Mo. 20. November 1989


350 Westberliner Ärzte haben in den vergangenen vier Tagen ihr Interesse bei der Ärztekammer der Stadt bekundet, in der DDR zu arbeiten. Wie der Sprecher der Ärztekammer, Roland Bersdorf, weiter mitteilte, habe man Anfang der Woche an 1 800 der 12 000 Ärzte in der Stadt geschrieben, die arbeitslos sind oder nicht in ihrem Beruf arbeiten.
(Neue Zeit, Mo. 20.11.1989)

Nach vorliegenden Informationen treten die lange aufgestauten Aggressionen der DDR-Bevölkerung gegen die Sicherheitsorgane nun z.T. offen zu Tage. So sollen in Gera Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes auf der Straße beschimpft und beleidigt worden sein; an deren Wohnhäuser seien Parolen wie "Henkersknechte, Menschenschinder und HONECKER-Lakaien" aufgesprüht worden. Aus Berlin (Ost) wird berichtet, dass an Privatkraftfahrzeugen von MfS-Mitarbeitern die Reifen zerstochen worden sind. Ferner sollen vereinzelt Kinder von MfS Angehörigen verprügelt oder sonst wie malträtiert worden sein.
(25 Jahre Mauerfall. Dokumente aus den Akten des BND. Nr. 8, Mitteilungen der Forschungs- und Arbeitsgruppe "Geschichte des BND" 2014)

Ein Podiumsgespräch zur Wirtschaftsreform findet im Haus des ZK der SED statt.

Im Peter Kast Club findet die Gründungsversammlung Berlin-Adlershof der SDP statt. Auch in Zella-Mehlis gründet sich eine Ortsgruppe der SDP.

Auf einer Gewerkschaftsversammlung des VEB WAMA Markkleeberg wird ein Streikrecht gefordert.

Der Minister für Nationale Verteidigung, Theodor Hoffmann, erläutert auf der Kommandeurstagung die Grundzüge einer neuen Militärreform. Zur Umsetzung wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Ein Konsultationspunkt Militärreform wird gebildet.

Bei einem Gespräch zwischen Egon Krenz und Hans Modrow mit Kanzleramtsminister Rudolf Seiters, wurde Änderungen in der Verfassung der DDR angekündigt. Dies betreffe nicht nur den BildArtikel 1. Die SED beanspruche kein Monopol. Die SED trete für eine grundsätzliche Änderung der Wirtschaftspolitik verbunden mit einer Wirtschaftsreform ein. Es gehe um eine an den Marktbedingungen orientierte sozialistische Planwirtschaft.

Die Wiedervereinigung stehe nicht auf der Tagesordnung. Die Position der BRD sei gekannt. Die Geschichte wird zeigen, wer Recht behält.

Rudolf Seiters teilt auf einer Pressekonferenz in Berlin mit, der Termin für den Besuch des Bundeskanzlers Helmut Kohl in der DDR steht noch nicht fest. Der Besuch wird im Dezember erfolgen, voraussichtlich nach dem Parteitag der SED.

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