Vorläufige Grundsatzerklärung und Diskussionspapier des "Demokratischen Aufbruch" (DA)

Partei Demokratischer Aufbruch - sozial, ökologisch

Beschluss vom 30.10.1989

1. Die stimmberechtigten Teilnehmer gaben ihre Zustimmung zur vorgelegten Grundsatzerklärung vom 30.10.1989 und zum vorläufigen Statut.

In Wahrnehmung der Rechte aus Artikel 27 der Verfassung der DDRArtikel 27 und Artikel 29 der Verfassung der DDR29 der Verfassung der DDR soll jeder Bürger, der der Grundsatzerklärung zustimmt, durch sachliche und konstruktive Meinungsäußerung an der Mitgestaltung der Gesellschaft der DDR mitwirken und sich frei entscheiden können, Mitglied dieser Partei zu werden, die ihre Aufgabe vorrangig darin sieht, die Mitwirkung der Bürger an der ökologischen, politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gestaltung der Gesellschaft in der DDR zu fördern.

2. Für die Dauer der Vorbereitungen bis zur endgültigen Gründung der Partei bis spätestens zum 1. Mai 1990 wurde durch die stimmberechtigten Teilnehmer ein vorläufiger Vorstand, bestehend aus zehn Mitgliedern gewählt:

Vorsitzender: WOLFGANG SCHNUR, Rechtsanwalt, (...)weg 3, Rostock 18, 2500
Stellvertreterin: BRIGITTA KÖGLER, Rechtsanwältin, (...)Str. 22, Jena, 6900
Stellvertreter: EHRHART NEUBERT, Soziologe, (...)Str. 43, Berlin, 1054
Schatzmeisterin: CHRISTIANE ZILLER, Musikdramaturgin, (...)Str. 2, Berlin, 1058
Pressesprecher: RAINER EPPELMANN, Pfarrer, (...)str. 27, Berlin, 1035
Mitglieder: EDELBERT RICHTER, Dozent, (...)str. 9, Weimar, 5300
RUDI PAHNKE, Pfarrer, (...)str. 14, Borgsdorf, 1404
HERBERT WIRZEWSKI, Schlosser, (...)str. 13, Milmersdorf, 2091
GÜNTHER NOOKE, Physiker, (...)str. 6, Forst, 7570
Dr. FRED EBELING, Ingenieur, (...)str. 23, Berlin, 1071

Die Arbeitsaufgaben des Vorstandes ergeben sich aus § 4 des vorläufigen Statuts für die zu gründende Partei.

3. Der Vorstand wurde bis zum Zusammentritt einer weiteren Delegiertenvollversammlung/Mitgliederversammlung beauftragt, die Erarbeitung einer Wahl- und Geschäftsordnung und einer Finanz-, Vermögens- und Beitragsrichtlinie vorzunehmen und die rechtlichen Voraussetzungen für eine Anmeldung und Gründung vorzubereiten.

4. Der Vorstand wird beauftragt, für folgende Sachbereiche verantwortliche Beauftragte zu benennen (Beschluss der ersten Vorstandssitzung am 4. November 1989 wie folgt):

BRIGITTA KÖGLER:
- Bürger- und Menschenrecht
- Rechts- und Gesetzgebungspolitik

GÜNTHER NOOKE:
- Umweltschutz
- Sozial- und Gesundheitspolitik

CHRISTIANE ZILLER:
- Frauen-, Familien- und Kinderpolitik
- Kultur und Bildung
- Organisation und Leitung der Partei

RUDI PAHNKE:
- Jugendpolitik
- Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen anderer demokratisch-politischer Bewegungen und Parteien

WOLFGANG SCHNUR:
- Abrüstungs-, Friedens- und Wehrdienstfragen

WOLFGANG SCHNUR/RAINER EPPELMANN:
- Probleme der Zweidrittel-Welt
- Internationale Zusammenarbeit und Außenpolitik

RAINER EPPELMANN:
- Öffentlichkeits- und Medienarbeit sowie Herausgabe einer Zeitung

DR. FRED EBELING:
- Finanz-, Preis- und Wirtschaftspolitik
- Wissenschaft und Technik

DR. FRED EBELING/HERBERT WIRZEWSKI:
- Arbeits- und Gewerkschaftspolitik

EDELBERT RICHTER/EHRHART NEUBERT:
- Einsetzung einer Programmkommission

Vorläufige Grundsatzerklärung

Die Gesellschaft der DDR befindet sich in einer moralischen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und politischen Krise. Die Symptome dieser Entwicklung lassen sich nicht mehr verdrängen. Der Bürger wird immer noch entmündigt.

Es existieren keine ausreichenden politischen Strukturen für die öffentliche Willensbildung der Bürger.

Da zum Dialog gleichberechtigte Partner gehören, kann unsere Gesellschaft erst demokratisch werden, wenn sich neben der Einheitspartei andere politische Größen konstituieren.

Wir verstehen unsere Initiative als einen Versuch dazu. Die kritische Haltung des Demokratischen Aufbruchs (DA) zum realexistierenden Sozialismus bedeutet keine Absage an die Vision einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Wir beteiligen uns am Streit um die Konzeption des Sozialismus.

Der DA ist eine politische Vereinigung, die sich zur Partei entwickeln will. Er bewegt sich im Rahmen demokratischer Verfassungsgrundsätze.

Unser Ziel ist der demokratische Aufbruch in eine leistungsfähige Industriegesellschaft mit ökologischer und sozialer Grundrichtung.

Eine erneuerte demokratische Republik erfordert:

1. Die Trennung von Staat und Parteien
Der Staat stützt sich auf eine demokratische Verfassung und auf in öffentlicher Auseinandersetzung ermittelte Werte. Er gründet sich nicht auf den Wahrheitsanspruch einer Partei. Staatliche Institutionen unterliegen der öffentlichen Kontrolle und sind weltanschaulich neutral.

2. Die Entwicklung einer freien Öffentlichkeit und den ungehinderten Zugang zu ihr
Die Gesellschaft kontrolliert und bewertet die Tendenzen ihrer Entwicklung in der ständigen öffentlichen Auseinandersetzung. Hier werden Widersprüche der Gesellschaft aufgezeigt. Das erfordert die Auflösung des staatlichen Informations- und Medienmonopols. Wir sind für freie und jedem zugängliche Medien. Der Bürger hat das Recht, Informationen über alle staatlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten des Staates einzufordern.

3. Die freie Willensbildung und den öffentlichen Ausdruck des Willens mit politischen Mitteln
Wir sind für ein Mehrparteiensystem auf der Basis inhaltlicher Alternativen. Jede zugelassene Partei kann entsprechend der Mehrheitsverhältnisse Regierungsverantwortung übernehmen. Wir streben an, dass die Massenorganisationen keinen Sitz im Parlament haben.

4. Die Trennung von Staat und Gesellschaft und die gesellschaftliche Kontrolle des Staates
Die ausführenden Organe und die sie kontrollierenden, gesetzgebenden Organe sind getrennt. Die unabhängige Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit schützt die Grundrechte der Bürger gegenüber der Staatsmacht.

5. Die Vergesellschaftung des Eigentums an Produktionsmitteln
Das Volkseigentum ist ein irreführender Begriff für das in der DDR bestehende Staatseigentum, der aufgegeben werden soll. Das Staatseigentum beschränkt sich auf die Großindustrie, steht unter öffentlicher Kontrolle und ist mit betrieblichen Mitbestimmungen beziehungsweise Selbstverwaltungen verbunden. Kleinindustrie und Dienstleistungen können genossenschaftlich oder privat organisiert sein.

Monopolisierte Eigentumsformen werden abgelehnt.

6. Die Beschränkung des Planes auf Grundtendenzen der wirtschaftlichen Entwicklung und die Rolle des Marktes
Der Plan steckt einen allgemeinen Rahmen für wirtschaftliches Handeln ab. Marktwirtschaftliche Prinzipien werden zur Förderung der Eigenverantwortlichkeit aller wirksam. Der Staat ist verpflichtet, sozial Schwache zu schützen und die Gefährdung der Umwelt abzubauen.

7. Die wirtschaftliche Effektivität und soziale Gerechtigkeit
Der Ausgleich zwischen dem Anliegen wirtschaftlicher Effektivität und sozialer Gerechtigkeit wird durch die Gesellschaft selbst herbeigeführt. Deshalb fordern wir freie und unabhängige Gewerkschaften und andere Interessenvertretungen. Es muss ein effektiver Schutz von Minderheiten durch gesetzliche Regelungen und die Einrichtung variabler Fonds gesichert werden.

8. Den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft
Ökologische Faktoren müssen zunehmend in die Kostenrechnungen der Betriebe eingehen. Durch Besteuerung und gesetzliche Regelungen wird langfristig angestrebt, dass die jeweils umweltverträglichste Variante der Produktion auch die wirtschaftlichste ist.

Die Entwicklung und Nutzung regenerierbarer Energiequellen wird in einem breit angelegten Wettbewerb forciert, der sich besonders der Kräfte des Marktes bedient. Die durch die Dringlichkeit der ökologischen Umgestaltung vermutlich entstehenden kollektiven und Einzelinitiativen sind entscheidender Motor dieser Entwicklung. Entsprechend dem Prinzip der öffentlichen Willensbildung sind sie zugleich Mitinitiatoren für die Veränderung von Bedürfnisstrukturen.

9. Außenpolitische Orientierung
Die politischen Forderungen und Handlungsziele des DA sind eingebettet in die große Hoffnung auf Errichtung des gemeinsamen europäischen Hauses, einer europäischen Friedensordnung und einer gerechteren Welt. Das besondere Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland, begründet in der Einheit deutscher Geschichte und Kultur, wird durch den DA hoch bewertet. Auch stellt der DA die freundschaftliche und familiäre Bindung von Millionen von Bürgern über die Grenzen hinweg in Rechnung. Wir gehen von der deutschen Zweistaatlichkeit aus. Ein aktives Aufeinanderzugehen der beiden deutschen Staaten im Rahmen einer europäischen Friedensordnung unterstützen wir.

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