Laienkunst wohl nicht groß genug

Inmitten des Massenwettlaufs zur schnellstmöglichen Einführung der Marktwirtschaft sind die ersten bereits auf der Strecke geblieben, andere am Straucheln. Die Rede ist von den verschiedenen Organisationsformen laienkünstlerischer Tätigkeit. Betriebliche Ensembles werden kurzerhand abgeschafft, Kreiskabinette für Kulturarbeit haben eine ebenso ungewisse Zukunft vor sich wie Jugendklubs, die nicht nur Diskos veranstalten. Laienorchester und Kabaretts, Tanzgruppen und artistische Darbietungen - was soll aus ihnen werden?

Ohne den rigorosen Leistungszwang künstlerischer Bildungseinrichtungen konnten sich viele in Zirkeln für Zeichnen, Literatur, Keramik- oder Textilgestaltung selbst kreativ betätigen, sogar eine musikalische Grundausbildung war möglich.

Waren dies Auswüchse stalinistischer Kulturpolitik, dass man sich Hals über Kopf von ihnen verabschieden müsste?

Künstlerische Freizeitbetätigung erhöht die soziale und psychische Lebensqualität, steigert das Urteilsvermögen und die Genussfähigkeit gegenüber Kunst, ist Motivation zur schöpferischen Gestaltung der eigenen Lebenswelt.

Soll dies in Zukunft - besonders für Kinder und Jugendliche - zur Kostenfrage werden?

Ich denke, es sollten schnellstmöglich regionale Kulturfonds gebildet und es sollten auch Betriebe zur Kasse gebeten werden. Sicher, auch die "große Kunst" steht in nächster Zeit vor riesigen Problemen - Selbstbehauptung im Land und in der internationalen Arena, Kampf ums materielle Überleben - aber vergessen wir um Himmels willen die so genannte "Volkskunst" nicht!

Gerd Bächler
GRÜNE PARTEI

aus: Podium, die Seite der neuen Parteien, Initiativen und Gruppierungen in der Berliner Zeitung, Nr. 47, 24./25.02.1990, 46. Jahrgang