Die Angst vor Instrumentalisierung

Judith Demba, Mitglied des Vorstands der DDR-Grünen, über das Innenleben ihrer Partei

taz: Die Fraktionen Bündnis 90/Grüne in der Volkskammer und Die Grünen im Bundestag haben jüngst eine "Gemeinsame Erklärung zum Staatsvertrag" verabschiedet. Von der Bundesversammlung der Grünen in Dortmund ist diese Erklärung begrüßt worden. Im Vorfeld gab es allerdings Krach zwischen Euch und einigen Bundestagsgrünen. Worum ging es?

Judith Demba: Teile der grünen Bundestagsfraktion wollten eine von ihnen ausgearbeitete Erklärung, die auf der gemeinsamen Erklärung beider Fraktionen beruht, als Beschluss verabschieden lassen. Den hätten wir DDR-Grüne nur noch annehmen oder ablehnen können. Das halten wir für undemokratisch. Unsere Änderungswünsche oder Ergänzungsvorschläge wären nämlich nicht mehr eingeflossen. Im Gegensatz zu einer Erklärung ist ein solcher Beschluss ja keine Diskussionsgrundlage.

Wart Ihr vor Beginn der Bundesdelegiertenkonferenz hier in Dortmund über dieses Vorhaben von Teilen der Bundestagsfraktion informiert?

Nein. Wir sind total überrascht worden. Plötzlich lag uns eine Erklärung vor, die einige zum Beschluss erheben wollten. Wir haben jetzt allerdings durchgesetzt, dass das Papier nur als Erklärung zur Kenntnisnahme, als Diskussionsgrundlage, verabschiedet wurde und nicht als gemeinsamer Beschluss.

Bezog sich Eure Kritik lediglich auf das Vorgehen?

Nein. Wir hatten auch inhaltliche Bedenken. Zum Beispiel stand ursprünglich in dem Papier, das als Beschlussvorlage herhalten sollte: "Wir bejahen die deutsche Einheit." In unserer Partei ist das aber nicht Konsens.

Die Westberliner Alternative Liste hatte hier in Dortmund beantragt, bei gesamtdeutschen Wahlen so vorzugehen: Statt einer gesamtdeutschen Kandidatur von DDR-Grünen und BRD-Grünen allein auf der Grundlage eines "konföderativen Zusammenschlusses" solle eine gesamtdeutsche "Wahlpartei" aus DDR- und BRD-Grünen sowie den Organisationen und Parteien der Demokratiebewegung - etwa dem "Neuen Forum" gebildet werden. Die Delegierten haben den Antrag nur mit knapper Mehrheit abgelehnt. Wie ist dieser Vorschlag bei Euch diskutiert worden?

Wir wollen keine Integrationspartei, in der alles zusammengeworfen wird. Wenn zum Beispiel der Frauenverband Teil eines Bündnisses würde, wäre er seine starke öffentliche Bedeutung los. Das fände ich sehr schade, überdies: Eine "Wahlpartei" technisch und formell hinzukriegen, wäre schwierig und würde Zeit kosten. Die aber haben wir im Moment nicht.

Ich möchte aber auch noch was zu den Motiven sagen, die ich hinter der bundesgrünen Grundsatzfrage, ob man Bürgerbewegungen ins Bündnis reinholen oder sie draußen lassen soll, sehe. Manche Grünen in der BRD glauben, dass man bestimmte Bürgerbewegungen unbedingt in den "konföderativen Zusammenschluss" von DDR/BRD-Grünen reinzwängen muss. Sie wollen damit den liberalen Flügel ihrer Partei stärken - sprich, die Linken ausgrenzen. Andererseits sind sie gegen das Vorhaben "Wahlpartei", in das eben auch Linke einbezogen werden müssten.

Mit anderen Worten: Die sogenannten Realos hierzulande wittern nun bei der Diskussion dieser Grundsatzfrage Morgenluft?

Ziemlich. Und dies teilweise zu Recht, teilweise zu Unrecht. Ein nicht geringer Teil unserer Grünen ist konservativ, hat Berührungsängste, will mit dem linken Flügel der BRD-Grünen nichts zu tun haben. Andere allerdings sind wesentlich offener als die Realos hier. Sie würden sich nicht für das Projekt Ausgrenzung der Linken instrumentalisieren lassen - zumal unser Selbstbewusstsein wächst.

Interview: Ferdos Forudastan

aus: taz Nr. 3128 vom 11.06.1990