Mo. 16. April 1990


DDR-Botschafter Jürgen van Zwoll ist am Donnerstag ins polnische Außenministerium gerufen worden. Die polnische Seite zeigte sich befremdet über ein am 16. April in Görlitz geplantes Schlesiertreffen. Besondere Unruhe löste in Warschau aus, dass an diesem Treffen der Chef der Vertriebenenverbände in der BRD, Hupka, teilnehmen soll.

Das Außenministerium hat den DDR-Botschafter um eine schnelle Klärung darüber gebeten, welchen Charakter das Treffen von Görlitz tragen werde. Außerdem richtete es die Aufmerksamkeit darauf, dass sich mit dem Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand aus dem Jahre 1977 sowohl Polen als auch die DDR verpflichtet haben, Militarismus und Revanchismus ebenso eine Abfuhr zu erteilen wie dem Bruch internationaler Verträge. Beide Seiten wollen mit dem Vertrag zur Festigung der europäischen Sicherheit beitragen.
(Neues Deutschland, Sa. 14.04.1990)

Lothar de Maizière gibt am 18.04. seine Regierungserklärung ab. Horst Teltschick von der bundesdeutschen schrieb 1991, dass er sich am 16.04. mit Lothar de Maizières Büroleiterin traf, um über den außenpolitischen Teil der beabsichtigten Regierungserklärung zu sprechen.

"In zwei Punkten weicht er von der Linie der Bundesregierung deutlich ab, insbesondere in der Passage zur polnischen Westgrenze. Dort ist der Wunsch Mazowieckis uneingeschränkt übernommen worden, zwischen beiden deutschen Staaten und Polen noch vor der Vereinigung Deutschlands einen 'Grenzvertrag' zu paraphieren. Außerdem wird in de Maizières Text die NATO-Mitgliedschaft eines geeinten Deutschland nur für eine 'Übergangszeit bis zur Schaffung des gesamteuropäischen Sicherheitssystems' akzeptiert. Darüber werden wir mit de Maizière sprechen müssen.

Wir betreten das Ministerratsgebäude durch einen Hintereingang. Beide Seiten bemühen sich ständig, bei den gemeinsamen Gesprächen nicht öffentlich aufzufallen, um den Eindruck einer 'Fernsteuerung' durch Bonn zu vermeiden."
(Horst Teltschick: 329 Tage, 1991, S. 197)

In einem inoffiziellen Schreiben an Lothar de Maizière äußert die sowjetische Führung Befürchtungen über einen schnellen Beitritt nach Grundgesetz Artikel 23Artikel 23 Grundgesetz. Die Eingliederung eines vereinigten Deutschlands in die NATO wird als unannehmbar bezeichnet. Die inneren und äußeren Aspekte der Einigung müssten synchron gelöst werden.

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