Es gibt viel zu tun!
Lassen wir's sein?

Aktion 1295 - Bürgerinitiative Klosterfelde mischt mit

Wann hat es eigentlich begonnen, daß auch Klosterfelder(innen) merkten: Resignation, Stammtischopposition, Eingaben und auch öffentliches Meckern reichen nicht mehr aus? Dem verzahnten und verfilzten Schlamassel made in G.D.R. schien doch jahrelang nicht beizukommen ...

Genau lässt sich der Anfang nicht mehr datieren. "Irgendwann im Herbst anno '89" werden wir unseren Kindern und Enkelkindern erzählen. "Hohle Phrasen von oben, Angst vor der Wahrheit und mangelnde Courage auch bei uns unten, schließlich Massenflucht und die Gewalt der Sicherheitskräfte ergaben eine hochexplosive Mischung zum 40. Jahrestag der DDR."

Und falls wir das unseren (Enkel-) Kindern noch erzählen können - die hohlen Phrasen, die die weltweiten Probleme verkleistern, könnten das ja verhindern -, dann könnten wir sagen: "Moment, ihr Quälgeister. Hier, lest mal diesen Artikel aus dem 'holzarbeiter-echo' vom Februar '90. Da steht was drin über die Anfänge in Klosterfelde."

Folgendes könnten die Kinder da lesen:

Mitte September '89, die Schleusen für die Massenflucht via Ungarn öffneten gerade, erschien ein Aufruf zum demokratischen Dialog in der DDR: Die Probleme im Land haben die Situation so sehr zugespitzt, dass wir das offene Gespräch darüber und über die Zukunft unbedingt beginnen müssen. "Aufbruch - NEUES FORUM" stand über dem Aufruf, der endlich eine Alternative zur Stagnation des sogenannten Demokratischen Zentralismus der SED darstellte.

Bevor deren damaliger Generalsekretär zynisch erklären ließ, für ein neues Forum bestünde keine gesellschaftliche Notwenigkeit, hatten schon Zigtausende den Aufruf unterschrieben, auch Leute aus Klosterfelde. Und als die offiziellen Jubelfeiern zum 40. Jahrestag mit Knüppeln und "Zuführungen" vor dem eigenen Volke geschützt werden mussten, unterschrieben noch mehr. Ende Oktober waren es mindestens 100 Klosterfelder(innen).

Da setzten sich am 29. Oktober 1989 fünf Leute in ein Wohnzimmer, planten eine Versammlung, damit die Unterzeichner zusammen überlegen könnten, was dran ist. In dieses Planen kommt die Nachricht: Am Rat der Gemeinde hängt ein kleiner Zettel, auf dem steht: "Dialog, Mo, 30. 10. 19 Uhr, Kulturhaus der Holzarbeiter." Also planten die fünf um und gingen am nächsten Abend mit über 200 anderen Klosterfeldern ins Kulturhaus. Trotz der überfüllten Enge hinten saßen vorn im Präsidium mit viel Platz um sich Herr Kramer, Vorsitzender des Rates des Kreises, samt Untergebenen, auch Bürgermeister Harz, welcher die neuerliche, von oben verordnete Meckerrunde nicht sehr sinnig fand.

Die Probleme angstfrei angesprochen, diskutiert

Sinnvoll war aber für die meisten Bürger(innen) die Erfahrung, dass viele andere die Probleme so angstfrei ansprachen und diskutierten. Da zog weder die übliche Vorwahlmasche (kleine Probleme sofort angehen, bei grundsätzlichen prinzipielle Bereitschaft zeigen und dann abwarten, dass die Bürger resignieren), noch verfing die üble Angstmache des Genossen Abgeordneten der Volkskammer, der elegant verpackt erklärte, das Neue Forum krieche aus dem Schoß, der schon immer die Gefahr (für wen nur?) in sich barg: aus dem kirchlichen. Beides zog also nicht mehr.

Aber gut 200 Leute gegen am 3. November in die Klosterfelder Kirche, wohin besagte fünf Leute etwas unklar formuliert zur "Initiative Neues Forum" eingeladen hatten. Die Erwartungen der dort Versammelten waren sehr unterschiedlich. Manche hatten wohl "Aufbruch 89 - Neues Forum" verbreitet.

Unterschrieben wurde er u.a. von Bärbel Bohley oder andere Spitzen des Neuen Forum erwartet, andere ein Forum für weitere Diskussion vor möglichst großem Publikum. Die Einlader hatten's anders gemeint: Kein zeitraubendes Schimpfen sollte den Abend bestimmen, sondern die Bildung von Arbeitsgruppen, die einigen Problemen und den dafür Verantwortlichen effektiver zu Leibe rücken können.

Als klar wurde, dass manche Erwartungen nicht erfüllt werden konnten, dass das Weitermachen mit (z.T. mühseliger) Arbeit verbunden sein würde, ging etwa die Hälfte nach Hause. (Bei dieser Gelegenheit wurden denn auch die Stasileute gesichtet, die draußen Autonummern und drinnen anderes notierten ...). Dennoch bildeten sich acht Arbeitsgruppen, von denen noch sieben mehr oder weniger intensiv arbeiten (Siehe Kasten). Aus jeder Gruppe wurde eine(r) für die Kontaktgruppe gewählt, die die weitere Arbeit koordiniert.

Wir wollen hier bleiben, hier leben und Leben für die Nächsten ermöglichen

In den Arbeitsgruppen sind Leute unterschiedlichen Alters, verschiedenster Berufe und Anschauungen. Der gemeinsame Nenner: Wir wollen hier bleiben, hier leben und Leben für die nächsten Generationen ermöglichen - ohne Verseuchung von Luft, Boden und Wasser, ohne Angst, ohne korrupte, verantwortungslose Funktionäre, mit einer Demokratie, die von unten nach oben Entscheidungen fällt und auf die Schwachen Rücksicht nimmt.

Natürlich ging auch das politische Kalkül der unvorbereiteten Maueröffnung, Druck von der Straße und von der Basis her abzulassen, nicht spurlos an unseren Arbeitsgruppen vorüber. Zwei Versammlungen im Dezember waren wesentlich schwächer besucht, auch die Fortsetzung des "Dialogs" mit dem Rat der Gemeinde. Dennoch wurden erste Schritte gegangen, einige Erfolge schon sichtbar: z.B. wird die F 109 im Ort nicht mehr gesprüht - eine Chance für die verbliebenen und neu anzupflanzenden Straßenbäume.

Ökologische Dauerbrenner sind im wörtlichen Sinne die Müllkippe, ansonsten die im Umkippen befindliche Lottsche, der Raubbau namens Torfstich, HVW und ACZ, das verseuchte Oberflächenwasser, die praktisch nicht vorhandene Klärung der Abwässer und und und! Um mysteriösen Gebäuden und Machenschaften effektiv auf die Schliche kommen zu können, brauchen wir "gestandene Leute" und wie bei anderen Missständen die "sachdienlichen Hinweise aus der Bevölkerung". Überhaupt brauchen wir Mitstreiter(innen). Wenn Sie irgendwo mitmachen können, wenden Sie sich bitte an eine der Kontaktadressen. (Siehe Kasten).

Haben vor allem die örtlichen Fragen im Blick

Im Dezember fiel die Entscheidung, dass wir uns nicht mehr als Teil des Neuen Forum verstehen, sondern als eigenständige Bürgerinitiative mit dem Namen Aktion 1295 (sprich zwölf-fünfundneunzig), die vor allem die örtlichen Fragen im Blick hat.

Bis 31. Januar fand eine Meinungsumfrage im Ort statt. Über die Ergebnisse werden wir in der nächsten Ausgabe dieser Zeitung berichten. Um das Parteien-Dickicht dieser Tage etwas durchschaubarer zu machen, planen wir Veranstaltungen, auf der sich Vertreter von Parteien kurz darstellen und länger von den Bürger(innen) befragen lassen.

Einzelne Vertreter von 1295 arbeiten am kreislichen Runden Tisch und dem Pressebeirat des Neuen Tag in Bernau mit, auch an den Ratssitzungen in Klosterfelde sollen Vertreter teilnehmen. Für die kommen Wahlen muss in den nächsten Wochen und Monaten noch viel getan werden.

Lange genug haben wir uns 'rausgehalten. Jetzt mischen wir uns ein. Vielleicht machen auch Sie mit? Es geht um nichts Geringeres als um unsere gemeinsame Zukunft. "Denen da oben" wollen wir nicht mehr trauen ohne zu kontrollieren.

Dieter G(...)

Arbeitsgruppen & Kontaktadressen

1. Umweltschutz:
Achim S(...), Klosterfelde

2. Wirtschaft:
Peter S(...), Klosterfelde

3. Jugendarbeit:
Katrin N(...), Klosterfelde, Tel. (...)

4. Wohnungen, Bau, Straßen & Wege:
Detlef M(...), Klosterfelde

5. Demokratie & Sicherheit:
Michael T(...), Klosterfelde

6. Solidarität:
Dieter G(...), Klosterfelde, Tel. (...)

7. Bildung & Erziehung:
Ralf K(...), Prenden, Tel. (...)

aus: Holzarbeiter-Echo Nr. 2, 1. Februar-Ausgabe 1990, Betriebszeitung des VEB Holzverarbeitungswerk Klosterfelde, Herausgeber: VEB Holzverarbeitungswerk Klosterfelde

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