändler 1:20 tauschen?

G(...): Da muss was passieren, aber das geht nicht von heut auf morgen wie bei eurer Währungsreform damals. So viele Leute haben sich jahrelang was zusammengespart, auf 'n Auto oder was. Und auf einmal hast du nichts mehr.

S(...): Mit 'ner Währungsreform gehen wir weg für 'n Appel und 'n Ei.

SPIEGEL: Geben die Leute ihr gespartes Geld jetzt alle aus, weil sie Angst vor einer Entwertung haben?

K(...): Von Bekannten weiß ich das, und laut Zeitung soll es überall im Land so sein. Einige kaufen gleich mehrere Waschmaschinen.

SPIEGEL: Ist einer von euch mal drüben im Westen gewesen seit Öffnung der Grenze?

G(...): Ich bin mit Frau und Kindern losmarschiert im Trabi, nach Lübeck rüber. Das war sehr bewegend. Meine Frau hat angefangen zu heulen.

SPIEGEL: Träumt ihr jetzt eigentlich von einem zweiten deutschen Wirtschaftswunder - diesmal auf der anderen Seite?

W(...): Ja, ich ja.

K(...): Ich hab' mich gefragt, als ich in Wilhelmshaven war: Mensch, wir haben doch auch 40 Jahre gearbeitet. Wir haben doch auch nicht irgendwo in der Ecke gesessen, und warum ging dat da und nich bei uns. Wir wissen ja nun mittlerweile, woran es gelegen hat.

G(...): Wir haben uns den falschen Verbündeten gesucht, so einfach ist das.

SPIEGEL: Noch mal konkret den Parteimann gefragt: Hast du als Konsequenz aus all diesen Erkenntnissen in letzter Zeit den Gedanken gehabt die Partei zu verlassen?

S(...): Ja, das gebe ich ganz ehrlich zu. Ich bin innerlich sehr zerrüttet. Natürlich dachte ich: Gehste?

SPIEGEL: Ist die Frage endgültig entschieden?

S(...): Ich würde gerne für 'ne gute Sache weiterarbeiten wollen. Die Partei [ist] ja eigentlich eine neue, mit neuen Führern, mit neuem Programm und neuem Statut. Und dafür, glaube ich, lohnt es sich noch mal.

SPIEGEL: Darf eigentlich eine Partei, die so abgewirtschaftet hat, schon wieder - wie im Bezirk Cottbus geschehen - zu einer Volksfront aufrufen, weil sie "das Vaterland retten" will? Wäre da nicht eine längere Phase der Regenerierung vonnöten?

S(...): Nein. Wir haben keine Zeit. Wenn wir uns noch länger hängen lassen und bedauern, dann hat die DDR wirtschaftlich und politisch alles verspielt. Ziehen wir uns zurück, entsteht ein riesiges Vakuum. Das würde totales Chaos bedeuten.

G(...): Mich stört, dass es schon wieder heißt nur diese Partei könne den Staat retten. Und wenn ich die Reden auf dem Parteitag gehört habe, das läuft mir alles so glatt, so sauber. Entweder ich hab' damals gelogen, jetzt gelogen, oder ich lüge beide Male.

W(...): Ich kann nicht heute Jan heißen, und wenn ich etwas verpatzt habe, heiße ich morgen Peter.

S(...): Einmal wird es vielleicht noch gehen. Aber wir werden nur noch eine Partei unter vielen sein.

SPIEGEL: Wieviel Prozent geben Sie denn der SED-Nachfolgepartei noch am 6. Mai? [Volkskammerwahl]

G(...): Mehr als zehn Prozent kriegen sie nicht. Die Partei, die am stärksten auf die Wiedervereinigung eingeht, wird auch die meisten Menschen begeistern. Im Volk ist die Hoffnung, dass wir eins werden.

SPIEGEL: Also am Ende soll es freie Wahlen für alle geben?

G(...): Für das gesamte Deutschland.

K(...): Die nächsten zehn Jahre vielleicht noch nicht. Aber es wird nicht ausbleiben, dass es so kommen wird.

SPIEGEL: Herr S(...) hier am Tisch sind Sie schon jetzt in der Minderheit.

S(...): Man muss wissen, dass es auch andere Wege gibt. Man kann diese Zweistaatlichkeit beibehalten als Modell für ein gemeinsames europäisches Haus. Die vier Besatzer haben doch nach 18 Jahren nicht ohne Grund zusammengesessen. Denn spielen die Deutschen jetzt verrückt, wird das katastrophale Folgen haben.

SPIEGEL: Nach 40 Jahren Zwangsherrschaft erleben die DDR-Bürger ihre plötzlich gewonnenen Freiheiten wie einen Traum. Es hat den Anschein, als sei jegliche Furcht vor einem Rückschlag schon jetzt verflogen. Habt ihr eigentlich noch manchmal Angst?

K(...): Ich würd' sagen, haben wir nicht ich jedenfalls nicht. Ich glaube, es gibt kein Zurück, kann es nicht geben. Wenn die noch mal versuchen würden, es mit Gewalt zurückzudrehen, ich glaub', dann is hier der Bürgerkrieg in die Gänge, und dann isses vorbei.

W(...): Der Mecklenburger ist zwar bequem ...

S(...): ... aber wenn das Pferd losläuft, gibt's kein Halten mehr.

G(...): Ich seh' das eigentlich genauso. Aber wenn ich an so Dinge wie Kavelstorf denke, dann macht mir das noch mächtig angst.

SPIEGEL: Du meinst die illegalen Waffenlager von Schalck-Golodkowski?

G(...): Ja, wenn ich mir überlege, dass es davon noch mehr geben könnte.

W(...): Wie haben sie uns immer gesagt: Alle Macht geht vom Volke aus und so machen wir es jetzt.

SPIEGEL: Herr S(...), Sie kenne doch Ihre Partei. Gibt es da noch Anfechtungen, alles wieder zurückzudrehen?

S(...): Ja. Der neue Vorsitzende Gysi hat nach seiner Wahl einen Besen gekriegt, wir haben noch reichlich auszufegen. Aber Angst habe ich eher davor, dass die Rechten und Neonazis Oberwasser bekommen. Da hat es schon die ersten Übergriffe gegeben.

SPIEGEL: Gibt es für euch so etwas wie eine eigene DDR-Identität?

S(...): Ich bin stolz darauf, Deutscher zu sein.

SPIEGEL: Das tragen bei uns die Neonazis als Parole auf ihren Lederjacken.

S(...): Ich habe einen Nationalstolz als DDR-Bürger. Neonazis sind mir verhasst.

SPIEGEL: Was sagen die anderen dazu?

K(...): Natürlich hat man so was wie Nationalstolz. Ich habe ja alles, was ich mir aufgebaut habe, der DDR zu verdanken.

SPIEGEL: Warum der DDR, wieso nicht der eigenen Arbeit?

K(...): Ja, vielleicht hast du recht, aber so ist das mit der Erziehung in der DDR gewesen. Das ging im Kindergarten los, setzte sich in der Schule und auf der Arbeit fort; das ist dir eingebläut worden. Da hast du es geglaubt.

SPIEGEL: Ein Schlagwort der letzten Wochen heißt Ausverkauf. Berührt das auch euren Nationalstolz, wenn davon die Rede ist die Bundesrepublik würde die DDR zum Nulltarif übernehmen?

G(...): Die meisten Leute denken doch bloß so weit, dass sie sagen: Is mir doch egal, ob ich im Sozialismus oder im Kapitalismus lebe - Hauptsache, gut und sicher. Denen ist doch ganz gleich, ob sie unter dem Namen DDR weiterleben oder BRD oder noch einem anderen Namen.

S(...): Ich habe schon Angst vor einem Ausverkauf. Wir haben hier auch geschuftet, aber man soll die positiven Elemente der anderen Gesellschaft durchaus übernehmen. Das wurde ja auch alles schlecht gemacht, und das war falsch.

SPIEGEL: Die SED hat jahrzehntelang die Parole von der "sozialen Kälte" benutzt, um vor dem kapitalistischen Gesellschaftssystem zu warnen. Schrecken euch westliche Arbeitsbedingungen, das größere Tempo, die verschärfte Konkurrenz?

G(...): Wenn man konkrete Ergebnisse sieht, kann man auch noch gut einen Zahn zulegen. Bis jetzt war es doch so, dass man am Ende nur beschissen wurde. Wenn dabei was rauskommt kann ich auch mal auf 'ne Kaffeepause verzichten.

K(...): So wie das im Moment aussieht könnten wir ja auch gar nicht bestehen. Wenn wir nichts reinkriegen, keine neue Technik und so, dann würden wir untergehen. Das steht fest.

S(...): Wir besitzen schon Arbeiterstolz. Bei richtiger Funktionstüchtigkeit der ineinander greifenden wirtschaftlichen Prozesse wäre es schon möglich genauso erfolgreich zu sein. Wir arbeiten auch körperlich bedeutend härter.

G(...): Das Schlimmste ist, wenn man in 'n Westen kommt und man hört die Leute diskutieren im Bus, da kommt man sich vor wie 'n kleiner Schuljunge.

SPIEGEL: Minderwertigkeitskomplexe?

G(...): Die Leute sind politisch bedeutend weiter gebildet wie du, obwohl du ja auch nicht doof bist. Ich traute mich da gar nicht, mich in eine Diskussion einzulassen. Ich wäre da ja sowieso untergegangen.

S(...): Seh' ich ganz anders. Das hängt von der Persönlichkeit ab, und vom Niveau her sind wir hier auch nicht schlechter. Mag sein, dass die da drüben lockerer auftreten.

W(...): Das müssen wir erst alles noch lernen.

SPIEGEL: Innerhalb von zwei Monaten hat sich in diesem Land die Welt verändert. Habt ihr eine Vision, wie es am Ende des nächsten Jahres aussehen könnte?

G(...): Ob wir dann schon wiedervereinigt sind, soweit will ich noch gar nicht schweifen. Aber der Trend wird da hingehen, auf jeden Fall.

W(...): Ich hab' ein Ziel: Wenn sich das nun alles ändert, dass ich nicht erst in 10 oder 15 Jahren meine Wohnung vollständig einrichte, sondern dass ich vielleicht in zwei, drei Jahren das schaffe.

G(...): Mir tun nur die alten Genossen leid, die vielleicht nicht mehr umdenken können. Die haben den Krieg mitgemacht, haben damals gelitten und sind 40 Jahre wieder betrogen worden.

SPIEGEL: Und wer regiert demnächst?

K(...): Eine Partei allein wird es gar nicht schaffen, die müssen das Ding zusammen machen, und die SED wird draußen sein.

SPIEGEL: Werden Konservative Zulauf bekommen?

K(...): Ich glaube, das geht mehr in Richtung der Sozialdemokraten.

SPIEGEL: Herr S(...), wie viel Prozent geben Sie der neuen SED?

S(...): "Die neue SED", das ist Ihre Formulierung, das ist eine neue Partei, eine Nachfolgepartei mit neuem Programm und neuen Strukturen. Warum soll die künftig nicht Koalitionspartner sein? Diese schäbigen Kerle, die uns alles eingebrockt haben, sitzen ja nun. Aber wir haben mit dieser ollen, bitteren Last zu leben.

SPIEGEL: Wir danken euch für dieses Gespräch

Spiegel-Gespräch ohne Datumsangabe; aus: Demokratiebewegung - wie weiter?, Dezember 1989 - Januar 1990, Demokratiebewegung in der DDR, Materialien zur gewerkschaftlichen Bildungsarbeit, DGB-Bundesvorstand, Abt. gewerkschaftliche Bildung, ohne Ort und Datum

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