SDP organisiert sich als basisdemokratische Partei

DMW-Report sprach exklusiv mit Roland Beltz und Ronald Weidt, Mitglieder der SDP

DMW-Report: Warum nennt sich eure Partei SDP in der DDR?

Roland Beltz: Wir wollen als unabhängige Partei auf dem Territorium der DDR gelten. Gleichzeitig bringen wir damit zum Ausdruck, dass wir nicht zu nahe an der SPD in der BRD stehen. Wobei man sagen muss, dass wir den Idealen der Sozialdemokratie verbunden sind.

DMW-Report: Du meintest eben, dass ihr eine unabhängige Partei sein wollt. Heißt das aber nicht auch, dass ihr euch auf der Grundlage des Godesberger Programms formiert habt?

Roland Beltz: Ich glaube, dass die Formierung der SDP in der DDR nicht allein darauf zurückzuführen ist, sondern vielmehr aus den aktuell-politischen Entwicklungen in unserem Land. Ist aber auch zu sehen aus dem Gesichtswinkel von einer erstoppositionellen Bewegung bis hin zur Formierung einer Partei mit realen Zielen.

DMW-Report: Ich möchte gleich einmal den von dir verwendeten Begriff Opposition aufgreifen, der, wie bekannt, von vielen in unserem Land, insbesondere von der alten Staatsmacht, mit ängstlichem Getue behandelt wurde. Aus eurer Sicht - war es berechtigte Angst oder mehr zur Sicherung der alten stalinistischen Machtstrukturen?

Ronald Weidt: Es war zur damaligen Zeit ganz sicher eine berechtigte Angst für jene, die es betraf. Wir als Mitglieder der SDP mussten immer damit rechnen, dass man uns in Gewahrsam nimmt, weil alles mehr oder weniger illegal war. Es hat sich aber mittlerweile so geändert, dass wir öffentlich auftreten können.

Roland Beltz: Am 28. August diesen Jahres, das möchte ich noch einmal herausstellen, hat sich die Initiativgruppe zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei gebildet und ist dann auch mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit getreten. Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns weder angemeldet noch um Zulassung ersucht. Die Anmeldung ist erst am 7. Oktober erfolgt.

DMW-Report: Am 4. Dezember hattet ihr zu einer Veranstaltung im Düngemittelwerk eingeladen. Wie war die Reaktion darauf?

Ronald Weidt: Es waren etwa 12 Beschäftigte des Betriebes gekommen. Leider hat es nicht die Resonanz hervorgerufen, die wir uns erhofft haben. Die Anwesenden zeigten ein relativ großes Interesse. Dabei gab es Fragen zum Programm und insbesondere zur deutschen Frage, da letztere im Programmentwurf doch etwas überholt scheint. Drei Teilnehmer haben ihre Bereitschaft zur Mitarbeit erklärt.

Roland Beltz: Zu fehlender Resonanz möchte ich vielleicht noch ergänzen: Zum ersten ist der Zeitpunkt sehr ungünstig, denn das politische Denken der DDR-Bevölkerung ist noch nicht so ausgeprägt, auch einmal mit Verzicht auf Feierabend, Verzicht auf Freizeit für politische Arbeit einzutreten und zum anderen steht das Werk ja fast auf freiem Feld und damit sind die Leute auf die Abfahrtzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen.

DMW-Report: Nun konzentriert sich ja eure Arbeit auf Basisgruppen. Was verbirgt sich dahinter?

Ronald Weidt: Es gibt in jedem Stadtteil Kontaktadressen. Über diese kann man praktisch zu seiner Basisgruppe finden. Die SDP stellt sich das so vor, dass wir in den Wohngebieten Basisgruppen mit einer Mitgliederzahl von etwa fünfzehn Personen haben, die ihre politische Arbeit dort ausüben.

Roland Beltz: Die Basisgruppen sollen nun nicht nur Mitglieder sammeln. Vielmehr arbeiten sie an Schwerpunktthemen und erwähnen möchte ich auch, dass sich die SDP als basisdemokratische Partei versteht. Gegenwärtig arbeiten wir am vorläufigen Statutentwurf. Wir möchten jedem die Gelegenheit geben, aktiv in der Partei: mitzuwirken und nicht, wie es in der Vergangenheit zum Beispiel bei der SED war, mit Dogmen zu arbeiten.

Ronald Weidt: Es soll sich in unserer Partei tatsächlich jeder entfalten können.

DMW-Report: Wie ich der Presse entnehmen konnte, ist der erste Parteitag der SDP vorgesehen. Für wann wurde er anberaumt?

Roland Beltz: Wir sind bisher immer davon ausgegangen, dass die freien Wahlen frühestens Ende nächsten Jahres stattfinden werden. Aber aufgrund der rasanten Entwicklung in unserem Land wurde nunmehr der 6. Mai 1990 als voraussichtlicher Termin dafür vorgesehen. Daraus ergibt sich, dass wir Anfang nächsten Jahres - ein genauer Termin liegt derzeit noch nicht fest - unseren Parteitag durchführen werden.

DMW-Report: Für euch als neue Partei in der DDR ist es doch sicherlich schwierig ein breites Echo in der Bevölkerung zu finden - oder irre ich mich dabei?

Ronald Weidt: Das Interesse an der SDP ist sehr groß. Das zeigen die Besucher, die zu den Informationsveranstaltungen in der Stadt Rostock kommen. Jedoch existiert das Problem, dass viele von der Sache, die hier in unserem Land passiert, Abstand gewinnen wollen. Viele können die Geschehnisse noch gar nicht richtig verarbeiten.

Roland Beltz: Vielleicht darf ich mal ergänzen. Der Saal war überfüllt. Als es aber dann zur parteiinternen Sitzung kam, zu der auch diejenigen eingeladen wurden, die sich bereiterklären würden, Mitglied zu werden, zeigt sich, dass relativ wenige dazu bereit waren. Die Gründe dafür sind unter anderem eine so genannte Parteiverdrossenheit der Bürger. Der Begriff "Partei" ist diskreditiert - damit müssen wir leben. Aber es ist auch noch die Angst unter der Bevölkerung vorhanden, dass die sogenannte Wende eben doch noch umkehrbar ist. Und somit ist mancher doch noch nicht bereit, sich weiter aus dem "Fenster" zu wagen.

DMW-Report: Wer kann nun Mitglied der SDP werden?

Roland Beltz: Überall in Rostock werden Kontaktadressen bekannt gegeben. An diese müsste sich der Interessent wenden. Man sollte sich aber erst einmal mit den Zielen der SDP vertraut machen. Mitglied kann jeder Bürger der DDR werden, der das 18. Lebensjahr überschritten hat, unabhängig seiner Staatsangehörigkeit, Religion und Weltanschauung.

(Mit Ronald Weidt und Roland Beltz sprach am 7. Dezember Dieter Kamke)

aus: DMW Report, Betriebszeitung des VEB Düngemittelwerk Rostock, 26, 20. Dezember 1989, VIII Jahrgang, Herausgeber: VEB Düngemittelwerk Rostock

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