Sozialdemokratische Partei in der DDR

Die SED-Führung versucht eine "Wende" glaubhaft zu machen. Trotzdem gehen täglich DDR-weit Zehntausende auf die Straße. Gegenwärtig versucht die SED-Führung auch für sich das Eintreten für Reformen und Demokratisierung zu reklamieren, obwohl sie 40 Jahre lang jegliche Reformen verhindert hat. Erstaunt sehen die Demonstranten wie sich Falken scheinbar in Reformtauben verwandeln wollen. Diejenigen, die jetzt für "friedlichen Dialog" unter Wahrung ihres Herrschaftsanspruchs eintreten, zeichnen politisch für Wahlbetrug, Gewaltexzesse gegen Demonstranten und Grenzschließungen verantwortlich. Durch die bis jetzt nur verbal stattfindenden "Reformen" versucht die Führung die fehlende Legitimität ihrer Herrschaft zu verschleiern. Anlässlich der "Wahl" von Egon Krenz zum Staatsratsvorsitzenden durch die Volkskammer wird dies besonders deutlich.

Wir können diejenigen, die Demonstrationen gerade jetzt für ein politisch legitimes Mittel halten, um Schritte wirklicher Demokratisierung durchzusetzen, nur unterstützen. Von wirklichen Reformen kann nur gesprochen werden, wenn durch sie das Machtmonopol der SED aufgehoben wird. Deshalb fordern wir zu dieser Stunde:

- Zulassung aller unabhängigen, oppositionellen Gruppen,

- Zulassung und Nichtbehinderung der sich jetzt konstituierenden unabhängigen Gewerkschaften,

- Erarbeitung eines neuen demokratischen Wahlverfahrens in enger Zusammenarbeit mit allen engagierten Bürgern unseres Landes,

- Erarbeitung einer demokratischen Verfassung,

- Zulassung neuer unabhängiger Zeitungen und Aufhebung der Zensur in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens,

- Beenden der Reisebeschränkungen zum jetzigen Zeitpunkt,

- Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit für alle sozialen Schichten und Ebenen.

Jedes Staatswesen muss sich an der praktischen Garantie der allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte messen lassen.

Wir unterstützen jene Forderungen, die Punkte wie

1. Freilassung aller zu unrecht Inhaftierten

2. Untersuchung der Vorgänge vom 7./8. Oktober und Bestrafung der Schuldigen

3. Anerkennung des Mandats der Vertreter der Gruppen sowie die öffentliche Benennung dieses Mandats

zu Voraussetzungen für einen offenen und gleichberechtigten Dialog machen.

Wir wollen die DDR nicht destabilisieren. Deshalb dürfen wir um keinen Preis den Herrschaftsanspruch jener stützen wollen, die die innenpolitische Krise der DDR verschuldet haben.

Berlin, 22. Oktober 1989

Stephan HilsbergAngelika BarbeMartin Gutzeit
1. Sprecher2. SprecherMitglied des Vorstands