DDR 1989/90Brandenburger Tor

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Egon Krenz hat sich mit einer Erklärung an den Präsidenten der Volkskammer der DDR, Dr. Günther Maleuda, gewandt. Darin heißt es:

Als mich die Volkskammer am 24. Oktober 1989 zum Vorsitzenden des Staatsrates der DDR wählte, leistete ich den Eid in der festen Absicht, meine ganze Kraft für den Erhalt des Landes als souveräne sozialistische Republik und für das Wohl ihrer Bürger, für ein festes Bündnis mit den sozialistischen Bruderstaaten und die friedliche Zusammenarbeit aller Völker und Staaten einzusetzen.

Gemeinsam mit politischen Freunden hatte ich zuvor die Initiative zu einer Umkehr in der Politik in der Führung der SED ergriffen. Motiv unseres Handelns war die über einen längeren Zeitraum gereifte Erkenntnis, dass die alte Führung den Widerspruch zwischen Volkswillen und realitätsferner Politik ständig vertiefte und unser Land in eine tiefe Krise führte.

Meine mehrjährige Mitgliedschaft im Staatsrat und im Politbüro unter Führung Erich Honeckers minderte bei nicht wenigen Bürgern die Glaubwürdigkeit der von mir vertretenen Politik der Erneuerung des Sozialismus.

Vertrauen im Volk aber ist die erste Voraussetzung für die Ausübung der Funktion des Vorsitzenden des Staatsrates. Inzwischen sind Ereignisse eingetreten, die zum Zeitpunkt meiner Wahl zum Vorsitzenden des Staatsrates nicht vorauszusehen waren.

Im Interesse der Stabilität der DDR und der notwendigen revolutionären Erneuerung unseres Landes trete ich von meiner Funktion als Vorsitzender des Staatsrates und Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates der DDR zurück.

Es ist meine Hoffnung, dass das Volk der DDR den Prozess der Erneuerung, den es selbst erkämpft hat, unumkehrbar macht. Wir müssen aber auch die Gefahr sehen, die unserer Heimat von antisozialistischen Kräften droht. Jede Revolution birgt die Gefahr der Sammlung von Gegenkräften in sich. Diese antisozialistischen Kräfte wollen den Stolz unseres Volkes brechen und die Arbeit von Generationen zum Ausverkauf anbieten. Dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren. In dieser Stunde höchster Gefahr müssen alle, denen dieses Land am Herzen liegt, aus patriotischer Verantwortung zusammenstehen.
(Neues Deutschland, Do. 07.12.1989)