Dokumentation

Schäferhunde nach Südafrika?
Information der Potsdamer Antifa

Am 30.11.89 fand in der Akademie für Staat und Recht (Institution, welche direkt für das Außenministerium der DDR arbeitet, Diplomaten ausbildet und somit direkten Einfluss auf die Außenpolitik der DDR ausübt) ein erstes öffentliches Gespräch über die Außenpolitik unseres Landes statt.

Ein Fachmann der Abteilung Wirtschaftsfragen sprach davon, dass man in Zukunft diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zum Apartheidstaat Südafrika, zum faschistischen Regime in Chile, zu reaktionären Staaten wie Südkorea und Taiwan aufnehmen will. Schon allein deshalb, um Vorteile der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit diesen Ländern für uns zu nutzen.

Wollen wir unsere desolate Wirtschaftslage auf Kosten der ausgebeuteten und unterdrückten Menschen in diesen Ländern aufbessern? Ist es dann nicht durchaus denkbar, dass die Mäuler konsumgeiler DDR-Bürger mit Billigfrüchten aus Südafrika gestopft werden, an dem das Blut und der Schweiß der schwarzen Südafrikaner klebt? Im Gegenzug könnte die DDR ja deutsche Schäferhunde an die südafrikanische Rassistenpolizei liefern, die dazu eingesetzt werden, die schwarze Bevölkerung zu unterdrücken, damit auch die Südfrüchte schön billig bleiben.

In Verbindung damit stellt sich für uns die Frage, wo in den letzten Wochen die Forderung der Freilassung Nelson Mandelas und anderer politischer Gefangener dieser Länder in unseren Medien geblieben ist.

Hat der Ausverkauf unserer moralischen Werte schon begonnen?

FÜR ANTIIMPERIALISTISCHE SOLIDARITÄT MIT ALLEN VÖLLERN DIESER ERDE

die potsdamer antifa-gruppe

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns zum Abdruck dieses Flugblatts entschlossen, weil wir die inhaltlichen Ansätze unterstützen und auch ein Manko in der Auseinandersetzung mit internationalen Zusammenhängen und Solidarität bei den Linken vermissen, mal abgesehen von den Aktivitäten im Hinblick auf den Volksaufstand in Rumänien.

Aber wir fragen uns, welche Menschen soll das Flugblatt der Potsdamer antifa-gruppe erreichen? Doch nicht die Mehrheit der Bevölkerung! Denn diese werden mit "...die Mäuler konsumgeiler DDR-Bürger..." bezeichnet. Es ist wohl schon wieder so weit wie vor einigen Monaten: Wir - die Avantgarde und das Volk - die konsumgeilen Dummen.

aus: telegraph, Nr. 1, 08.01.1990, Herausgeber: Umwelt-Bibliothek Berlin