LVZ sprach mit PETER J(...), Technologe im Schwertransport Leipzig, Betriebsrat

Kollege J(...), Sie sind kurz vor Weihnachten als eines von sieben Mitgliedern des Betriebsrates im Betriebsteil Schwertransport des VEB Kraftverkehr Leipzig gewählt worden. Was war der Grund für die Wahl eines Betriebsrates?

PETER J(...): Ein Grund waren die gehäuften Austritte von Kollegen unseres Betriebsteils aus dem FDGB im Oktober/November. In diese Zeit fiel auch der Rücktritt der BGL im VEB Kraftverkehr. Die AGL bei uns löste sich auf. Die Belegschaft war aber der Meinung, dass sie sowohl eine Interessenvertretung gegenüber der staatlichen Leitung braucht als auch ein Organ, das die Gesamtinteressen des Betriebes vertritt. Um es klar auszusprechen: Der Betriebsrat ist kein Konkurrenzunternehmen für die Gewerkschaft. Wir sind im Gegenteil interessiert an der Einheitsgewerkschaft und an einer starken Industriegewerkschaft. Alle sieben Mitglieder des Betriebsrates gehören unserer Gewerkschaft an, und wir werden nach dem Außerordentlichen FDGB-Kongress wieder eine Gewerkschaftsorganisation im Betrieb haben. Aber unser Betriebsrat stellt sich andere Aufgaben. Er wird künftig ein Wort bei der Entwicklung unseres Betriebes mitsprechen.

Aber dafür ist doch der staatliche Leiter zuständig . . .

PETER J(...): Das ist eben der springende Punkt. Wir sind in den letzten Jahren als Betriebsteil des VEB Kraftverkehr nur den Berg hinabgefahren. Wir konnten uns zum Beispiel leisten, teure Zugmaschinen ein halbes Jahr stehen zu lassen, nur weil einige D-Mark für Ersatzteile nicht da waren. Solche und andere Entscheidungen wurden ohne den Blick für eine gesunde Ökonomie und für unsere spezifischen Belange im Stammbetrieb, dem VEB Kraftverkehr, getroffen. Dagegen konnte auch unser Betriebsteilleiter wenig ausrichten. Damit muss nun Schluss sein, denn es ist fünf Minuten vor zwölf. Wir als Betriebsrat wollen, dass unser Betrieb wieder juristisch und ökonomisch selbständig wird.

Wie sind Sie bei der Wahl des Betriebsrates vorgegangen?

PETER J(...): Streng demokratisch. Es wurde eine Betriebsversammlung einberufen, auf der sich eine Mehrheit für die Wahl eines Betriebsrates aussprach. Daraufhin wurde die Wahl des Betriebsrates in geheimer Abstimmung durchgeführt. Von 183 stimmberechtigten Kollegen gaben 125 ihr Votum, vier Stimmen waren ungültig. Unter den gewählten sieben Mitgliedern des Betriebsrates ist auch eine Frau. Wir sind in der Mehrzahl Angestellte, ich persönlich hätte es gern gesehen, wenn einige Kollegen vom fahrenden Personal dabei wären. Vielleicht sind sie zu wenig bekannt, da sie häufig auf Achse sind.

Wie soll es nun weitergehen?

PETER J(...): Wir sind dabei, eine Betriebsvereinbarung mit unserem Betriebsteilleiter auszuarbeiten, dem wir übrigens unser Vertrauen ausgesprochen haben. Danach werden wir ein Aktionsprogramm zu Papier bringen. Im übrigen bezeichnen wir uns als provisorischer Betriebsrat. Wir handeln zwar entsprechend den bestehenden Gesetzen, insbesondere der Verfassung, sind aber bereit, bei entsprechender Gesetzgebung das Aktionsprogramm neu zu fassen und auch eine Neuwahl durchzuführen.

Was motiviert Sie persönlich, sich für die Bildung eines Betriebsrates zu engagieren?

PETER J(...): Ich bin fast 40 Jahre Gewerkschaftsmitglied und habe mir angewöhnt, alles vom politischen Standpunkt aus zu sehen.

(Mit P. J(...) sprach MARTIN SCHROETER)

aus: Leipziger Volkszeitung, Nr. 2, 03.01.1990, 45.(96.) Jahrgang, Organ für die Interessen des werktätigen Volkes, Herausgeber: Bezirksleitung Leipzig der SED-PDS