Antrag der AG "Gleichstellung von Frauen und Männern"

Wir Frauen der Arbeitsgruppe "Gleichstellung von Frauen und Männern" sind betroffen darüber, dass im Entwurf des neuen Gesetzes über die Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik, veröffentlicht im "Neuen Deutschland" vom 30.1.1990, Frauen wieder nicht vorkommen. An einer Politik, die demokratischen und humanistischen Grundsätzen verpflichtet ist und eine gerechte Gesellschaft zum Ziel hat, müssen Frauen ebenso wie Männer beteiligt sein. Da dies noch nicht selbstverständlich ist, müssen entsprechende Gesetze die strukturellen Voraussetzungen dafür schaffen, um Frauen und Männern gleiche Chancen zu geben, sich auf allen Ebenen an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Der vorgelegte Gesetzentwurf lässt es im Übrigen an Entschiedenheit in den Bestimmungen über den Ausschluss den Parteien und politischen Vereinigungen von der Wahl fehlen.

Wir schlagen folgende Änderungen vor:

1. Formulierungen wie "Bürger", "Wähler", "Kandidat" und andere sind in allen Paragraphen abzuändern in "Bürgerinnen und Bürger", "Wählerinnen und Wähler", "Kandidatinnen und Kandidaten" und so weiter.

2. In Paragraph 8 ist als Absatz (2) einzufügen:

"Die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten erfolgt entsprechend den geltenden Quotenregelungen der sich zur Wahl stellenden Parteien und politischen Vereinigungen. Haben diese keine Quotenregelung, muss der Anteil der Kandidatinnen mindestens dem Anteil der weiblichen Mitglieder der Partei oder politischen Vereinigung entsprechen."

3. Alle Kommissionen, die die Wahlen vorbereiten, durchführen und kontrollieren, sind paritätisch mit Frauen und Männern zu besetzen.

4. Der Paragraph 25, Absatz (3), sollte lauten:

Von den Parteien und politischen Vereinigungen sind jeweils, vier erste KandidatInnen zu benennen, von denen zwei weiblich und zwei männlich sein sollten.

Die Beschränkung auf nur drei namentlich zu, erwähnende Kandidaten [!] begünstigt eine nicht paritätische Besetzung zugunsten des männlichen Geschlechts.

5. Paragraph 42, Absatz (5), ist dahingehend zu ändern, dass ein Abberufungsantrag von mindestens 2 500 Bürgerinnen und 2 500 Bürgern, die wahlberechtigt sind, unterschriftlich unterstützt werden muss. Nur, so lässt sich verhindern, dass Abgeordnete aufgrund von Vorbehalten gegenüber ihrem Geschlecht abgewählt werden.

6. Paragraph 8, Absatz (3)- bisher Absatz (2)- sollte lauten:

"Parteien und politische Vereinigungen, die Personen und Gruppen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen, religiösen und politischen Zugehörigkeit, ihrer sexuellen Orientierung oder körperlicher beziehungsweise geistiger Behinderung diskriminieren und die faschistische und andere totalitäre Zielvorstellungen äußern praktizieren, sind von der Wahl ausgeschlossen. Die Entscheidungen darüber trifft für die jeweilige Wahl die Wahlkommission der DDR."


Werner Schulz vom Neuen Forum stellte an den Unabhängigen Frauenverband (UFV) die Frage, ob der UFV die Forderung die ersten vier Plätze einer Wahlliste paritätisch von Frauen und Männern zu besetzen, erfüllen könne. Und ob sie sich nicht selber von der Wahl ausschließen. Die Vorlage wurde mit 20 Stimmen, bei 11 Enthaltungen, unterstützt. 13. Sitzung des Zentralen Runden Tisch am 19.02.1990