Sa. 19. August 1989


Die Stärkung einer "eigenen und gemeinsamen deutschen Identität" haben DDR-BürgerrechtlerInnen zusammen mit niedersächsischen FDP-Politikern in einer gemeinsamen Erklärung gefordert. In der Resolution heißt es, politische Verantwortung bedeute nicht nur "die Einmischung in die eigenen Angelegenheiten". Sie erfordere auch, "eine fremde Sache zur eigenen zu machen, wenn Unrecht geschieht".

Anlass der Erklärung ist der deutsche Überfall auf Polen, der sich am 1.September zum 50. Mal jährt. Zu den UnterzeichnerInnen gehören auf Ostberliner Seite die Pfarrer Rainer Eppelmann und Hans-Peter Schneider sowie die Malerin Bärbel Bohley, die vergangenes Jahr, nach einem sechsmonatigen Zwangsaufenthalt in der BRD, wieder in die DDR zurückkehren durfte. Auf FDP-Seite unterschrieben die niedersächsischen Landesminister Walter Hirche und Heinrich Jürgens sowie dessen Staatssekretär und der Fraktionsvorsitzende Martin Hildebrandt das Papier.

Eppelmann sagte, die Zusammenarbeit habe sich bewährt und solle fortgesetzt werden. Die Erklärung sei nötig gewesen, weil "engagierte Deutsche aus traurigem Anlass über die Grenzen hinweg ein gemeinsames Wort formulieren wollten". Fischer, stellvertretender Vorsitzender der Liberalen in Hannover, meinte, gerade angesichts der anhaltenden Ausreisewelle müsse denen der Rücken gestärkt werden, "die sich in der DDR teilweise seit Jahren vergeblich um Reformen mühten".

Im der dreiteiligen Erklärung selbst werden "Lehren für die Zukunft" dargestellt, die die Unterzeichner "unabhängig von der jeweiligen staatlichen Zugehörigkeit" ziehen. Darunter heißt es: "Verachtung von Menschenrechten und Unterdrückung Andersdenkender muss entschieden begegnet werden. Menschenrechte sind unveräußerlich. Deshalb sollen sie für alle Menschen durchgesetzt werden, damit immer auch oppositionelle Kräfte Kontrollmechanismen bilden können."
(die tageszeitung, Sa. 19.08.1989)

Bei Sopron an der ungarisch-österreichischen Grenze gegenüber dem österreichischen Ort St. Margarethen im Burgenland findet ein "paneuropäischen Picknick" statt. Die Schirmherrschaft wurde dem CSU Abgeordneten im Europaparlament Otto von Habsburg von der Paneuropa-Union übertragen.

Im Vorfeld wurden rund 3 000 Flugblätter, die Hälfte in ungarischer und deutscher Sprache, verteilt. In anderen Sprachen nicht. Für Menschen aus anderen Staaten war kein Platz beim Picknick vorgesehen. Das Öffnen der Grenze für sie nach Österreich erst recht nicht.

661 DDR-Bürger nutzen die kurze Grenzöffnung für einen Grenzübertritt nach Österreich.

Der DDR-Botschafter in Ungarn schreibt später:

"Ursprünglich hatte auch ich eine Einladung zum Picknick nahe Sopron erhalten, wurde aber kurz vorher von den Organisatoren mit tausendfachen Entschuldigungen für die 'technische Panne' von der ungarisch-österreichischen Grenze wegkomplimentiert und zu einem Picknick an der slowakischen Grenze eingeladen."
(Gerd Vehres in: Der Letzte macht das Licht aus. Wie DDR-Diplomaten das Jahr 1990 im Ausland erlebten. edition ost im Verlag das neue Leben, 2. korr. Auflage 2001, herausgegeben von Birgit Malchow, S. 108)

Die ersten Flüchtlingslager in Ungarn werden eröffnet. In der Zugliget-Kirche und im Pionierlager Csilleberg.

Δ nach oben