Parteien und Organisationen stellen sich vor

Was unterscheidet die USPD von der SPD und der SED/PDS?

Viele, die diese Zeilen lesen, werden sich an den Namen USPD erinnern.

Am 6. April 1916 entstand bereits einmal eine solche Partei. Sie entstand als eine Alternativpartei für eine selbständige Politik im Interesse der arbeitenden Bevölkerung.

Bemüht man die Historie, dann erkennt man Fehler und Unzulänglichkeiten in der Politik der Partei, erinnert sich aber auch an das mutige Eintreten gegen die Kriegskreditvorlage, die entscheidende Mitwirkung in der Essener Neunerkommission für die Sozialisierung des Bergbaus, den provisorischen Revolutionsausschuss von 1919, die Massendemonstration der USPD für Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte oder die aktive Rolle der Partei im Generalstreik gegen den Kapp-Putsch.

Männer wie Eisner, der Vorsitzende des Arbeiter- und Soldatenrates in München, Eichhorn, der Berliner Polizeipräsident, der die Waffen nicht auf Arbeiter richten ließ, Ernst Toller in der Münchener Räterepublik, aber auch Stoecker, Wilhelm und Bernhard Koenen, W. Florin, W. Böttcher und Franz Dahlem prägten mit das Gesicht dieser Partei.

An diese Aktionen, an diese Männer will die neuentstandene USPD anknüpfen.

Sie knüpft in einer Zeit an diese sozialdemokratischen Traditionen an, wo sich unser Land in einer tiefen Krise befindet, die alle Bereiche des Lebens erfasst hat und alle bisherigen Parteien ihrer Verantwortung gegenüber dem Volk nicht gerecht geworden sind. Die USPD ist für umfassendste Rechenschaft über das Vergangene, für die uneingeschränkte Demokratisierung aller Sphären des gesellschaftlichen Lebens. Wir sind gegen Anarchismus, der versucht, Moral und Wahrheit als nebensächliches Denken abzutun. Der Revolution Verstand und Herz zu geben, bedeutet gleichzeitig, mit der Revolution jede Form des Extremismus zu bewachen und alle stalinistischen Führungs- und Leitungsmethoden mit der Wurzel zu beseitigen.

Die USPD kämpft als unabhängige Partei für die nationalen Interessen der Bürger der DDR.

Was unterscheidet uns von SPD und SED?

Wir sind für einen demokratischen Sozialismus!

Wir sind für den Demokratischen Sozialismus, der eine freie, gerechte und demokratische Gesellschaft erstrebt, wir sind für den Sozialismus, den eine Partei nicht errichten kann.

Worin zeigt sich dieser Sozialismus im Programm der USPD?

Mit einem breiten Willensbildungsprozess, der auf der Vielfalt von Auffassungen beruht. und öffentlich ist, sind alle Bürger in allen Phasen der gesellschaftlichen Leitung, vor allem in den gesamten Entscheidungsprozess einzubeziehen.

Die Demokratisierung erfordert neue demokratische Strukturen im politischen System, die sofortige Entflechtung von Partei und Staat, die klare Abgrenzung der Verantwortung von Exekutive, Legislative und Jurisdiktion. Eine neue Verfassung ist anabdingbar.

Unbedingte Rechtsstaatlichkeit in allen Beziehungen ist zu gewährleisten. Die individuellen und sozialen Rechte sind durch effektive juristische Garantien in ihrer Einheit und wechselseitigen Bedingtheit umfassend zu garantieren. Das schließt die Freiheit der Meinungsäußerung, das generelle Demonstrationsrecht und die Gewissensfreiheit in sich ein. Eine konsequente demokratische Rechts- und Justizreform ist schnellstens durchzuführen. Der Rechtsschutz der Persönlichkeit ist uneingeschränkt zu garantieren. Dazu gehören die juristische Kontrolle über Verhaftungen, die Durchsetzung demokratischer Grundsätze des Gerichtsverfahrens, eingeschlossen die unbedingte Unabhängigkeit ernannter Richter.

Alle an der Deformierung des Sozialismus in der DDR Schuldigen sind rechtlich oder moralisch zur Verantwortung zu ziehen.

Das Parteiprogramm betont die Dezentralisierung in der Wirtschaft, die Notwendigkeit gemischter Eigentumsformen, die Neuorganisation des Kredit- und Steuerwesens, eine neue Medien- und Gesundheitspolitik. Fragen der Umwelt-, Bildungs-, Wohnungs- und Einkommenspolitik werden neu gestellt und beantwortet. In der DDR muss es eine Wiedergutmachung für den durch den Stalinismus geschädigten Bürger geben.

Die Prioritäten der Sozialpolitik sind neu zu bestimmen. Werte wie Solidarität, Toleranz, Gerechtigkeit, die Gleichheit zwischen den Geschlechtern und Generationen, die soziale Unterstützung besonderer Personengruppen und die soziale Integration sind entscheidende Prinzipien unserer Politik.

Das Programm der USPD versucht Aufgaben und Probleme zu stellen und erste Antworten zu geben.

Unterstützen Sie diesen Prozess der Erneuerung und die sich mit ganzer Kraft darum bemühende USPD.

Wir wollen eine Partei des freien Geistes sein, der das Wohl aller oberstes Gebot ist.

Die USPD ist eine internationalistische Partei, und es ist ihr erklärtes Ziel, der Sozialistischen Internationale beizutreten.

Wir brauchen Ihre Mitarbeit!

Neuglobsower Kreis zur Gründung der USPD

aus: Sächsische Zeitung, Nr. 20, 24.01.1990, 45. Jahrgang, Tageszeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur, Herausgeber: Verlag Sächsische Zeitung

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