Interview mit Kollegen P(...), Neues Forum

Für Erneuerung auf demokratische Art

Welche Ziele fühlt sich Neues Forum verpflichtet?

Wir betrachten uns unter der Warte, dass die anderen Gruppierungen bei uns, wie Demokratischer Aufbruch, SDP und Bürgerforum zusammenarbeiten unter einem Dachverband, das ist das Neue Forum.

Es werden aber die Interessen anderer Gruppen ebenfalls berücksichtigt. Derzeit besteht unser Statut und an dem Diskussionspapier über Aufgaben und Ziele des Neuen Forums wird noch gearbeitet.

Wer kann Mitglied des Neuen Forums werden?

Es können alle werden, die sich zur Basisdemokratie bekennen. Sie müssen sich abwenden von Rechtsradikalen und Linksradikalen. Wir bewegen uns etwa in der Ebene wie drüben die SPD. Es ist auch so, dass derjenige, der Mitglied werden will, keinen Ausreiseantrag laufen haben darf. Gleichzeitig müsste sich das Mitglied auf der Basis des Statuts und der Aufgabenstellung bewegen.

Heißt das: "Wir sind das Volk der DDR - wir bleiben hier!"?

Ja, dazu haben wir uns bekannt. Wir sind für Erneuerung in unserem Land auf demokratische Art.

Wie steht Neues Forum zur Entwicklung in unseren Betrieben?

Wir bekennen uns zu einer klaren Selbständigkeit der Betriebe: Den Betriebsdirektoren muss mehr Verantwortung übertragen werden. Er muss auch in Eigenregie über bestimmte Investitionen verfügen können, ohne von außen behindert zu werden. Er muss offener in seinem Handeln werden. Es darf auch keinen politischen Einfluss auf die Lenkung der betrieblichen Leitung geben.

Muss nicht dabei auch alles, was getan wird, unter dem sozialen Aspekt des Lebens in der DDR stehen?

Es muss auf alle Fälle im Rahmen des Leistungsprinzips gehandelt werden und das verlangt, Unterschiede zu machen an Zuwendungen an den einzelnen. Das Leistungsprinzip muss konsequenter durchgesetzt werden, um hier auch die Arbeiter mehr zu motivieren. Das betrifft auch die Angestellten und geht hoch bis zur Betriebsleitung, auch um fachkonsequenter durchzugreifen, damit es nicht zu irgendwelchen Fehlentscheidungen kommt.

Sie sehen also, dass dabei auch die sozialen Errungenschaften der DDR erhalten werden müssen?

Die sozialen Errungenschaften sollen soweit erhalten werden, wie sie noch eine Förderung unserer Sozialpolitik oder Ökonomie zulassen.

Also im Rahmen des Möglichen?

Wir können es uns nicht leisten, viele Zuwendungen zu geben, wenn wir sie ökonomisch gar nicht tragen können.

Was halten sie von einer höheren Kultur im Dialog?

Es kommt darauf an, in welchem Kreis man welche Themen bespricht. Es gibt sicherlich einige, die eine Information loswerden wollen und dabei nicht so fundamentiert erscheinen. Es muss auf alle Fälle der Grundsatz bestehen, man muss beide Seiten hören und dann ein Urteil bilden. Man kann nicht schon vorverurteilen. Vielleicht gibt es auch solche Dinge, dass ein Fachexperte eine Sache anders sieht als der unmittelbare Arbeiter, wenn es z. B. um wissenschaftlich-technische Abänderungen geht.

Im Prinzip sind wir für einen kulturvollen und niveauvollen Dialog, um zu einer Erkenntnis zu kommen.

Natürlich kann es passieren, dass jemand im Zwiegespräch Federn lassen muss, aber am Ende muss es zur Klarheit führen.

Verleumdung und andere Dinge, davon muss man sich distanzieren.

Müssen wir nicht jetzt von der Phase der Diskussion zur Übernahme bestimmter Aufgaben und Verantwortung kommen?

Es ist so, dass wir uns nicht vereinnahmen lassen, dass heißt, irgendwo mitarbeiten und andere schreiben sich das auf ihre Fahnen. Wir stellen uns entsprechender Verantwortung, deshalb haben wir bestimmte Arbeitsgruppen gebildet, zu Umweltschutz, Pädagogik u. a. Diese Gruppen, die außerhalb der Arbeit geistig schöpferische Arbeit leisten wollen, werden bestimmte Konzeptionen und Realisierungsobjekte erarbeiten.

Es geht dann auch um praktische Arbeiten. Kollege R(...) will eine Arbeitsgruppe zur Gestaltung eines Märchenspielgartens in Torgau Nordwest bilden: Wenn so etwas entsteht, ist das nur zu begrüßen.

aus: Klare Sicht Nr. 23, 21.12.1989, 27. Jahrgang, Zeitung der Werktätigen des VEB Flachglaskombinat Torgau - Stammbetrieb, Herausgeber: BPO der SED des VEB Flachglaskombinat Torgau

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