Sa. 9. September 1989


In Erfurt verabschieden Frauen nach einem Erfahrungsaustausch einen Offenen Brief der Bürgerinneninitiative "Frauen für Veränderung". In dem Brief, der am 2.10.1989 als Flugblatt veröffentlicht wird, heißt es u. a.:

"Wir Frauen sind betroffen von der Massenauswanderung unserer Mitmenschen, die noch immer anhält, und empört über die Reaktion von Partei und Regierung. (...)

Auch uns geht es um Veränderungen, die den Sozialismus lebendig werden lassen. Deshalb organisieren wir uns mit allen Menschen, Gruppen und Initiativen, die sich um von der Basis ausgehende gewaltfreie, ökologische, soziale, demokratische Umgestaltung unserer Gesellschaft bemühen. Wir brauchen neue Möglichkeiten der aktiven Mitgestaltung in allen Lebensbereichen.

Von Partei und Regierung erwarten wir deshalb, dass sie sich endlich zu einer öffentlichen Diskussion mit allen Menschen im Land, die Veränderung wollen, bereit finden und diese nicht weiterhin, entgegen unserer verfassungsmäßigen Rechte, kriminalisieren. Diese Diskussion muss in den Medien ungehindert ausgetragen werden. Dabei entstehende Spannungen gilt es kreativ umzusetzen. (...)"
(Sabine und Zeno Zimmerling, Neue Chronik DDR 1. Folge 2. Auflage Verlag Tribüne Berlin GmbH 1990 ISBN 3-7303-0582-4)

Nach dem Zeitungsbericht meldeten sich in Zanka im Plattensee am Samstag auch Flüchtlinge aus Rumänien, der ČSSR und der Sowjetunion. Sie seien jedoch abgewiesen worden. Illegal kamen in der Nacht zum Sonntag 26 DDR-Bürger über die Grenze nach Österreich. Am Samstag waren es 60 bis 70 Flüchtlinge.
(die tageszeitung, Mo. 11.09.1989)

Wegen des Ansturms von DDR-Bürgern auf die bundesdeutsche Botschaft in Budapest in den letzten Wochen wurden Hotels und Pensionen angemietet. Im Stadtteil Pest war ein von den Maltesern betriebenes Flüchtlingslager eingerichtet worden.

In Erfurt findet an diesem Wochenende das 1. Frauenkoordinierungstreffen statt. Neben der aktuellen politischen Situation ist auch eine bessere Vernetzung der Frauengruppen Thema.

Erster Tag des Gründungstreffens des Neuen Forum in Grünheide bei Berlin.

Nach einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung über den 88. Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stiftung diese Woche in Bonn sagt dort Egon Bahr: "Denkbar ist, irgend wann einmal, ein 'Anschluss' der DDR an die Bundesrepublik". Er plädierte gleichzeitig für einen "Burgfrieden" in der Diskussion um die Wiedervereinigung.

"Jede Diskussion über Grenzen würde den Reformen gefährlich werden, jede Diskussion über eine Wiedervereinigung brächte der DDR-Führung nur den Vorwand, mit der Begründung einer westlichen Bedrohung ihre harte Politik fortzuführen."

Horst Teltschick wird zitiert mit: "Die deutsche Frage ist nicht unbedingt identisch mit der Frage der Wiedervereinigung; sie kann auch definiert werden als Forderung nach Selbstbestimmung der DDR-Bürger in ihrem Land, in einer 'anderen DDR'."

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