Wolfgang Holz, Initiativgruppe 4. November:

Den Palast in Besitz nehmen

Berliner Theaterleute, genauer die Initiativgruppe 4. November, hat für Sonntag aufgerufen, den Palast der Republik in Besitz zu nehmen.

Warum?

Wir wollen ein Zeichen setzen. Wir wollen dringlichst anmahnen, die Kultur dieses Landes, seine Theater- und Filmkunst, ihre Musik und Malerei nicht im Interesse einer übereilten, unüberlegten Vereinigung zu verhökern. Wir meinen, wir sind ernstzunehmende Partner, haben als DDR-Künstler einiges in ein demokratisches Deutschland einzubringen.

Ist für solch ein "Zeichen setzen" der Palast der richtige Ort?

Vielleicht gerade. Der Palast mit seinem Renommiergehabe ist auch so ein Ausdruck fehlgeleiteter Politik. Darum unser Antrag an den Runden Tisch am vergangenen Montag, jeder Nutzung des Palastes für kommerzielle oder repräsentative Zwecke entgegenzuwirken. Dieses Anliegen soll durch unsere Aktion am Sonntag unterstützt werden. Wir wollen vorführen, was man alles im Palast machen kann: Straßentheater und Konzert, Kino, Disko, Tanz und Talkshow.

Also Bambule im Palast?

So etwa, und zwar von 12 Uhr bis in die späte Nacht. Um 11 Uhr treffen wir uns im Lustgarten. Ich wünsche nur, dass der Atem des 4. November noch etwas weht: dass dieser Tag ebenso friedlich, freundlich und ohne Gewalt verläuft wie der damalige.

Wird die Initiativgruppe auch nach den Wahlen weitermachen?

Ich glaube schon. Anlässe wird es genug geben.

Das Gespräch führte URSULA MEVES

aus: Neues Deutschland, 45. Jahrgang, Ausgabe 53, 03.03.1990, Sozialistische Tageszeitung. Die Redaktion wurde 1956 und 1986 mit dem Karl-Marx-Orden und 1971 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.