Gerüchte und Spekulationen laufen schneller als die besten Rennpferde

Zum Einsatz von vietnamesische Werktätigen in unserem Betrieb

In der Aussprache am 28. Oktober 1989 kam ein großer Informationsmangel zu Fragen des Einsatzes der ausländischen Werktätigen in der DDR zum Ausdruck.

In dies Rahmen soll nicht über die Notwendigkeit und Richtigkeit der Einsatzpolitik ausländischer Arbeitskräfte diskutiert werden, sondern Informationen zum Regierungsabkommen geben.

Speziell wurde gegen den Einsatz von vietnamesischen Werktätiges polemisiert. Deshalb zuerst zum Regierungsabkommen zwischen der DDR und der SR Vietnam vom 11. April 1980 und den zusätzlichen Festlegungen zu diesem Abkommen.

Das Regierungsabkommen regelt die Rechte und Pflichten der Abkommenspartner. Mit der Anreise der Kollegen ergibt sich für den Betrieb z.B. die Aufgabe der Unterbringung der vietnamesischen Werktätigen. Hierbei ist die Rahmenheimordnung das Niveau der Unterbringung und der Ausstattung festgelegt. Es hat die Unterbringung grundsätzlich in einer Gemeinschaftsunterkunft zu erfolgen. Es ist zu sichern, dass eine Minimalausstattung vorhanden ist. Sie umfasst im wesentlichen folgende Punkte:

- Mindestwohnfläche 5 m²/Person

- maximal 4 Personen in einem Zimmer

- für 3 Personen eine Kochplatte

- pro Person 1 Liege; 1 Kleider- und Wäscheschrank, 1 Stuhl, 1 Nachtschrank, 1 Nachttischlampe, 30 l Kühlschrankinhalt, 2 Handtücher, 1 Geschirrtuch, 1 Besteck, Geschirr

- für 50 Personen 3 WM 66, 3 Trockenschleudern

- pro Heimetage 1 Clubraum mit S/W-Fernsehgerät, 1 Radio.

Unmittelbar nach der Einreise wird den vietnamesischen Werktätigen der Reisepass abgenommen und gegen einen vorläufigen Personalausweis umgetauscht. Der Reisepass ist mit einem Visum nur für die DDR ausgestellt. Damit erübrigt sich auch die Frage nach Reisen ins westliche Ausland. Reisen in die sozialistischen Länder sind nur mit der Genehmigung der Botschaft der SVR möglich.

Die Kosten für die An- und Abreise haben die Betriebe zu bezahlen. Den vietnamesischen Kollegen steht ein Erholungsurlaub im Heimatland zu, den sie frühestens nach einem zweijährigen Aufenthalt in der DDR antreten können. Die Kosten haben die Betriebe zu tragen.

Die vietnamesischen Werktätigen haben einen monatlichen Beitrag in Höhe von 12 Prozent des Bruttoeinkommens als Aufbauhilfe für ihr Land zu zahlen.

Bei der Einreise erhalten die vietnamesischen Kollegen eine einmalige Einkleidungsbeihilfe in Höhe von 500 Mark, damit sie sich auf die anderen klimatischen Bedingungen einstellen können.

Die Zoll- und Devisenbestimmungen sehen als Besonderheit bei den vietnamesischen Werktätigen vor, dass sie sechs Postsendungen ohne Wertbegrenzung und zollfrei versenden dürfen. Für die Einhaltung der Zollbestimmungen sind die Kollegen selbst verantwortlich. Ein Nachweis der verschickten Dinge hat über P-A zu erfolgen. Für die vietnamesischen Kollegen sind etwa 30 Artikel begrenzt. So darf ein Werktätiger pro Jahr ein Fahrrad nach Hause schicken. In fünf Jahren darf er z.B. zwei Mopeds, 2 Nähmaschinen mitnehmen oder nach Hause schicken. Wenn ein berechtigtes Interesse besteht, kann man sich bei P-A die Zahlen über verschickte Fahrräder holen.

Gerüchte und Spekulationen laufen schneller als Rennpferde.

Um gegen auftauchende Gerüchte vorgehen zu können, wurde am 1. November 1989 in der Arbeiterwohnunterkunft gemeinsam mit dem WBA-Vorsitzenden und der vietnamesischen Gruppenleitung eine Aussprache geführt.

Folgende Punkte wurden besprochen.

1. Einrichtung einer eigenen Kaufhalle für vietnamesische Werktätige. Diese Forderung ist nicht von der Seite der vietnamesischen Werktätigen gestellt worden, sondern trat im Rahmen der allgemeinen schlechten Versorgungslage speziell im Bereich der beiden Kaufhallen im Stadtteil Nord auf. Ähnlich dem Modell im Arbeiterwohnheim Wilhelm-Bahms-Str. 7 sollte ein Verkaufsstützpunkt eingerichtet werden. In der Arbeiterwohnunterkunft sind dafür jedoch keine Möglichkeiten vorhanden. Zum anderen würden ja nicht zusätzliche Waren angeboten werden, sondern solche aus dem Angebot der Kaufhallen. In Vorbereitung auf das Beziehen der Arbeiterwohnunterkunft sind mit den Kaufhallenleitern Gespräche geführt worden, um mit dem Zuzug der vietnamesischen Werktätigen das Angebot in den Kaufhallen in bestimmten Bereichen zu erhöhen.

2. Einrichtung einer eigenen Buslinie

In Vorbereitung auf das Winterhalbjahr ist von Seiten ZVS und P-A mit dem VEB Kraftverkehr gesprochen worden, die Buslinien zum Schichtbeginn zu verstärken.

Eine eigene Buslinie war nie Gegenstand der Diskussionen.

3. Die Einrichtung eines Bordells für vietnamesische Werktätige gehört in das Reich der Fabeln und Märchen. Der Sensationsgier sind bei solchen Dingen natürlich keine Grenzen gesetzt.

Die hier aufgeführten Fakten sollen nur einen kleinen Einblick in die Vielfältigkeit des Einsatzes der ausländischen Werktätigen geben und wird zu bestimmten Schwerpunkten fortgesetzt

K. S(...)

aus: Triebrad, Nr. 25/89, 5. Dezember 1989, Organ der Betriebsparteiorganisation des VEB IFA Getriebewerk Brandenburg Betrieb des IFA Kombinates Nutzkraftwagen
Herausgeber: Betriebsparteiorganisation der SED der VEB IFA-Getriebewerke Brandenburg


Am 02.04.1990 betonte die Ausländerbeauftragte, Almuth Berger, die Regierungsabkommen über die zeitweilige Beschäftigung und die Qualifizierung ausländischer Arbeitskräfte in der DDR sind nach wie vor gültig. Versuche einzelner Betriebe, diese Abkommen zu unterlaufen, seien ungesetzlich. Beim Ministerium für Arbeit und Löhne haben etwa 150 Betriebe die Umsetzung solcher Arbeitskräfte aus Rationalisierungsgründen beantragt. 1990 werde es "keine Neueinreisen auf der Grundlage von Regierungsabkommen" geben.


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