Im Interesse der Menschenrechte

Die IFM gehört zu den ältesten noch bestehenden Basisbewegungen aus der DDR

Die Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) ist eine der ältesten noch bestehenden Basisbewegungen in der ehemaligen DDR. Im Herbst 1985 in Berlin gegründet, ist sie heute eine relativ kleine Gruppierung, die aber dennoch wesentliche Beiträge zur demokratischen Erneuerung geleistet hat.

Entstanden ist die IFM aus einer Initiative für ein erstes unabhängiges Menschenrechtsseminar der Friedensbewegung in der DDR, das in kirchlichen Räumen stattfinden sollte. Das Verbot durch die kirchlichen Amtsträger führte zur Bildung der ersten kirchenunabhängigen Oppositionsgruppe der DDR. Diese war der Ausgangspunkt für eine Reihe von - zum Teil medienwirksamen - Aktivitäten in der Zeit bis zum Oktober 1989 und gleichzeitig einer der Kerne der jetzigen neuen Parteien und Vereinigungen.

Das Bestreben der Mitglieder war, in der Gesellschaft unabhängige Informationen zu verbreiten, Kommunikation und eine zweite Ebene der Kultur zu fördern.

Die Mitglieder der IFM waren durch ihr offenes Bekenntnis einer ständigen Bespitzlung durch die Staatssicherheit, einem jahrelangen totalen Reiseverbot, Berufsverboten und schließlich auch Verhaftungen ausgesetzt.

Ihre traditionellen Themen - Demokratisierung, Entmilitarisierung, Rechtsstaatlichkeit - gründen sich auf die These von der Untrennbarkeit von Frieden und Menschenrechten wie auch der wechselseitigen Bedingtheit von politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten. Deshalb ist die IFM der Meinung, dass diese Arbeitsschwerpunkte auch durch die Veränderungen in der DDR seit dem Herbst 1989 und durch die staatliche Vereinigung Deutschlands nichts an Aktualität verloren haben.

Während es bis zum Herbst 1989 vor allem um die Durchsetzung der politischen, demokratischen Rechte ging, verlagert sich seitdem das Engagement der Mitglieder der IFM auf den Einsatz für sozial Benachteiligte wie Frauen, Kinder, alte Menschen, Behinderte und Ausländer. Die überstürzte Einführung der Marktwirtschaft, die eben nicht sozial ist, sondern eine Unterwerfung unter die westdeutsche Wirtschaft bedeutet, führt zu ersten sozialen Problemen und zu Aggressionen gegenüber vermeintlichen Konkurrenten auf dem plötzlich gefährdeten Arbeitsmarkt. Dieser Tendenz politisch wie praktisch entgegenzuwirken sieht die IFM als eine ihrer gegenwärtig wichtigsten Aufgaben an.

Zur Demokratie und Rechtstaatlichkeit gehört für die IFM nicht nur die Zerschlagung des Unterdrückungsapparates der Staatssicherheit und die Bestrafung der Täter, sondern auch die Rehabilitierung der Opfer und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des SED-Staates und mit autoritären Strukturen in der Gesellschaft insgesamt.

Die Einführung der parlamentarischen Demokratie und des Parteienpluralismus genügt für das Demokratieverständnis der IFM nicht. Nach wie vor besteht für die IFM das Ziel der aktiven Selbstbestimmung der mündigen Bürger, weshalb sie sich für eine neue Verfassung in Deutschland einsetzt.

Reinhard Weißhuhn

aus: PODIUM - die Seite der und für die BürgerInnen-Bewegung, Initiativen und Minderheiten, in Berliner Zeitung, Nr. 243, 46. Jahrgang, Mi. 17.10.1990

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