Unabhängiger Klinikrat gegründet

Auf Initiative von Mitarbeitern der Chirurgischen Klinik des Bezirkskrankenhauses Rostock wurde bereits am 25.10.89 eine erste Belegschaftsversammlung zu aktuellen Problemen des Hauses durchgeführt. Es war ein Vertrauensverlust der Mitarbeiter zur Betriebs-, Gewerkschafts- und Parteileitung zu beklagen. Zur Interessenvertretung der Belegschaft wurde beschlossen, einen unabhängigen Klinikrat zu bilden, der gewerkschaftliche Funktionen wahrnehmen soll. In allen Bereichen des Krankenhauses wurden Vertreter demokratisch gewählt und in den Klinikrat entsandt. Dieser hat seine Arbeit begonnen und sieht seine Aufgaben in unabhängiger Interessenvertretung der Beschäftigten, Analyse der Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitarbeiter und Erarbeitung von Verbesserungen, Kontrollfunktion der Arbeit der Betriebsleitung in Form einer konstruktiven Mitarbeit in diesem Gremium, betriebsgebundenem Umwelt- und Arbeitsschutz, ausreichender, uneingeschränkter und unverzüglicher Information der Belegschaft.

Weiterhin fordert der Klinikrat eine strikte Trennung zwischen betrieblichen und parteipolitischen Belangen in unserem Hause. Der Klinikrat hat zu einem demokratischen Belegschaftsentscheid über die betrieblich gebundene Parteiorganisation aufgerufen. Bisher hat bereits die Hälfte der Mitarbeiter jegliche innerbetriebliche Parteiaktivität per Unterschrift abgelehnt. In einem Schreiben an die SED-Kreisleitung wurde die Abberufung der hauptamtlichen Parteisekretärin verlangt. Seit dem 1. Dezember ist diese Forderung erfüllt - ein erster Erfolg.

Auf einer weiteren Belegschaftsversammlung ging es hauptsächlich um Probleme des Gesundheitswesens in Rostock. Es gilt, dem Gesundheitswesen in unserem Staat und unserer Stadt die Rolle zu gewährleisten, die ihm im Rahmen der Gesellschaft zukommt; d.h. in materiell-technischer Versorgung darf es nicht länger hinter den sog. "produzierenden Zweigen" der Volkswirtschaft zurückstehen!

Es wurde weiterhin die in vielen (nicht in allen!) Fällen mangelhafte Bereitschaft zur Kooperation seitens einiger Kliniken des Bereiches Medizin der Universität beklagt. Diese müsste bei einem vielfach größeren Personal- und Bettenbestand einen erweiterten Anteil an der Bevölkerungsversorgung allgemein und speziell in der aktuellen Situation übernehmen.

Der erhebliche Mangel an Pflegeheimplätzen in Rostock wurde aufgezeigt. Auf den Stationen der Inneren und Chirurgischen Klinik des BKH liegen jeweils bis zu 8 Pflegepatienten, das entspricht ca. einem Fünftel des Bettenbestandes. Durch diese Tatsache wird die bestehende Situation erheblich verschärft. Die Einrichtung weiterer Pflegeheime in der Stadt ist unumgänglich, vielleicht könnten einige der "Gästehäuser" aushelfen.

Dr. A. H(...), Klinikratsmitglied

aus: Norddeutsche Neuste Nachrichten, Nr. 295, 15.12.1989, 37. Jahrgang, Bezirkszeitung der National-Demokratischen Partei Deutschlands, Herausgeber: Präsidium des Hauptausschusses der National-Demokratischen Partei Deutschlands