Zentraler Runde Tisch

Die Idee der Runden Tische und des Dialogs war von Anfang an virulent im Herbst des Umbruchs. Christa Wolf schlug am 09.10.1989 solch ein Möbelstück vor. Die Initiative Frieden und Menschenrechte hatte schon im Frühjahr 1989 nach polnischem Vorbild einen Runden Tisch vorgeschlagen. Den dortigen Runden Tisch gab es ab dem 06.02.1989. In Ungarn ab dem 13.06.1989.

Hans-Jochen Vogel von der SPD sagte im Deutschen Bundestag am 09.11.1989, nach Bekanntgabe der Grenzöffnung: "Die Einrichtung eines runden Tisches, wie er in Polen und in Ungarn den Übergang zu mehr Freiheit und Demokratie ermöglichen wird, ist jetzt auch dort die Hoffnung der Menschen.

Nach der Kommunalwahl am 07.05.1989 schrieben Mitglieder des Friedenskreises der Bartholomäus-Gemeinde Berlin, des Gemeinderates der Bartholomäus-Gemeinde in Berlin und des Initiativkreises "Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung", einen Brief an die Kirchenoberen. In ihm wird u.a. ein aufrichtiger und verantwortungsvoller Dialog gefordert. "Auch wir brauchen einen Runden Tisch", dieser Satz wurde aus dem Brief gestrichen. Auf Rücksicht auf die SED, wie Gerhard Weigt später schrieb. (1)

Nachdem am 27. Oktober 1989 Wolfgang Ullmann von Demokratie Jetzt auf einer Veranstaltung in der Gethsemanekirche in Berlin auf die Bildung eines Runden Tisches zur Arbeit an einer neuen Verfassung gedrängt hatte, konkretisierte sich angesichts der Krise und der zunehmenden Paralysierung der staatlichen Behörden die Idee von "Runden Tischen" immer mehr. Im November gab es mehrere Treffen der Opposition, um sich gegenseitig abzustimmen. In einer gemeinsamen Erklärung der Kontaktgruppe wird am 10.11. ein Runder Tisch gefordert. An ihre unverzügliche Umsetzung haperte es aber. Als Verstärkung wurden die Kirchen mit ins Boot geholt. Die SED wollte da nicht untätig zusehen und so schlug sie ihrerseits am 23.11.1989 einen Runden Tisch vor. Auch die übrigen Blockparteien wollten nicht abseits stehen. Was unter Oppositionellen Verärgerung auslöste. Sie wollten sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.

Die Kontaktgruppe schrieb einen Tag später an den Bund der evangelischen Kirchen mit der Bitte zu einem Runden Tisch einzuladen und die technische Durchführung zu gewährleisten.

Am 26.11.1989 einigen sich die oppositionellen Gruppen und die Regierung Modrow auf den 07.12.1989 als ersten Termin für das Treffen des Zentralen Runden Tisches. Die offizielle Einladung erfolgte dann am 30.11. durch die evangelische Kirche. Später behaupteten fast alle den Runden Tisch erfunden zu haben. Für den CDU-Koordinator am Runden Tisch, Hort Gust, war auch der stellvertretende Ministerpräsident in der Regierung Modrow, Lothar de Maizière (CDU), einer der Initiatoren. (2)

Klaus Wolfram sagte später: "Der Runde Tisch war keine Forderung des Neuen Forum". Den Runden Tisch hätten sich kirchlich orientierte Kreise ausgedacht, vermutlich auch schon im Bündnis mit der SED, sagte er. Es sei der Versuch gewesen, die Opposition einzubinden. Und so sei es auch passiert. Der Runde Tisch war eine Einvernahme der Opposition auf die Seite der bisher herrschenden und deren Art die DDR abzuwickeln. (3)

Ein Delegierte aus Rostock fragte auf der SPD-Delegiertenkonferenz in Berlin am 13.01.1990: "Wie wäre es denn, wenn wir fordern würden, wir wollen auch in die Volkskammer, halbe-halbe wollen wir machen. Mögen uns doch die etablierten Parteien die Hälfte der Sitz abgeben. Da brauchen wir mitunter keinen runden Tisch mehr."

Manch ein Oppositioneller freute sich schon darauf Egon Krenz und anderen aus der SED-Führungsriege direkt gegenüber treten zu können. Doch die wechselten vorher ihr Personal aus. Dem am 13.11.1989 gewählte Vorsitzende des Ministerrates, Hans Modrow, wurde zunächst den Zutritt in das Haus des Ministerrates verwehrt, da er dafür keinen Ausweis hatte.

Bereits am 01.12.1989 legte die Kontaktgruppe eine Tagesordnung für die erste Sitzung fest. Es wurden fünf Forderungen formuliert.

a) der verfassungsmäßige Führungsanspruch der SED in DDR Verfassung Artikel 1Artikel 1 sollte gestrichen werden. Der Streichung zum Opfer sollte auch DDR Verfassung Artikel 3Artikel 3 fallen

b) Offenlegung der finanziellen und wirtschaftlichen Lage der DDR

c) Rechtliche Regelung der Beziehungen beider deutscher Staaten

d) Gesetzliche Neuregelung von Wahlen

e) Untersuchung der Gewalt gegen Demonstranten am 07. und 08. Oktober

Vor der ersten Sitzung des Zentralen Runden Tisches traf sich die Kontaktgruppe im Kinderzimmer des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses.

Vor der ersten Sitzung des Runden Tisches löst sich der Demokratische Block auf. Ein erster Versuch der LDPD war noch zurückgewiesen worden. Am 28.11.1989 fand die letzte Sitzung statt. Die CDU erklärte am 04.12. und DBD und LDPD am 05.12. ihren Austritt.

Von der SDP wird Anfang Dezember für ihre Vertreter beim ZRT ein Begleitkommission eingerichtet. Angesiedelt beim SDP-Vorstand. Vorsitzender wurde Markus Meckel. Die SDP-Vertreter waren dieser Kommission rechenschaftspflichtig.

Der Zentrale Runde Tisch tagte 16 Mal vom 07. Dezember 1989 bis 12. März 1990. Die ersten drei Sitzungen fanden im Gemeindesaal der Brüdergemeinde im Dietrich-Bonhoeffer-Haus, ab der vierten Sitzung im Konferenzraum im Schloss Niederschönhausen satt.

Über sein Selbstverständnis formulierte der Zentrale Runde Tisch:

"Die Teilnehmer des Runden Tisches treffen sich aus tiefer Sorge um unser in eine tiefe Krise geratenes Land, seine Eigenständigkeit und seine dauerhafte Entwicklung.

Sie fordern die Offenlegung der ökologischen, wirtschaftlichen und finanziellen Situation in unserem Land.

Obwohl der Runde Tisch keine parlamentarische oder Regierungsfunktion ausüben kann, will er sich mit Vorschlägen zur Überwindung der Krise an die Öffentlichkeit wenden.

Er fordert von der Volkskammer und der Regierung, rechtzeitig vor wichtigen rechts-, wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen informiert und einbezogen zu werden.

Er versteht sich als Bestandteil der öffentlichen Kontrolle in unserem Land. Geplant ist, seine Tätigkeit bis zur Durchführung freier, demokratischer und geheimer Wahlen fortzusetzen."

Laut Wolfgang Ullmann geht die Geschäftsordnung vom 07.12.1990 auf einen Entwurf von Lothar de Maizière (CDU) zurück. (4) Am 27.012.1990 erfolgte eine überarbeitete Fassung.

Gleich auf ihrer ersten Sitzung erklärte die Opposition, dass weder die Kräfte am Runden Tisch noch die Regierung und die Volkskammer eine hinreichende Legitimation durch freie und demokratische Wahlen hat. Sie können deshalb keine grundlegenden Entscheidungen für unser Land treffen. Die Bildung und Tätigkeit der unabhängigen Volkskontrollausschüsse und Bürgerkomitees sowie der unabhängigen Interessenvertretungen der Werktätigen soll unterstützt werden. Nicht desto trotz, wurden weit reichende Beschlüsse wie die Verständigung auf einen ein Wahltermin (6. Mai 1990) gefasst. Sowie Arbeitsgruppen, Wahlgesetz, Parteien- und Vereinigungsgesetz, Neue Verfassung und Wirtschaft eingesetzt. Die basisdemokratische Opposition wollte einen Wahltermin frühsten im Juni 1990. Die Parteien einem möglichst frühen. Erstmals war die SED in der Lage, mit dem Volkswillen nach möglichst raschen Wahlen gegen Teile der Opposition zu argumentieren.

Zur ersten Sitzung wurden Vertreter von CDU, DA, DBD, DJ, GP, IFM, LDPD, NDPD, NF, SDP, SED, und VL eingeladen.

Zur ersten Sitzung nahmen Vertreter von 12 Parteien und Organisationen am Zentralen Runden Tisch Platz.

Von den Neuen politischen Kräften war dies

Demokratischer Aufbruch (DA) 2 Stimmen
Demokratie Jetzt (DJ) 2 Stimmen
Grüne Partei (GP) 2 Stimmen
Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) 2 Stimmen
Neues Forum (NF) 3 Stimmen
Sozialdemokratische Partei der DDR (SDP) 2 Stimmen
Vereinigte Linke (VL) 2 Stimmen

Von den alten politischen Kräften war dies

Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) 3 Stimmen
Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) 3 Stimmen
Liberaldemokratische Partei Deutschlands (LDPD) 3 Stimmen
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) 3 Stimmen
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 3 Stimmen

Außer dem Neuen Forum, das drei Stimmen hatte, mussten sich alle anderen neuen Gruppierungen mit zwei Stimmen zufrieden geben. Von den alten Parteien des bisherigen Demokratischen Blocks hatten alle drei Stimmen. Durch ihre geringere Zahl bestand zwischen alten neuen Gruppen und Parteien Stimmengleichheit. Keinen Sitz und Stimme erhielten die Kirchenvertreter.

Der Unabhängigen Frauenverbandes war nachträglich von der Initiatorengruppe eingeladen worden. Davon wurden die Moderatoren des Runden Tisches aber nicht unterrichtet.

Im Spiegel Nr. 3/1990 ist zu lesen:

"Die offizielle Erklärung für dieses Übergehen gibt Aufschluss darüber, wie rasch das Ansehen der Frauen auch drüben sinkt, wenn Männer am liebsten unter sich bleiben wollen.

Es könne nicht jeder dabei sein, verkündete Martin Ziegler, Oberkirchenrat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und alternierend mit anderen Gottesmännern Gastgeber der Gesprächsrunden im Bonhoeffer-Haus. Erst kämen die Frauen und demnächst womöglich 'die Kleintierzüchtervereine'. Lautstarke Demos und energische Fürsprache oppositioneller wie etablierter Politikherren brachten Ina Merkel dann doch in den Kreis."

Auch ein Vertreter des FDGB verlangte die Zulassung zum Runden Tisch. Weitere Vertreter von Organisationen wie der Demokratischer Frauenbund Deutschland (DFD), die Deutsche Umweltschutzpartei (DUP), die Grüne Initiative drängten an den Runden Tisch. Aufgenommen wurde schließlich der FDGB und der UFV, was auf der zweiten Sitzung noch einmal bestätigt wurde. Ein Lüneburger Professor, der zu Studienzwecken am Runden Tisch teilnehmen wollte, durfte sein Forschungszelt etwas am Rande aufschlagen.

Ein Initiativkomitee "Militärreform" der Militärpolitischen Hochschule "Wilhelm Pieck" in Berlin-Grünau übergibt einem Moderator des ZRT eine Erklärung in der zur Unterstützung und Mitarbeit an einem Runden Tisch für die Militärreform gebenden wird.

Die Forderung von Teilen der Opposition, die "alten", staatstragenden gesellschaftlichen Organisationen von der Teilnahme am Zentralen Runden Tisch auszuschließen, setzte sich nicht durch. Nach einer Aussage von Gerd Poppe waren zunächst drei Blockparteien mit jeweils fünf Vertretern und 14 Oppositionsvertretern vorgesehen. (5) Im Vorfeld forderte die VL einen eigenen Runden Tisch der Opposition. Vertreter von Organisationen, die keine Parteien waren, durften keiner Partei angehören. Was aber nicht hundertprozentig eingehalten wurde.

Der Zentrale Runde Tisch war stimmenmäßig immer paritätisch mit Vertretern "alter" und "neuer" Gruppierungen besetzt, worauf großen Wert gelegt wurde. Was die Kontaktgruppe auf ihrem Treffen zur Vorbereitung des Zentralen Runden Tisches am 01.12.1989 bekräftigte. Das wurde bis zum Ende des Runden Tisches durchgehalten. Die rasante Entwicklung im Lande während der Monate des Runden Tisches veränderten dessen Zusammensetzung nicht. Auch die Einberufer der Arbeitsgruppen kamen von den "neuen" und "alten" Kräften.

Mit Lothar de Maizière saß für die CDU der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats mit am ZRT. Staatsratsvorsitzender Manfred Gerlach für die LDPD und der Präsident der Volkskammer Günter Maleuda für die DBD saßen ebenfalls am Zentralen Runden Tisch.

Auf der zweiten Sitzung wurden noch die Grüne Liga und die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe zugelassen. Ohne Stimm- aber mit Rederecht bekam die Sorbische Minderheit in der DDR und ein Vertreter der Regierung einen Platz am Runden Tisch. Auf der Sitzung am 05.02.1990 wurde beschlossen, keine neuen Gruppen mehr zuzulassen.

Die sich bis zum Ende des Zentralen Runden Tisches nicht mehr veränderte Zusammensetzung war dann:

Von den "Neuen politischen Kräften"

Demokratischer Aufbruch (DA) 2 Stimmen
Demokratie Jetzt (DJ) 2 Stimmen
Grüne Liga (GL) 2 Stimmen
Grüne Partei (GP) 2 Stimmen
Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) 2 Stimmen
Neues Forum (NF) 3 Stimmen
Sozialdemokratische Partei der DDR (SDP) 2 Stimmen
Unabhängiger Frauenverband (UFV) 2 Stimmen
Vereinigte Linke (VL) 2 Stimmen

Und von den "alten politischen Kräften"

Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) 3 Stimmen
Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) 3 Stimmen
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) 2 Stimmen
Liberaldemokratische Partei Deutschlands (LDPD) 3 Stimmen
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) 3 Stimmen
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 3 Stimmen
Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) 2 Stimmen

Beobachterstatus bekamen der Demokratische Frauenbund Deutschlands, die Deutsche Forumpartei, die Deutsche Soziale Union, die Freie Demokratische Partei, die Freie Deutsche Jugend, die Europaunion der DDR, der Kulturbund, die Katholische Laienbewegung, der Runde Tisch der Jugend, der Verband der Konsumgenossenschaften, die Unabhängige Volkspartei.

Moderiert wurde der Zentrale Runde Tisch von Martin Ziegler, Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, Karl-Heinz Ducke, Berliner Bischofskonferenz, Martin Lange, Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Die Kontaktgruppe hatte eine wechselnde Moderation von "alten" und "neuen" Gruppierungen angestrebt. Nach der zweiten Sitzung wurde beschlossen die bisherige Moderation beizubehalten. Die drei Moderatoren hielten vor der konstituierenden Sitzung der Volkskammer später, am 05.04.1990 in der Berliner Gethsemanekirche einen Gottesdienst ab.

Neben den Arbeitsgruppen, die nicht öffentlich tagten, wurde in der zeiten Sitzung noch eine Prioritätengruppe, die sich u. a. mit organisatorischen Fragen befasste gebildet. Sie legte auch die Tagesordnung fest oder beschäftigte sich mit Verfahrensfragen. Auch das Thema Neuzulassung von Gruppen und Parteien wurde gerne in die Prioritätengruppe abgeschoben. Die Prioritätengruppe wurde Anfang Januar 1990 in eine Programmgruppe umgewandelt. Eine Steuerungsgruppe sollte in Streitfällen aktiv werden. Ein Sekretariat war u. a. für die Büroarbeit zuständig. Dazu gehörten auch die drei Pressesprecher.

Die Arbeitsgruppen waren:

- Ausländerfragen bzw. Ausländerpolitik

- Bildung, Erziehung, Jugend

- Frauenpolitik, (erweitert auf AG Geschlechtergleichstellung)

- Gesundheits- und Sozialwesen

- Medien bzw. Mediengesetzgebungskompetenz

- Neue Verfassung

- Ökologischer Umbau

- Parteien- und Vereinigungsgesetz

- Prioritäten

- Recht

- Sicherheit bzw. Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit der DDR

- Sozialpolitik

- Strafrecht

- Wahlgesetz

- Wirtschaft

Je Arbeitsgruppe gab es zwei Einberufer (ständige Vertreter). Sie hatten u. a. die Pflicht, die Anträge der Arbeitsgruppe am Zentralen Runden Tisch einzubringen. Auch in den Volkskammerausschüssen arbeiteten Mitglieder des Zentralen Runden Tisches mit. Auch die Einberufer wurde paritätisch von einer "alten" und "neuen" Kraft gestellt.

Der Zentrale Runde Tisch beschloss die Erarbeitung eines Entwurfs einer neuen Verfassung zu beginnen. In der Arbeitsgruppe Neue Verfassung wurde sich verständigt, einen Verfassungsentwurf bis zum Wahltermin am 06.05.1990 vorzulegen. Sogleich wurden vier Untergruppen gebildet.

Die Arbeitsgruppe "Parteien- und Vereinigungsgesetz" tagte am 29.12.1989 zu ersten Mal. Es gab eine Forderung nach Offenlegung der Vermögen der Altparteien. Bei der Parteienfinanzierung steckte die Opposition in einem Dilemma. Einerseits prangerte sie die bisherige Finanzierung durch den Staat an, andererseits beanspruchte sie finanzielle und technische Mittel für sich selber, um überhaupt arbeitsfähig zu sein. Bei dem Abblocken der Offenlegung ihrer Mittel funktionierte die Nationale Front der Altparteien weiter. Nach langem Hin und Her gab es am 21.12.1989 einen Beschluss des Ministerrates zur Unterstützung der Arbeit der am Runden Tisch vertretenen Parteien und Gruppierungen. Sinnigerweise wurden auch Karossen wie sie das Politbüro fuhr angeboten. Was diese aber ablehnten und lieber in Wagen aus Beständen des Ministeriums für Staatssicherheit fuhr.

Um den Wahltermin gab es heftige Auseinandersetzungen. Den meisten Parteien war an einem möglichst frühen Wahltermin gelegen, während die Bürgerbewegungen sich gegen einen frühen Wahltermin aussprachen. Sie wollten basisdemokratische Elemente etablieren und setzten auf Selbstorganisation. Eine neue Verfassung, ein neues Wahlgesetz und Volksentscheide zuvor standen für sie im Vordergrund. Reinhard Schult vom Neuen Forum plädierte für den 10.06.1990 als Wahltermin. CDU und SED-PDS drängten auf einen frühen Wahltermin. Die CDU brachte einen Wahltermin vor dem 15.04.1990 ins Spiel. Der Wahltermin für die Volkskammer wurde dann auf den 06. Mai 1990, bisher war September bis Dezember angepeilt, festgelegt. Diesen Termin in die Debatte einzubringen hatte die SDP auf ihrer Vorstandssitzung am 03.12.1989 beschlossen.

Die Regierung wurde aufgefordert das Amt für nationale Sicherheit unter ziviler Kontrolle vollständig aufzulösen.

Auf der zweiten Sitzung präsentierte das Neue Forum ein Standpunktpapier, indem dem Zentralen Runden Tisch ein Kontroll- und Vetorecht bei Beschlüssen der Modrow-Regierung einzuräumen sei. Lothar de Maizière von der CDU, damals stellvertretender Ministerpräsident, hielt dem entgegen, dies sei eine Entmündigung der Regierung. Dem Neuen Forum wurde vorgehalten, es müssten dann sofort Neuwahlen ausgeschrieben werden, da die Regierung nicht mehr handlungsfähig sei. Davor schreckte das Neue Forum zurück. Nach einer Debatte zog das Neue Forum ihr Papier zurück.

Als auf der zweiten Sitzung ein Antrag in die Arbeitsgruppe Wahlgesetz überwiesen werden sollte, stellte sich heraus, sie existierte noch gar nicht. Daraufhin machte der ZRT zeitliche Vorgaben zu ihrer Bildung. Erst am 30.12.1989 fand die konstituierende Sitzung statt. Der Arbeitsgruppe gelang es zunächst nicht was Eigenes zu entwickeln. Nicht einmal vorhandene Arbeiten von DJ, LDPD und NF wurden bearbeitet. Es blieb dann nur noch den Volkskammerentwurf unter Zeitdruck zu prüfen. Der Miteinberufer Lothar de Maizière wurde auf der Sitzung am 05.01.1990 aufgefordert auf der nächsten Sitzung endlich mal zu erscheinen. Am 15.01.1990 erklärte die SPD, sie trete für die Einführung einer 3 %-Sperrklausel in das Wahlgesetz ein. Der Antrag der SPD wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.

Das unverzügliche Erscheinen des Ministerpräsidenten Modrow, des Generalstaatsanwaltes und des Ministers des Inneren am Zentralen Runden Tisch verlangte die Opposition auf der Sitzung am 08.01.1990. Um die Ernsthaftigkeit ihres Ultimatums zu unterstreichen, zog sie vom Runden Tisch aus und drohte mit dessen Ende. Die Initiative ging vom Neuen Forum aus. An diesem Tag machte sich Modrow gerade auf den Weg nach Sofia zu Tagung des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe auf. Nach seiner Rückkehr am 11.01.1990 protestierte Modrow in der Volkskammer gegen wie er vor den ZRT zitiert werden sollte. 1991 meinte er dazu: "Natürlich konnte ich mich nicht so unter Druck setzen lassen." In einer gemeinsamen Erklärung sprangen ihm auf der Sitzung des Zentralen Runden Tisches die Vertreter von DBD, LDPD, NDPD, SED/PDS und der VdgB bei. Die Selbständigkeit demonstrierende CDU gab eine eigene Erklärung ab. Eine Erklärung gaben auch der FDGB ab.

Hatte der damalige Ministerpräsident der DDR, Hans Modrow den Zentralen Runden Tisch zunächst links liegen gelassen, was er selbst bestritt, erschien er am 15. Januar 1990 zum ersten Mal vor dem Möbelstück. Eigentlich hatte er erst am 22.01. erscheinen wollen, es sollte nicht der Eindruck entstehen, der Zentrale Runde Tisch kommandiert.

Dort sagte u.a.:

"Mein Anliegen an Sie umfasst drei Hauptsachen:

Erstens und vor allem sollten wir gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die weitere innenpolitische Entwicklung sich friedlich vollzieht, das humanistische Wort der im Oktober begonnenen Revolution 'keine Gewalt' gültig bleibt. Das gebietet die Verantwortung für Leben und Gesundheit der Bürger ebenso wie unsere Verantwortung vor der Welt.

Zweitens bitte ich Sie mitzuhelfen, dass die Arbeit in allen Bereichen der Wirtschaft ungestört und so produktiv wie möglich geleistet werden kann, damit das tägliche Leben in normalen Bahnen verläuft und die Reformprozesse fortgesetzt werden können. Dies sehe ich auch als notwendige Voraussetzung für eine hohe Wirksamkeit der von der Bundesrepublik Deutschland zugesagten solidarischen Unterstützung.

Drittens bitte ich Sie, Ihren politischen Einfluss geltend zu machen, damit die Bürger der DDR in ihrer angestammten Heimat bleiben. Niemand kann nach rund acht Wochen Regierungsarbeit Wunder erwarten. Ich versichere jedoch allen Bürgern der DDR: Unser Land hat die realistische Chance, durch eigene Anstrengungen und Hilfen von außen noch in diesem Jahr zu einer Stabilisierung von materieller Produktion und Versorgung zu kommen, die den Beginn einer Prosperität einleitet. Es lohnt sich, in der DDR zu bleiben.

Lassen Sie mich von dem Dargelegten ausgehend, die Vorschläge hervorheben und ergänzen, die meine Regierung dem Runden Tisch gemacht hat. Dies sind insbesondere:

  • unmittelbare und verantwortliche Teilnahme an der Regierungsarbeit durch kompetente Persönlichkeiten,
  • Mitwirkung in Kommissionen, Arbeitsgruppen und anderen Gremien der Regierung sowie ihrer Organe einschließlich des Wirtschaftskomitees,
  • Einbringen inhaltlicher Vorstellungen für mein nächstes Treffen mit dem Bundeskanzler der BRD, insbesondere für den Inhalt der Vertragsgemeinschaft,
  • Teilnahme einer Gruppe von Vertretern des Runden Tisches an dem Arbeitstreffen mit dem Kanzler der BRD,
  • Mitwirken an der Vorbereitung von Gesetzen sowie Verordnungen und anderen wichtigen Entscheidungen des Ministerrates mit dem Ziel, die Regierungsarbeit effizienter zu machen. Ich denke hier an die Mitarbeit zur Ausgestaltung notwendiger Reformen, die vor dem 6. Mai zum Tragen kommen sollen, sowie zur Arbeit der DDR im RGW, aber auch und besonders an ein Mitwirken an Regelungen und wirksameren Methoden für den raschen Wiedereinsatz frei werdender bzw. frei gewordener Kräfte."

In einem Schreiben lud Volkskammerpräsident Günther Maleuda, im Dezember 1989 Teilnehmer des Zentralen Runden Tisches zur 14. Volkskammertagung am 11. und 12.01.1990 ein. An der Volkskammertagung am 11.01.1990 nehmen erstmals Vertreter des Demokratischen Aufbruchs, Grüne Liga, Grüne Partei, Initiative Frieden und Menschenrechte, Unabhängiger Frauenverband, Vereinigte Linke und Kirchenvertreter teil.

Beschränkte parlamentarische Rechte in der Volkskammer für Mitglieder aller Parteien und Gruppierungen die am Zentralen Runden Tisch vertreten sind, wird auf der Sitzung am 18.01.1990 gefordert. Wolfgang Ullmann und Konrad Weiß hielten dort als erste am 29.01.1990 eine Rede.

Die 7. Sitzung des Zentralen Runden Tisches musste am Abend abgebrochen werden. Das Neue Forum hatte für den Abend zu einer Demonstration vor die Stasizentrale in Berlin-Lichtenberg aufgerufen. Es sollte der Eingang symbolisch zugemauert werden. Nachdem von Innen die Türen geöffnet wurden, strömten die Menschen auf das Gelände und es kam auch zu Verwüstungen. Später rankten sich allerlei Mythen um diese unerwartete Öffnung und die angerichteten Schäden. Ministerpräsident Modrow und Vertreter oppositioneller Gruppen eilten zum Ort des Geschehens. Als Modrows Personenschutz fungierte Wolfgang Ullmann und Konrad Weiß von Demokratie Jetzt. Die Vertreter der Blockparteien sahen keine Veranlassung dort aufzutauchen. Das Thema Stasi und seine Auflösung wurde gerne den Bürgerbewegungen überlassen. Den Fokus auf die Staatssicherheit zu lenken kam nicht nur der SED/PDS und den übrigen Blockparteien gelegen. Lenkte es doch von der eigenen Vergangenheit ab. Es wurde darauf geachtet, den Eindruck zu erwecken, das Gestern sei abgestreift und man sein nun für das Neue zuständig. Der Fokus auf das Überleben im Morgen gerichtet. Die Bürgerbewegungen konnten ein Thema besetzen, welches ihnen von niemand anderes streitig gemacht wurde. Konrad Weiß wurde vom ZRT beauftragt über Fernsehen und Rundfunk einen Appell an die Demonstranten zu richten.

Auf der 8. Sitzung am 18.01.1990 brachte Konrad Weiß für Demokratie Jetzt einen Antrag ein, der ein Resozialisierungsprogramm für ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit vorsah. Die ehemaligen Stasimitarbeiter sollten wieder in die Gesellschaft integriert werden. Paten sollten den Betroffenen bei der Rückkehr in die Gesellschaft zur Seite stehen. Konrad Weiß sagte später dazu: "Zu dem Zeitpunkt und das ist das Eigentliche, was mich heute wütend macht, waren die längst dabei ihre neuen Strukturen aufzubauen. Ihre Seilschaften zu knüpfen." (6) Der Vorwurf der "Seilschaften" wurde später oft gebracht. Der Antrag von Demokratie Jetzt wurde einstimmig angenommen.

Auf der Sitzung am 22.01.1990 forderte Modrow die Opposition erneut auf in die Regierung einzutreten. Vor allem die CDU versuchte die SPD in die Regierung zu ziehen. Hatte doch die SPD eine reine Weste, während die CDU bestrebt war die Schmuddelweste der Blockflöte aufzupolieren.

In Gesprächen der oppositionellen Gruppen DA, DJ, GL, GP, IFM, SPD, UFV und VL am 24. und 26. Januar, wurde Einigkeit erzielt den Runden Tisch aufzuwerten. Der Runde Tisch sollte Partner von Regierung und Volkskammer bei der Gesetzgebung sein. Der Runde Tisch in das Gesetzgebungsverfahren während der Amtszeit durch die geschäftsführende Regierung einzubeziehen. Eine parteienunabhängige Regierung wird vorgeschlagen. Änderungsvorschläge und eigene Gesetzesinitiativen des Runden Tisches seien von der Volkskammer beziehungsweise der Regierung aufzunehmen, lautete die Forderung. Laut Gerd Poppe gab es auch die Forderung der Opposition nach dem Innenministerium und den Posten des Generalstaatsanwaltes zu besetzen. Die Bildung eines Personalkabinetts, indem die Mitglieder dieses Kabinetts ihre Mitgliedschaft in einer Partei oder politischen Vereinigung bis zur Volkskammerwahl ruhen lassen müssen, forderte die SPD. Ministerpräsident Modrow sei telefonisch von den Forderungen unterrichtet worden, wurde auf eine Pressekonferenz am 26.01. mitgeteilt. Ehrhart Neubert vom DA forderte in einem Interview am 23.01. einen Offenbarungseid der Regierung und die Auflösung der SED-PDS als Voraussetzung zum Mitregieren. (7)

Bei den Gesprächen wollte Modrow am 28.01. von den Forderungen der Opposition nichts wissen. Er malte den drohenden Kollaps an die Wand. Das Stellen der Vertrauensfrage am nächsten Tag in der Volkskammer hing wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungen. Die DBD drohte, beim Scheitern der Verhandlungen einen Antrag auf sofortige Wahlen zu stellen. Hinzu kam, mit der Bundesregierung in Bonn war für den 13.02. ein Treffen vereinbart worden. Eine schwache Regierung sollte nicht noch weiter geschwächt werden.

Die SPD wollte zwar einen früheren Wahltermin aber keine Regierungsbeteiligung bis zur Wahl. Sie wollte bis dahin unbefleckt bleiben. Vor allem der CDU war das als ehemalige Blockpartei ein Dorn im Auge. Die SPD galt für sie inzwischen als Hauptgegner. Der bevorstehende Wahlkampf ließ grüßen. Auf die Drohung der CDU, die Regierung zu verlassen, antworte die SPD mit dem Vorwurf, die Altparteien dürfen die Regierung nicht im Stich lassen.

Die Bürgerbewegten wiederum konnten sich zwar einen Regierungseintritt vorstellen, wollten aber beim Wahltermin 06.05.1990 festhalten. Unterstützt wurden sie in der Frage des Wahltermins von CDU, DBD und NDPD. Die VL bestand auf den vorher festgelegten Forderungen der Opposition.

Für einen früheren Wahltermin waren DA, GL, LDPD, SED-PDS, SPD.

Nachdem er sich mit der SPD auf einen vorgezogenen Wahltermin, der 18. März, geeinigt hatte, fiel nach der SPD eine nach der anderen Gruppierung um. Den Gruppen wurden keine Ressorts angeboten, sondern Ministerposten ohne Geschäftsbereich. Was Wolfgang Rüddenklau später zu der Bemerkung veranlasste, sich ohne Bedingungen und Verhandlungen als Frühstückminister anstellen zu lassen, es handelte sich um eine Farce. (8)

Gerd Poppe meinte im Juli 1990 in einem Interview, die SPD habe die Opposition damit gespalten, und am Runden Tisch herrschte von da an eine gespannte Atmosphäre. Die Demarkationslinie verlief ab Ende Januar, CDU, DA und SPD gemeinsam gegen die Bürgerbewegungen. FDGB und SED-PDS stimmten mit den Bürgerbewegungen. (9)

Dass sich die übrigen Oppositionsgruppierungen nach der SPD richten mussten, zeigte die Kräfteverschiebung in diesem Spektrum. Besonders das Neue Forum befand sich auf dem absteigenden Ast. Mit einem westdeutschen Partner im Rücken, hatte die SPD ein starkes Interesse an möglichst baldigen Wahlen. Die CDU lehnte bei den Verhandlungen ein Vorziehen der Wahl ab. Sie hatte keinen westdeutschen Partner und wie die Menschen ihre Blockparteienzeit honorieren würden war ungewiss. Die CSU bevorzugte die DSU und Teile der CDU setzten auf den DA. Nachdem der neue Wahltermin feststand, stampfte die bundesdeutsche CDU innerhalb einer knappen Woche das Wahlbündnis "Allianz für Deutschland" aus dem Boden.

Die Verhandlungen über eine Regierungsbeteiligung fanden außerhalb des Zentralen Runden Tisches statt. An den Verhandlungen nahmen auch die Moderatoren des Zentralen Runden Tisches teil. Ein Moderator trat nach den Verhandlungen vor die Presse, um die Ergebnisse zu verkünden. Dem ZRT blieb nur übrig, das Ergebnis zur Kenntnis zu nehmen. Auch die Öffentlichkeit war von den Verhandlungen ausgeschlossen.

Noch vor der Benennung der Minister tritt die VL am 02. Februar wieder aus der Regierung aus. Als Grund wurde von ihr das Bekenntnis von Modrow zu einem "Deutschland einig Vaterland" genannt. In Wahrheit hatte die Vereinigte Linke von Anfang an Bauchschmerzen mit der Verständigung. Sie wollte sich bei der Besprechung am 28.01. aber nicht weiter von den anderen Gruppierungen isolieren.

Auf der ersten Sitzung des neuen Ministerrates wurde die Erhöhung der Diäten beschlossen und es wird allen neuen Ministern ein Anspruch auf Staatsrente zugesprochen. Die Ironie der Geschichte wollte es, dass die Minister der Opposition, die in die Modrow-Regierung eintraten ebenso wie allen anderen Minister für diese Zeit nach BRD-Rentenrecht als systemnahe eingestuft werden und ihr Rentenanspruch auf das durchschnittliche DDR-Einkommen begrenzt wird. Was wegen der kurzen Amtszeit aber wohl nicht groß ins Gewicht fällt. Für Lothar de Maizière (CDU) ergibt sich eine rentenrechtliche Systemnähe mit Rentenkürzung für seine Zeit als stellvertretender Ministerpräsident in der Modrow-Regierung und eine Ehrenpension für seine Zeit als Ministerpräsident der DDR.

Mit dem Regierungseintritt der Opposition saßen Minister am Zentralen Runden Tisch. Zunächst hatte mit Lothar de Maizière der stellvertretende Ministerpräsident am Zentralen Runden Tisch Platz genommen. Er zog sich später aber nach Kritik an ihm, die er persönlich als ungerechtfertigt empfand, zurück. Wolfgang Ullmann ließ sich von Modrow bestätigen, dass er derjenige aus der Ministerriege sei, der für den Zentralen Runden Tisch zuständig ist. (10)

Das Neue Forum hatte mit dem stellvertretenden Minister für Bildung, Volker Abend, bereits ein Mitglied ihrer Organisation für kurze Zeit in der Regierung. Volker Abend war von der CDU für diesen Posten nominiert worden. Trat nach Elternprotesten aber bald wieder zurück.

In einem offenen Brief an den Ministerrat und den zentralen Runden Tisch, der auf einer Belegschaftsversammlung am 01.02. im Atomkraftwerk Greifswald verabschiedet wurde, wird die Rücknahme der Forderung nach sofortiger Stilllegung der Blöcke 1 bis 4 verlangt. Es werden unabhängige Gutachten gefordert.

Auf Antrag der IFM beschließt der Zentrale Runde Tisch am 05.02.1990, es solle von Gastrednern aus Westdeutschland und Westberlin im bevorstehenden Wahlkampf Abstand genommen werden. CDU, DA und SPD stimmten dagegen. Der Beschluss wurde dann auch entsprechend ignoriert. Im Sprecherrat des Neuen Forum gab es einen Tag später zwar die Bemerkung: "Antrag vom IFM gegen ausländische Wahlredner ist angekommen", aber zugestimmt hatten die Vertreter des NF auch.

In einem Interview berichtete Hans Modrow 1992, der damalige Bundeskanzler Kohl sei überrascht gewesen, dass die Vertreter des Zentralen Runden Tisches seine Positionen in Bonn am 13./14.02.1990 unterstützt hätten. (11)

Auf seiner 13. Sitzung des ZRT am 19.02.1990 wurde einstimmig die Vernichtung der elektronischen Datenträger der Stasi beschlossen. Zuvor wurde schon der Auflösung der Hauptverwaltung Aufklärung und der Vernichtung ihrer Akten zugestimmt.

Werner Großmann sagte darüber in einem Interview im "Spiegel" am 03.09.1990: "Der Beschluss über die ersatzlose Auflösung der HVA wurde am 23. Februar von der Arbeitsgruppe Sicherheit des Zentralen Runden Tisches gefasst. Mit diesem Datum war bereits die Arbeit, zumindest was die BRD und West-Berlin betrifft, weitgehend eingestellt. Wir hatten aber schon vor diesem Termin, bereits im November vorigen Jahres, selbständig damit begonnen, die Auflösung, die am 30. Juni endgültig abgeschlossen worden ist, zumindest so vorzubereiten, dass sie keine lange Zeit mehr in Anspruch nahm."

Auf die Vermutung des Spiegels: "Wahrscheinlich haben Sie als erstes die Akten beiseite geschafft."

Antwortete er mit: "Aber ja. Das heißt, wir haben den Bestand erst mal verkleinert. Der Aktenbestand war natürlich sehr, sehr umfangreich, so dass wir sehr frühzeitig mit der Vernichtung begonnen haben.

Das ging bis zum Dezember. Danach gab es einen Beschluss des damaligen Amtes für Nationale Sicherheit auf Weisung der Regierung, dass nichts mehr vernichtet werden darf. Später haben wir weitere Akten vernichtet, dann aber schon mit offizieller Genehmigung: Es war von der AG Sicherheit und dem Bürgerkomitee und den Regierungsbeauftragten beschlossen worden, dass alle Daten über Personen, die mit uns gearbeitet haben, vernichtet werden, damit später niemand gefährdet ist."

Nicht nur das MfS vernichtete Akten. Der größte Teil der Akten der militärischen Aufklärung der NVA wurde im August 1990 vernichtet.

Es wurde nie geklärt welche und wie viele Akten in den Blockparteien, den Massenorganisationen und Betrieben vernichtet wurden.

Von manchen Bürgerkomitees wurde eine Zeit lang die Vernichtung der Akten oder Datenträger gefordert. Die Akten sollte nicht in die Hände anderer fallen, z. B. anderer Geheimdienste.

Forderungen gab es auch, Dokumente, die Teilnehmer der letzten Demonstrationen belasten, zu vernichten.

In der Wochenzeitung "Die Zeit" schreibt Wolf Biermann am 21.09.1990: "Und - traurige Ironie - die gutgläubigen Stasi-Auflöser aus den Bürgerkomitees und vom Runden Tisch, sie haben damals dieser Vernichtung zugestimmt, weil sie sich einschüchtern und belügen ließen. Sie ließen sich ins Bockshorn jagen mit der Drohung, man müsse verhindern, dass der Bundesverfassungsschutz nach den Wahlen einen allzu schnellen Zugriff hat.

Als Krönung des Zynismus erweist sich aber dies: Gemäß interner Absprache durfte die HVA bis zum 30. Juni dieses Jahres jede beliebige Karteikarte vernichten. Begründung für dieses Privileg: Wir müssen unsere treuen und selbstlosen Kundschafter in den USA vor dem elektrischen Stuhl retten ... Gerettet wurden alle hochkarätigen Lumpen."

Die Blockparteien, die Unterschlupf bei den Westparteien gefunden haben, nahmen auch ihre Parteiarchive dorthin mit. Auch westliche Geheimdienste nutzten die Gunst der Stunde um Material in ihren Besitz zu bringen. Seit 1992 hat man sich in der Stasiunterlagenbehörde von 5 800 Metern Schriftgut befreit. 20 Jahre nach der Gründung der Stasiunterlagenbehörde waren erst ca. die Hälfte der Akten sachlich erschlossen.

Nach dem Stasi-Unterlagengesetz kann der Minister des Inneren die ersatzlose Herausgabe von Unterlagen anordnen. Unterlagen über Mitarbeiter von Nachrichtendiensten des Bundes, der Länder und der Verbündeten, können vom Bundesinnenministerium als Geheim deklariert werden. Verbündete Nachrichtendienste sind heute auch die Nachrichtendienste der ehemaligen Staaten des Warschauer Vertrages. Auch die Akten des auswärtigen Amtes der DDR wurden mit der Begründung, schutzwürdige Interessen dritter Staaten, gesperrt. Am 02.07.1990 wird auf der Innenministerkonferenz der BRD beschlossen, alle Akten des MfS über bundesdeutsche Politiker und Industrielle die sich in ihrem Herrschaftsbereich befinden zu vernichten.

Im Jahr 2000 wurde nach einer Anfrage eines Journalisten die Sperrung von Akten verfügt, die Auskunft über die NS-Vergangenheit von Geheimdienstmitarbeitern und Polizeibeamten geben sollten. Erst in Jahr 2010 wurden teilweise Akten freigegeben. Die Bundesregierung beschloss personenbezogene Dossiers der Stasi von Westdeutschen Politikern zu vernichten, z. B. die von Franz Josef Strauß. Auch über 20 Jahren nach dem Ende der DDR sind die Erkenntnisse der Westdeutschen Dienste die sie über die DDR gesammelt haben immer noch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Die bundesdeutschen Protokolle der Gespräche mit DDR-Vertretern unterliegen nach wie vor der 30jährigen Sperrfrist des Bundesarchivgesetzes.

Die DDR-Exemplare der Staatsverträge, die im Zuge der deutschen Einheit zwischen der DDR und der BRD abgeschlossen wurden, landeten im Archiv des bundesdeutschen Außenministeriums. Und dies obwohl die bundesrepublikanische Seite sonst penibel darauf hinwies, die DDR sein kein Ausland.

Zu der Kritik externer Forscher, behördeneigene Forscher der BStU haben einen privilegierten Zugang zu den Akten, meinte Marianne Birthler in ihren Erinnerungen: "Ohne den internen Aktenzugang, den sie besaßen, hätten diese Archivalien wissenschaftlich gar nicht genutzt werden können. Vor allem hatten sie die Aufgabe, Grundlagenforschung zu wichtigen Schwerpunktthemen zu betreiben, und übernahmen damit eine wichtige Dienstleistungsfunktion sowohl für die allgemein zeitgeschichtliche Forschung als auch für verschiedene Arbeitsbereiche der Behörde". (12)

Einem Antrag des NF alle Leiter der mittleren und höheren Ebene in Betrieben und Einrichtungen sich einer geheimen Wahl zu stellen, wurde mit großer Mehrheit angenommen. Umgesetzt wurde der Antrag aber nicht.

Die letzte Sitzung des Zentralen Runden Tisches fand am 12. März statt. In der Abschlusserklärung heißt es u. a.:

"Die Teilnehmer trafen sich aus tiefer Sorge um das in die Krise geratene Land und seine Eigenständigkeit. Sie wollten keine parlamentarische Regierungsfunktion ausüben, sich aber mit Vorschlägen zur Überwindung der Krise an die Öffentlichkeit wenden. Dazu forderte der Runde Tisch von Volkskammer und Regierung, vor wichtigen rechts-, wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen informiert und einbezogen zu werden.

Er verstand sich als Bestandteil der öffentlichen Kontrolle.
(...)

Gestützt auf die Tätigkeit von 17 Arbeitsgruppen, auf Tausende von Vorschlägen und Hinweisen der Bürger sowie auf zahlreiche Experten aus Regierung und Wissenschaft wurden auf insgesamt 16 Beratungen zu vielen wesentlichen Bereichen der gesellschaftlichen Entwicklung Empfehlungen und Gesetzesentwürfe geschaffen, die dem Willen des Volkes der DDR und den außenpolitischen Erfordernissen für eine friedliche Zukunft, für den Weg zu freien Wahlen, in die deutsche Einheit und in das europäische Haus weitgehend entsprechen. Hervorzuheben sind hierbei

  • das Gesetz zur Vorbereitung und Durchführung der Wahlen am 18. März und 6. Mai,
  • die Grundzüge einer Wirtschaftsreform und Sozialcharta sowie einer neuen Umweltpolitik,
  • Prämissen für eine neue Kultur- und Bildungspolitik, Frauen und Jugendpolitik,
  • der Übergang zur Rechtsstaatlichkeit durch ein neues Mediengesetz, durch Justiz- und Verwaltungsreform sowie die Ausarbeitung von Grundzügen einer neuen Verfassung.

Mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung befasste sich die erste Sitzung des Zentralen Runden Tisches. Bis zu dessen Ende gelang es aber nicht den Verfassungsentwurf fertig zu stellen. Der ZRT gab ein Mandat für eine Weiterarbeit über das Ende des ZRT hinaus. Dagegen waren der DA, die CDU und die SPD. Später entbrannte ein Streit darüber, ob der Verfassungsentwurf ein Entwurf des Zentralen Runden Tisches sei oder nicht, und ob der Verfassungsentwurf das Vermächtnis des ZRT sei. Am 04.04.1990 wurde er der Volkskammer vorgelegt. Am 17.06.1990 sollte darüber abgestimmt werden. Der Entwurf wanderte aber in die Tonne.

Hans Modrow sagte in einem Interview 1992, wäre der Verfassungsentwurf vor dem 18.03.1990 der Volkskammer zur Beschlussfassung vorgelegt worden, hätte die DDR noch eine neue Verfassung bekommen. (13)

Mit Beschluss vom 21.12.1989 wurden die Vertreter am ZRT vom ihrem Arbeitsverhältnis freigestellt. Außerdem wurde eine finanzielle und materielle Unterstützung zugesagt. Der damalige Regierungschef, Hans Modrow, lud am 02.01.1990 Vertreter von Parteien und Gruppierungen des Zentralen Runden Tisches in seinen Amtsitz ein. Als einzige Gruppierung lehnte das Neue Forum ab. Als Grund wurde die fehlende Öffentlichkeit bei den Gesprächen genannt.

Die Sitzungen des zentralen Runden Tisches wurden ab dem 3. Januar im Rundfunk und ab dem 9. Januar 1990 im Fernsehen übertragen. War zunächst das Interesse groß, ließ es doch bald deutlich nach. Die Regierung mauerte zunächst. Sie zeigte dem Runden Tisch die kalte Schulter. Nach dem Ultimatum an die Regierung am 08.01.1990 und der sich immer mehr zuspitzenden Krise übernahm der Zentrale Runde Tisch administrative und legislative Aufgaben. Die Modrowregierung und die Volkskammer kam um den Zentralen Runden Tisch nicht mehr herum.

Der Zentrale Runde Tisch, der sich als Übergangslösung sah, verlor im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung. In den Runden Tisch wurden nur geringe Zukunftshoffnungen gesetzt. Die Hoffnungen verlagerten sich für einen nicht unbedeutenden Teil der Bevölkerung immer mehr nach Bonn. Die BRD-Regierung sah auch zu keinem Zeitpunkt der Umwälzung des Herbstes 1989 in der Opposition einen legitimen Vertreter der Bevölkerung der DDR. Die Opposition war nie erster Ansprechpartner.

Reinhard Schult sagte später, es hatte sich nach der Installation des Runden Tisches eine Zuschauerdemokratie speziell in Berlin schnell wieder durchsetzte. Wo sich Leute noch auf Kommunaler Strecke engagierten aber sich sonst zurücklehnte und sagte die werden es irgend wie schon wieder machen. Der Runde Tisch hat die Luft zum Teil aus Aktivitäten herausgenommen. (14)

Neben dem Zentralen Runden Tisch in Berlin gab es noch eine Vielzahl von territorialen, örtlichen, betrieblichen und thematischen Runden Tische.

Die Grüne Liga initiierte zusammen mit dem deutschen Naturschutzring einen deutsch-deutschen Grünen Runden Tisch.

Der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, schreibt später:

"Ich forderte in einer Pressekonferenz die Oppositionsgruppen in der DDR auf, sich jetzt ihrer Verantwortung zu stellen, und schlug vor, nach dem polnischen Vorbild einen 'Runden Tisch' zu bilden, der als eine Art Notparlament die Regierung kontrollieren sollte. Diesem 'Runden Tisch' sollten alle Oppositionsgruppen und eine Reihe integrer Persönlichkeiten wie Kurt Masur, Christa Wolf, Manfred Stolpe, Ibrahim Böhme, Bärbel Bohley und Rainer Eppelmann sowie Markus Wolf angehören, nicht aber die Vertreter der alten Blockparteien und der SED. Die Regierung sollte verpflichtet werden, alle ihre Entscheidungen mit dem 'Runden Tisch' abzustimmen, regte ich an. Die Volkskammer, die ohnehin nicht demokratisch gewählt war, konnte ihre Tätigkeit einstellen. Gleichzeitig unterstützte ich die Forderung zahlreicher Oppositioneller, früher als bisher diskutiert, demokratische Wahlen durchzuführen. Ich schlug den 6. Mai 1990 vor." (15)

(1) Gerhard Weigt: Demokratie Jetzt, Der schwierige Weg zur deutschen Einheit
(2) Horst Gust in einem Interview am 03.08.1990 in Klemens Semtner: Der Runde Tisch in der DDR
(3) Film Chronik der Wende, 07.12.1989
(4) Wolfgang Ullmann in einem Interview am 03.08.1990 in Semtner, Klemens: Der Runde Tisch in der DDR
(5) Gerd Poppe in einem Interview am 02.07.1990 in Semtner, Klemens: Der Runde Tisch in der DDR
(6) Film Chronik der Wende, 18.01.1990
(7) Die Welt, 23.01.1990
(8) Christof Geisel: Auf der Suche nach einem dritten Weg. Das politische Selbstverständnis der DDR-Opposition in den 80er Jahren
(9) Klemens Semtner: Der Runde Tisch in der DDR
(10) Wolfgang Ullmann in Klemens Semtner: Der Runde Tisch in der DDR
(11) Hans Modrow in einem Interview am 14.07.1992 in Hahn, André: Der Runde Tisch, das Volk und die Macht - Politische Kultur im letzten Jahr der DDR
(12) Marianne Birthler: Halbes Land, Ganzes Land, Ganzes Leben, Erinnerungen
(13 Hans Modrow in André Hahn: Der Runde Tisch, das Volk und die Macht - Politische Kultur im letzten Jahr der DDR
(14) Film Chronik der Wende, 15.01.1990
(15) Walter Momper: Grenzfall. Berlin im Brennpunkt deutscher Geschichte. C. Bertelsmann Verlag München 1991, S. 214

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