Miese Praxis mit den privaten Praxen

Protest der Gewerkschaft gegen Ministerentscheid

Die Abberufung des Ministers für Gesundheits- und Sozialwesen Prof. Dr. Klaus Thielmann, forderten in einem Brief an Ministerpräsident Hans Modrow die Gewerkschaft Gesundheits- und Sozialwesen, Virchow-Bund, Helmholtz-Bund, Verband der Apotheker der DDR, Verband der Hebammen und die Initiativgruppe Verband der Pharmazieingenieure.

Anlass für diese Forderung ist ein an die Bezirks-Ärzte gerichtetes Schreiben, das die Unterschrift des Ministers trägt. Darin wird verfügt, dass staatliche Arztpraxen und Zahnarztpraxen durch den Kreisarzt aufgelöst werden können, um anschließend in private Praxen umgewandelt zu werden.

Die Gewerkschaft und die Berufsverbände verweisen darauf, dass mit dieser Verfahrensweise das ambulante Gesundheitswesen in seiner bisherigen Form liquidiert wird. Sie fordern deshalb die Aufhebung des Ministerentscheides.

"Wir haben nichts gegen diese Entwicklung, aber wir haben sehr viel dagegen, dass man das gesamte poliklinische Betreuungssystem zerschlägt, bevor soziale und rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen sind", erklärte Dr. Richard Klatt, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Gesundheits- und Sozialwesen gegenüber "Tribüne".

Empörte Reaktionen von der Basis belegen, dass die getroffene Entscheidung auf Widerspruch stößt. Sie trifft zum einen jene Ärzte, die nicht bereit sind, den Schritt in die Privatpraxis zu gehen. Zum anderen würden viele Vorteile für die Patienten, die sich das ambulante Gesundheitswesen der DDR auf die Fahnen geschrieben hat, ab sofort verschwinden.

Sollte ihren Forderungen nicht entsprochen werden, behalten sich Gewerkschaft und Berufsverbände Kampfmaßnahmen vor, erklärte Dr. Klatt. Sie seien nicht bereit, diese bittere Pille zu schlucken.

I. A.

aus: Tribüne, Nr. 38, 22.02.1990, 46. Jahrgang, Zeitung der Gewerkschaften