2. Sitzung Mo. 18.12.1989


Themen

Zivile Kontrolle der Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit

Offenlegung der gegen Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen angewandte Vorgehensweise sowie die Benennung der in diese Gruppen eingeschleuste Personen

Zusammenarbeit mit der Regierung

Justiz

Kommunalwahlen vor Volkskammerwahl

Neofaschismus in der DDR

Stellungnahme zum Besuch von Bundeskanzler Helmut Kohl am 19.12.1990

Bildung weiter Arbeitsgruppen

Arbeitsbedingungen der Oppositionsgruppen

Anträge zur Teilnahme am Runden Tisch

Appell an die rumänische Staatsführung auf Gewalt zu verzichten


Nachfolgend Berichte aus dem Neuen Deutschland und der Neuen Zeit


Einmütig billigten die Teilnehmer der zweiten Zusammenkunft des Runden Tisches am Montagnachmittag eine Stellungnahme an die Regierungschefs der beiden deutschen Staaten zum Besuch von BRD-Kanzler Kohl, in der DDR. Sie brachten darin ihre Erwartung zum Ausdruck, dass der Besuch zum Ausbau in den Beziehungen zwischen der DDR und der BRD beitragt und damit auch der Verantwortung beider deutscher Staaten für die Errichtung einer systemübergreifenden Friedensordnung in Europa entspricht. Die Souveränität und staatliche Identität jedes der beiden deutschen Staaten darf durch keine Seite in Frage gestellt werden. In einem beigefügten Minderheitsvotum forderten das Neue Forum und die Vereinigte Linke von Ministerpräsident Modrow, "dass alle stattfindenden Gespräche auf Regierungsebene und alle Gespräche über internationale Wirtschaftskooperationen weder zu sozialen Nachteilen für wirtschaftlich Schwache noch zu einer Wiederbelebung kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse in der DDR und auch nicht zu einseitiger wirtschaftlicher Abhängigkeit führen dürften". Ebenfalls einmütig gebilligt wurde eine Erklärung an die rumänische Partei- und Staatsführung, in der diese unter anderem auf Grund eigener bitterer Erfahrungen aufgefordert wird, "nicht länger mit brutaler Gewalt gegen das eigene Volk zu regieren und einer demokratischen Entwicklung im Wege zu stehen".

Künftig jeden Montag Treffen der Partner

Zu den Ergebnissen der gestrigen, erneut viel stündigen Sitzung zählt auch die Übereinkunft, sich künftig wöchentlich montags zu treffen. Allerdings steht noch an diesem Freitag ein zusätzliches Treffen ins Haus, auf dem man mit Prof. Christa Luft, stellvertretende Ministerratsvorsitzende für Wirtschaft, aktuelle Wirtschafts- und Finanzfragen erörtern will. Zustimmung fand auf der gestrigen Sitzung auch den Vorschlag Dr. Wolfgang Berghofers, SED-PDS, eine Arbeitsgruppe des Runden Tisches zu bilden, die sich unverzüglich mit Ministerpräsident Hans Modrow über die Zusammenarbeit mit der Regierung verständigt. Unverzüglich begonnen werden soll mit der Erarbeitung einer Prioritätenliste für die nächste Gesprächsrunde des Runden Tisches. Weitere sieben Arbeitsgruppen zur Erörterung von Sachfragen wurden ins Leben gerufen. Zu Beginn der Tagung war auf einte Reihe von Maßnahmen hingewiesen worden, die der Ministerrat auf der ersten Runde des Runden Tischs am 7. Dezember getroffen hat. Dazu gehören die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit, ein Beschluss über die Bildung eines zeitweiligen Untersuchungsausschusses beim Ministerrat und der Entwurf einer Ordnung über die Tätigkeit von Bürgerkomitees.

Erneut heiße Debatten um Mitspracherecht

Soweit einige wichtige Ergebnisse des gestrigen Runden Tisches. Er war um 9 Uhr eröffnet worden. Auch der Beginn der zweiten Runde war gekennzeichnet von lautstarken Forderungen Hunderter Vertreter, unter anderem von FDJ, VdgB, DFD, dass ihre Organisationen gleichberechtigt diesem Gremium angehören. So dauerte es zwei Stunden - gekennzeichnet von Antragen, Gegenanträgen, und Wiederholungsabstimmungen, ehe feststand: FDGB, Unabhängiger Frauenverband, Grüne Liga und VdgB sind neue Mitglieder des Runden Tischs. Den Status von Beobachtern erhielten FDJ, DFD, Kulturbund, Konsum, Laienbewegung und die Volkssolidarität Treptow. Auf Antrag der Regierung wurde Dr. Klaus Mehnert, Leiter der Rechtsabteilung im Sekretariat des Ministerrates, Beobachter mit Vermittlerfunktion.

Neues Deutschland, Di. 19.12.1989


Auch während der gestrigen zweiten Beratung des Runden Tisches zeigte sich, dass dieser immer noch mit zu vielen Ecken und Kanten behaftet ist, um wirklich effektiv, im Sinne der Bürger und endlich zum Wohle des in einer tiefen Krise steckenden Landes zu arbeiten. Fast zwei Stunden dauerte beispielsweise allein die Abstimmungsprozedur darüber, ob und welche Vertreter bereits seit längerem bestehender Massenorganisationen oder der neuen Gruppierungen am Runden Tisch Platz nehmen. Sowohl akustisch als auch moralisch erschwert wurde dieser Vorgang durch Sprechchore von FDJ, VdgB, DFD, Kulturbund, die Zugang forderten.

Zu Beginn begrüßte Monsignore Dr. Karl-Heinz Ducke im Namen des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen, des Sekretariats der Berliner Bischofskonferenz sowie der Arbeitsgemeinschaft Christliche Kirchen im Berliner Dietrich-Bonhoeffer-Haus die Vertreter von insgesamt zwölf Parteien, politischen Gruppierungen und Organisationen. Für die CDU hatten sich am Runden Tisch eingefunden Parteivorsitzender Lothar de Maizière, Peter Schmidt, Sekretär der Grundwertekommission des Parteivorstandes, sowie Marion Walsmann, Abgeordnete der Volkskammer.

Einleitend stellte der Redner fest, dass es eine Hauptaufgabe des Runden Tisches sei, sich zu verständigen über die Art und Weise der Durchführung weiterer Gespräche. "Die Sorge um unser Land hat uns zusammengeführt. Vieles dazu und mögliche Wege, die aus unserer Misere herausführen, wurde in den vergangenen Tagen auf den Parteitagen aufgezeigt, Positionen stehen jetzt zur Diskussion. Positionen, die zum Grundgedanken haben, eine Gesellschaft zu gestalten, in der wir uns wiederfinden."

Dr. Ducke erklärte, vom ersten Treffen am 7. Dezember seien positive Signale ausgegangen. So scheine der vorgeschlagene Termin für die Wahlen im Mai kommenden Jahres akzeptiert. Das Amt für nationale Sicherheit sei aufgelöst, die Notwendigkeit, den neuen Gruppierungen Arbeitsmöglichkeiten zu gewähren, erkannt worden. Der rechtliche Rahmen für Bürgerkomitees werde festgelegt. "Das ist eine Ermutigung, in unserer Arbeit fortzufahren."

In der Vormittagsdebatte setzten sich die Teilnehmer für eine Originalübertragung der Beratung durch Rundfunk und Fernsehen ein. Dadurch erübrige sich die Präsenz von Beobachtern. In diesem Zusammenhang äußerte sich Wolfgang Berghofer, Oberbürgermeister von Dresden, dass das eine große Verpflichtung und Herausforderung zugleich darstelle, denn alle am Runden Tisch Beteiligten müssten sich im klaren darüber sein, dass die Hörer auch derart endlose Diskussionen wie beispielsweise über den Arbeitsturnus des Runden Tisches oder über die Zulassung von Organisationen und Verbänden mit anhören müssten. Es sei angesichts der angespannten Situation in der DDR doch viel wichtiger, endlich konkret zu werden, zu handeln, eine alle befriedigende Form der Arbeitsfähigkeit zu erlangen.

Vor der ersten Pause dann endlich eine Erweiterung des Teilnehmerkreises. Als neue Mitglieder wurden mehrheitlich der FDGB, der Unabhängige Frauenverband, die Grüne Liga und die VdgB bestätigt, keine Mehrheit fand sich für eine Teilnahme der FDJ, des Kulturbundes, der katholischen Laienbewegung, des DFD und der Volkssolidarität Treptow.

Sie erhielten Beobachterstatus. Einstimmig sprachen sich die Teilnehmer für die von der Regierung beantragte Beobachterrolle mit Vermittlerfunktion von Dr. Klaus Mehnert, Leiter der Rechtsabteilung beim Ministerrat, aus. Festgelegt wurde des weiteren, dass der Runde Tisch künftig jede Woche montags tagen soll, bei auf diesen Termin fallenden Feiertagen werden Ausnahmen gemacht.

Nach der Mittagspause wandten sich die Teilnehmer des Runden Tisches dann endlich Sachfragen zu. Eine längere Debatte entzündete sich um ein vom "Neuen Forum" vorgelegtes Papier über das Verhältnis des Runden Tisches zur Regierung. Insbesondere das darin geforderte Vetorecht des Runden Tisches gegen Regierungsentscheidungen wurde sehr kontrovers diskutiert. [Gefordert vom Neuen Forum]

Lothar de Maiziere erklärte, dass ein solches Vetorecht die Regierung praktisch handlungsunfähig machen würde. Weithin Zustimmung fand die - bereits bei der ersten Sitzung des Runden Tisches erhobene - Forderung, die Regierung solle die ökonomische Situation des Landes offenlegen. Nachdem das "Neue Forum" dieses Papier vorläufig zurückzog, einigten sich die Teilnehmer mehrheitlich auf drei Punkte: Es solle schnellstmöglich mit dem Ministerpräsidenten oder einem kompetenten Vertreter über das Verhältnis von Rundem Tisch und Regierung gesprochen werden, aus je einem Vertreter der anwesenden Parteien und Gruppierungen solle eine Arbeitsgruppe zur Zusammenstellung einer Prioritätenliste der mit der Regierung zu verhandelnden Themen gebildet werden, und für den Freitag dieser Woche wurde eine weitere Sitzung des Runden Tisches vereinbart, bei der über die Besuche von Bundeskanzler Kohl und Staatspräsident Mitterrand informiert werden solle.

In einem weiteren Beschluss formulierten die Teilnehmer des Runden Tisches im Blick auf das Treffen Kohl-Modrow die Erwartung, dass beide Regierungen dafür Sorge tragen, dass die neuen Reiseregelungen und der Wegfall des Mindestumtausches nicht zu einem Ausverkauf der DDR führten und die Einreise von Rechtsradikalen verhindert werden solle.

Nachfolgend Auszüge aus der Stellungnahme:

"Die Teilnehmer des Runden Tisches begrüßen den offiziellen Arbeitsbesuch von Bundeskanzler Kohl in der DDR. Sie bringen die Erwartung zum Ausdruck, dass der Besuch zum Ausbau in den Beziehungen zwischen der DDR und der BRD beiträgt.

Der Besuch sollte den politischen und ökonomischen Rahmen für die weitere Gestaltung der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD abstecken sowie konkrete Schritte vorbereiten, die zu einer engeren Kooperation führen. Das betrifft unter anderem Fragen der Zusammenarbeit auf den Gebieten Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, Umweltschutz.

Die Teilnehmer des Runden Tisches appellieren an Ministerpräsident Modrow und Bundeskanzler Kohl, die Gespräche und deren Ergebnisse in Richtung Kooperation und Kommunikation zum Wohle der Bürger ihrer beiden Staaten zu lenken. Die Souveränität und staatliche Identität jedes der beiden deutschen Staaten darf durch keine Seite in Frage gestellt werden."

Des weiteren verabschiedeten die Teilnehmer eine Erklärung zur Situation in Rumänien. Darin heißt es unter anderem: "Wir fordern von der rumänischen Partei- und Staatsführung, nicht länger mit brutaler Gewalt gegen das eigene Volk zu regieren und einer demokratischen Entwicklung nicht länger im Wege zu stehen." Die Erklärung wird der Regierung der DDR mit der Bitte übergeben, entsprechende Konsequenzen - wie die Aberkennung des Karl-Marx-Ordens an Nicolae Ceauşescu und die Einstellung jeglicher Unterstützung der Regierung - zu ziehen. Dieser Erklärung wurde mit großer Mehrheit zugestimmt.
(Die Beratungen dauerten bei Redaktionsschluss an)

Neue Zeit, Di. 19.12.1989


Pressemitteilung der CDU zum "Runden Tisch"

Die intensiven Bemühungen, vor denen die Teilnehmer diesmal standen, um sich überhaupt eine tragfähige, rechtliche und materielle Arbeitsgrundlage zu schaffen, zeigen ganz ähnlich wie unser Sonderparteitag, welche großen Aufräumaktionen noch nötig sein werden, ehe unsere Demokratie neu funktionieren kann.

Auf der anderen Seite unterstreicht die - maßgeblich von unserer Partei formulierte - Erklärung zu Rumänien, dass der Runde Tisch nicht nur DDR-Probleme sieht, sondern auch an andere Völker denkt.

Ein wesentliches Ergebnis ist, dass der Runde Tisch in einem Votum die Position der Modrow-Regierung für ihre Verhandlungen mit Bundeskanzler Kohl unterstützt. Die Begegnung in Dresden sollte zu einer Erklärung beider Regierungen führen, dass sie sich ihrer Verantwortung für Stabilität und Sicherheit in Europa bewusst sind. Die Abschaffung der Visapflicht und des Mindestumtausches darf nicht zum Ausverkauf der DDR und zur Einreise von Neonazis führen.

Neue Zeit, Di. 19.12.1989

Der erste Beschluss an diesem Tag ist die Zulassung der Übertragung durch Radio DDR.

Der Zentrale Runde Tisch beschließt, den neuen Gruppen, Vereinigungen und Parteien die Nutzung des Gebäudes der bisherigen SED-Kreisleitung in Berlin-Mitte, Friedrichstraße 165, zu übergeben. Eigentumsrechte sind damit nicht verbunden. Eigentürmer blieb die SED. Drei Tage später beschließt es auch der Ministerrat der DDR.

Die Kontaktgruppe der neuen Parteien und Gruppierungen stellte den Antrag, die Zahl der Sitzungsteilnehmer am Runden Tisch nicht zu erweitern.

Mit 21 Jastimmen wird ein Antrag angenommen, Mitglieder von Organisation am Runden Tisch, die keine Partei sind, dürfen nicht gleichzeitig Mitglied einer Partei sein.

Für die Sitzung am 18.12.1989 wird dieser Beschluss mit den Stimmen 20/10/2 ausgesetzt

Die Mitgliedschaft des Freien Deutscher Gewerkschaftsbund und des Unabhängige Frauenverband, die schon bei der ersten Sitzung teilnahmen, wird bestätigt.

Der Antrag des Demokratischen Frauenverbandes auf Zulassung zum Runden Tisch wird mit 21 zu 9 Stimmen abgelehnt.

Für eine Vollmitgliedschaft am Runden Tisch bekommt die Freien Deutschen Jugend und der Kulturbund keine Mehrheit.

Nachdem der Antrag der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe auf Sitz und Stimme am Runden Tisch abgelehnt wurde, sagte der Erste Sekretär des Zentralvorstandes, Manfred Scheler, "Dann werden die Bauern nicht mehr so ruhig bleiben, wie sie es bisher waren".

Als Ausgleich für die Aufnahme der Grüne Liga als Vollmitglied am Runden Tisch erhält die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe dann doch Sitz und Stimme.

Beobachterstaus erhalten der Demokratische Frauenbund Deutschlands, die Freie Deutsche Jugend, die Katholische Laienbewegung, der Kulturbund der DDR und der Verband der Konsumgenossenschaften der DDR.

Der Antrag der LDPD "Die Teilnehmer des Runden Tisches wenden sich an die Bürger der Stadt Plauen mit dem dringenden Appell, mit Konstruktivität, Ruhe und Besonnenheit die Erneuerung unseres Landes zu befördern", wird 20 Nein-, 12, Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen abgelehnt.

Vor dem Sitzungsort werden Flugblätter verteilt, indem kritisiert wird, dass ab dem 01.01.1990 Bundesbürger ohne Visum in die DDR einreisen dürfen und der Mindestumtausch abgeschafft wird.

Nach einer Bombendrohung wird die Sitzung unterbrochen und nach Durchsuchung des Gebäudes fortgesetzt

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