Mahnwachenerklärung vom Samstag, den 6. Oktober

Bereits in der Nacht zum Freitag entdeckten Mitglieder der Mahnwache in der Ruschestraße, dass am Haus des Archivs der Staatssicherheit ein Schild "Bundesarchiv/Zwischenarchiv" angebracht war. In der Nacht zum Samstag wurde entdeckt, dass sämtliche Fenster des Bürogebäudes erleuchtet waren. Der herbeigerufene Bevollmächtigte des Magistrats von Berlin zur Auflösung der Staatssicherheit, Werner Fischer, erhielt telefonisch die Auskunft, es handle sich um Beamte des BKA. Er solle sich an das Polizeipräsidium oder das Bundesarchive Koblenz wenden. Weitere Auskünfte wurden verweigert. Im Laufe des Tages stellte sich heraus, dass das Schild des Bundesarchivs unberechtigt am Haus 8 angebracht wurde.

Am Samstagmorgen wurden Vertretern der Mahnwache und Frau Szkibik aus der Behörde des Sonderbeauftragten Gauck verschiedenste Auskünfte erteilt. Nach der einen Version waren die Insassen des Gebäudes dem Bundesarchiv Koblenz unterstellt, nach der anderen dem Sonderbevollmächtigten Gauck. Wie Frau Szkibik dem gegenüber mitteilte, war Herr Gauck bis zum Morgen des Samstags nicht über die Aktion informiert. Er zeigte sich vielmehr entsetzt und beauftragte Frau Szkibik mit der Aufklärung.

Beamte der Berliner Polizei wurden gegen 11 Uhr in das Stasiarchiv eingelassen. Sie überprüften nur 6 Personen, 4 Personen wiesen sich mit einem eigentlich nicht mehr gültigen VP-Ausweis aus und behaupteten der BKA-Zentrale Wiesbaden unterstellt zu sein, 2 bezeichneten sich als Techniker. Die Berliner Polizisten überprüften nicht, ob Siegel gebrochen wurden. Einen Dienstauftrag konnten die Insassen nicht vorweisen.

Durch für die Öffentlichkeit und selbst die Polizei unüberprüfbare Telefongespräche wurden die Insassen nachträglich vom BKA-Wiesbaden legitimiert. Die Berliner Außenstelle des Bundesministeriums des Inneren konnte aber auf Nachfragen von Frau Szkibek (im Auftrag des Sonderbevollmächtigten Gauck) keinerlei Auskunft geben. Nach eigenen Angaben bewachen die ehemaligen Volkspolizisten das Archiv bis zur Übergabe.

Inzwischen gaben die ehemaligen Volkspolizisten gegenüber Frau Szkibik eine neue und hoffentlich endgültige Version ab. Demnach bewachen sie und einige technische Hilfskräfte seit vorigem Freitag, also schon seit DDR-Zeiten das Archiv und wurden mittlerweile zu Mitgliedern des BKA ernannt. Das Schild "Bundesarchiv/Zwischenarchiv" wurde eigenmächtig auf Anweisung eines Angehörigen der staatlichen Archivverwaltung angebracht, - ohne Absprache mit dem Bundesarchiv.

Das Schild wurde jetzt auf Anweisung des Sonderbevollmächtigten Gauck, bzw. Frau Szkibik entfernt. Auf Anweisung von Herrn Gauck haben bis Montag keine weiteren Personen Zugang zum Archiv, auch keine Vertreter der staatlichen Archivverwaltung. Die Landespolizei Berlin wurde zum Objektschutz abgestellt. Am Montag sollen die Übergabeformalitäten des Archivs an die Gauck-Behörde stattfinden.

Die Mahnwache bleibt weiterhin misstrauisch, ob hier neue Zugriffsmöglichkeiten für Geheimdienste geschaffen wurden. Zumindestens aber ist klar, dass im gegenwärtigen Kompetenzenwirrwarr schwarze Löcher und Eingriffsmöglichkeiten für alle möglichen Kräfte gegeben sind. Infolge des Einschreitens der Mahnwache scheint zumindestens durch die Berliner Polizei gesichert, dass keine weiteren Abtransporte von Akten geschehen. Ob derzeit, wie erst am vorletzten Montag, im Archiv Akten vernichtet werden, bleibt unklar. Was im Archiv geschieht, ist weiter der Öffentlichkeit verborgen.

Wir bestehen gegenüber den illegalen Rosstäuschermethoden der ostdeutschen und westdeutschen Politiker auf einen öffentlich kontrollierten Zugang der Opfer zu ihren Akten und auf eine Verhinderung des Zugangs für Geheimdienste und geheimdienstähnliche Behörden aller Couleur. Die Akten gehören nicht den Herrschenden, weder den alten noch den neuen, sondern den Bürgern und besonders den Opfern der Staatssicherheit.

Die Akten gehören uns!
Wir lassen nicht locker!

Eure Mahnwache

Δ nach oben