Drei Test-"Piloten" für die Marktwirtschaft

Minister Lauck zu Projekten in DDR-Industriekombinaten

Drei Kombinate sind selbständige Unternehmen im Bereich Maschinenbau. Die Regierung gab NAGEMA, NARVA und ORSTA-Hydraulik im Rahmen von "Pilotprojekten" freie Hand für die Marktwirtschaft. Wir fragten Maschinenbau-Minister Hans-Joachim Lauck

ND: Warum machen gerade diese Kombinate den Anfang?

Hans-Joachim Lauck: Wir haben einen Finalproduzenten, einen Konsumgüterproduzenten und einen volkswirtschaftlich maßgebenden Zulieferer ausgewählt. Im Kombinat NAGEMA geht es um die bessere Bedarfsdeckung im Inland und die Lieferung von Maschinen und Ausrüstungen für die Nahrungs- und Genussmittelproduktion für eine halbe Milliarde Mark Valutagegenwert an die UdSSR - unmittelbar an sowjetische Rohstofflieferungen gebunden.

Lichttechnik von NARVA soll Voraussetzungen schaffen, in den 90er Jahren etwa 18 000 Gigawattstunden Elektroenergie und damit die Förderung von 25 Millionen Tonnen Rohbraunkohle zu ersparen. ORSTA hat einen jährlich um durchschnittlich 15 Prozent wachsenden Bedarf an Hydraulik und Pneumatik zu bewältigen.

ND: Was wird in den drei Wirtschaftseinheiten konkret passieren?

Hans-Joachim Lauck Die Pilotprojekte tragen den unterschiedlichen Aufgaben Rechnung. Bei allen geht es im Kern darum, die Verantwortung und die Rechte der Betriebe zu erhöhen. Die Kombinate werden von einer Leitungs- zu einer Leistungseinheit.

ND: Das heißt?

Lauck: Sie werden sich selbst finanzierende Unternehmensleitungen. Sie müssen für ihre Betriebe Leistungen erbringen wie die Projektierung größerer Investitionen, Standardisierung, Softwareentwicklung und -applikation sowie Forschung. Sie sollen von einem Vorstand geleitet werden, in dem die Betriebsdirektoren, die Bank und weitere Vertreter so zusammenarbeiten, dass gegenseitige Hilfe geleistet wird.

Der Generaldirektor des Kombinats NAGEMA strebt an, das Kombinat in eine Aktiengesellschaft oder GmbH mit eigenen Kapitalanteilen, Bankanteilen und Anteilen ausländischer Firmen - Angebote gibt es - umzugestalten. Es soll Raum für die Förderung kleiner und mittlerer Betriebe geschaffen werden.

Im Zusammenhang mit den Pilotprojekten streben wir eine gründliche Neugestaltung des Preissystems an. Unsere Grundidee ist, die Preise als Aufwandspreise nach international gültigen Prinzipien zu gestalten, das heißt, es wird mit einer Umsatzsteuer, einer Gewerbesteuer, einer Körperschaftssteuer gerechnet. Ein einheitlich zu gestaltendes Preisniveau bei Inlands- und Exportlieferungen soll hier ökonomische Interessenkonflikte lösen.

ND: Haben auch die eigentlichen Test-"Piloten", die Werktätigen in den Kombinaten etwas vom Wandel?

Hans-Joachim Lauck: Für die Werktätigen ergeben sich bei höherer Leistung größere Vorteile. So durch die Einführung einer Gewinnbeteiligung. Sie soll die Bindung an den eigenen Betrieb verstärken. Die vorgesehenen Anteilgutscheine werden als fest verzinste Anlage mit einem höheren Zinssatz gestaltet.

Für ND fragte Michael Baufeld

aus: Neues Deutschland, Jahrgang 45, Ausgabe 39, 15.02.1990, Sozialistische Tageszeitung. Die Redaktion wurde 1956 und 1986 mit dem Karl-Marx-Orden und 1971 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.

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