"Daten reichen nicht aus"

Günter Nooke, Mitglied des Verwaltungsrats der Treuhandanstalt, über die Privatisierung in der DDR

INTERVIEW

Günter Nooke (31) ist Volkskammerabgeordneter in der Fraktion Bündnis 90/Grüne und Mitte Juli vom Parlament als Oppositionsvertreter in den Verwaltungsrat der Treuhandanstalt gewählt worden.

taz: Die Treuhandanstalt will Liquiditätskredite nun nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip verteilen, sondern selektiv. Wie soll das geschehen?

Günter Nooke: Ziel ist, dass die Betriebe selbst an den Kreditmarkt gehen. Die Treuhand kann dazu den Druck auf die Betriebe verstärken, indem sie die Prozentsätze heruntersetzt, zu denen Kreditwünsche erfüllt werden. Aber da gibt es keine Patentrezepte.

Wie wird mit den 120 Milliarden D-Mark Altschulden verfahren?

Es gibt Anzeichen dafür, dass diese Altschulden gestrichen werden und die fälligen Zinszahlungen von der Treuhand übernommen werden. Allerdings wurde aus Bonn angedeutet, dass die Betriebe gezwungen werden sollen, mit diesen Altlasten effektiv zu wirtschaften. Das ist ein ziemlich verheerender Gedanke, zumal sie ja keine richtigen Kapitalschulden sind.

Wie wird denn die Sanierungsfähigkeit eines Betriebes beurteilt?

Es werden natürlich die ganze Zeit Daten erhoben. Dass dies nicht ausreicht, um einen Überblick über 8 000 Betriebe zu gewinnen und auch noch eine marktwirtschaftliche Analyse vorzunehmen, liegt auf der Hand. Schwierig ist sicherlich das Fehlen einer Rechtsgrundlage, die die Bewertung des Vermögens ermöglichen würde. Das hält westliche Investoren von weiterem Engagement ab.

Und setzt die Treuhand unter Druck?

Solange die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind, sitzt der potentielle Investor am längeren Hebel und wartet, bis er den Betrieb billig bekommen kann. Aber hier verfügt die Treuhand über gute Möglichkeiten, konkurrierende Angebote einzuholen. Problematisch wird es, wenn die Angebote direkt vor Ort geprüft werden. Die alten Seilschaften bewirken dann zuweilen, dass andere Angebote gar nicht mehr gehört werden. Sicher spielt da auch - das muss man wohl so sagen – an der Basis so etwas wie Korruption eine Rolle.

Gibt es diese alten Seilschaften auch in der Treuhand?

Es ist klar, dass man mit alten Leuten leben muss. Ich gebe zu, dass sich manche Sachen in der Treuhand von der Personalstruktur her als zunehmend problematisch erweisen. Aber das sind Fragen, die vom Vorstand zu bearbeiten sind. Und so einfach wird man da nicht zu einem Nachweis kommen.

Doch das ganz zentrale Problem ist zur Zeit der Aufbau der vier Treuhand-AGs. Bei der Schwer- und der Investitionsgüterindustrie wird es in den nächsten Tagen bereits zu ersten Vereinbarungen kommen. Das muss möglichst schnell auch für den Dienstleistungs- und Konsumbereich gelten. Natürlich sind die neuen Aufsichtsräte der Treuhand gleichzeitig auch mögliche Investoren. Da sind politisch scheinbar keine anderen Konzepte möglich gewesen.

Interview: Claudia Wuttke

die tageszeitung, Di. 14.08.1990

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