Wie funktioniert das Sömmerdaer Modell?

Die vorgeschlagene Lösung sieht folgende Regelungen vor:

Das Eigenkapital wird zu 75 Prozent von der Belegschaft und zu 25 Prozent als Treuhandvermögen gehalten. Das Belegschaftskapital ist "Eigentum zur gesamten Hand". Dadurch wird sichergestellt dass einzelne Belegschaftsmitglieder ihre Kapitalanteile nicht verkaufen können.

Für die zu gründende Aktiengesellschaft ist eine paritätische Mitbestimmung vorgesehen. Danach besteht der Aufsichtsrat aus 16 Mitgliedern. Acht Arbeitnehmer kommen von der Belegschaft und der Gewerkschaft; acht Kapitalvertreter werden so gewählt, dass nur hochqualifizierte Vertreter mit mehrjähriger Erfahrung in der Unternehmensführung zugelassen sind.

Das Vorstandsmitglied für Personalwesen, sprich der Arbeitsdirektor kann nicht gegen die Stimme der Arbeitnehmer gewählt werden.

Nach Bildung der Aktiengesellschaft als dem ersten Schritt kann im zweiten Schritt über die Beteiligung von Westfirmen verhandelt werden. Die Attraktivität für westliche Kapitalbeteiligungen bleibt erhalten.

Das Sömmerdaer Modell geht von der Grundpostion aus, dass ein Unternehmen "eine hochkomplexe Veranstaltung" ist. Höchstqualifikation ist dabei auf der Ebene der Entscheidungsfindung unerlässlich. Das schließt Tendenzen zu überholten Experimenten der Arbeiterselbstverwaltung ebenso aus wie Fehlbesetzungen im Aufsichtsrat. Die professionelle Besetzung der Kapitalbank im Aufsichtsrat sowie die professionelle Vertretung des Belegschaftskapitals in der Hauptversammlung (HV) sind zentrale Bestandteile des Sömmerdaer Modells.

Wie funktioniert das Sömmerdaer Modell?

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Ein Brief im Namen dar Vertrauensleute an de Maizière

Die BGL des Büromaschinenwerkes Sömmerda ROBOTRON wandte sich im Namen der Vertrauensleute mit einem Brief an den Ministerpräsidenten. Darin hieß es unter anderem:

Am 14. März 1990 hatten wir an den Ministerrat einen Antrag auf Umwandlung des BWS in eine Aktiengesellschaft gestellt. Grundanliegen war dabei nicht nur, 75 Prozent des Aktienkapitals in Belegschaftshand zu überführen. Darüber hinaus hatten wir zwei Satzungen erarbeitet.

Die Treuhandanstalt hat diesen Antrag bisher nicht bewilligt. Deshalb wurde vom Betriebsdirektor des BWS am 10. Mai erneut ein Antrag auf Umwandlung gestellt, dem wir eine eigene Stellungnahme beigefügt haben.

Die Vertrauensleute bitten Sie nunmehr, den Weg für die von uns vorgeschlagene erweiterte Lösung durch die Schaffung entsprechender Gesetze allgemein für die DDR freizugeben. Damit die in Sömmerda erarbeitete Mustersatzung für eine Aktiengesellschaft Kern einer in der Koalitionsvereinbarung angekündigten allgemeinen Mitbestimmungsregelung auf Unternehmerebene wird.

Die von uns erarbeitete Unternehmensverfassung läuft auf ein professionelleres Mitbestimmungssystem hinaus, als es derzeit in der BRD gegeben ist. Wir haben damit die Grundlage für eine Mitbestimmungsregelung gelegt, die nicht nur das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit auszubalancieren versucht. Sie zielt gleichermaßen auf Produktivität und Effizienz ab, auf die es in der besonderen Situation unseres Landes in hohem Maße ankommt. Wir bringen deshalb die von uns erarbeitete Mustersatzung für eine Aktiengesellschaft in die Diskussion eines jetzt zu erarbeitenden Mitbestimmungsgesetzes ein. (Desgleichen: Satzung eines Gesamthandfonds, d. R.)

Unabhängig von dieser Mitbestimmungslösung fordern die Vertrauensleute von ROBOTRON Sömmerda die Regierung auf, das Volkseigentum für die DDR zu sichern. (Sömmerda, 10. Mai 90)

Die Vertrauensleute machen darüber hinaus den Vorschlag, die neben den 75 Prozent Belegschaftskapital verbleibenden 25 Prozent Treuhandkapital in eine regionale Treuhandanstalt einzubringen.

Tribüne, Do. 07.06.1990


VEB Robotron Büromaschinenwerk "Ernst Thälmann" Sömmerda

Im Januar 1990 kam es zum ersten Warnstreik. Er richtete sich hauptsächlich gegen die SED.

Im Februar und März 1990 wurde von den Vertrauensleuten des FDGB, der IG Metall Ost und der IG aus Hessen ein "Sömmerdaer Modell" entwickelt, das auch als Modell für andere Betriebe in der DDR gelten sollte. Es sah vor, das Büromaschinenwerk in eine Aktiengesellschaft zu überführen. 75 % der Anteile sollten die Mitarbeiter halten und die restlichen 25 % sollten auf die Treuhand, Banken, Westkapital übergehen.

Durch eine Klausel war selbst bei Aktienverkauf eine Mehrheit durch die Arbeitnehmer garantiert. Am 14. März 1990 wurde ein Antrag an den Ministerrat der DDR gestellt, den Betrieb nach diesem Konzept umzustrukturieren. In einem Gespräch mit der Betriebsleitung wurde der Antrag am 25. April 1990 von der Treuhand abgelehnt. Mit den Mitarbeitern wurde erst gar nicht gesprochen. Zum 1. Juni 1990 wurde das Werk in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, deren Anteile zu 100 % auf die Treuhand übergingen.

Hatte das Büromaschinenwerk 1989 noch fast 14 000 Beschäftigte, so ging es nach der Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zum 1. Juni 1990 mit der Anzahl der Arbeitsplätze rapide abwärts. Innerhalb eines halben Jahres schieden über 2 500 aus. Alle Konzepte sahen einen weiteren drastischen Personalabbau vor. Gegen den Personalabbau gab es so gut wie keine Proteste. Überwog doch noch die Hoffnung wenigstens noch eine Anzahl von Arbeitsplätzen retten zu können. Als dann im September 1991 die Liquidation und die Kündigung aller zum 31. Dezember 1991 beschlossen wurden, kam es zu Demonstrationen vor dem Werk und der Treuhand in Berlin.

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