Do. 4. Januar 1990
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Beratung wie weiter in der Landwirtschaft
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Im "Haus der Bauern" in Berlin fand gestern eine Beratung von Landwirtschaftsexperten statt. VdgB und AdL hatten LPG-Vorsitzende, Vertreter wissenschaftlicher Institute und Einrichtungen, von VdgB und DBD eingeladen, um Ideen und Vorschläge für den künftigen Weg der sozialistischen Landwirtschaft zu diskutieren, speziell Stellung und Aufgaben von Genossenschaftsverbänden.
Einigkeit herrschte über den Ausgangspunkt und das Ziel: Es geht darum, die Probleme im Interesse der Genossenschaftsbauern und aller Landwirtschaftsbetriebe zu lösen. Da die Landwirtschaft noch ein stabiler Faktor im Land ist, die Ernährung des Volkes sichert, besteht die Tendenz, dass die Genossenschaftsbauern an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden. Hier eine schnelle politische, ökonomische und organisatorische Lösung zu finden, die auch für die Zukunft Bestand hat, ist ein Gebot der Stunde. Deshalb darf keine Zersplitterung der Kräfte, keine Uneinigkeit zugelassen werden.
Das Ziel muß sein, das Eigentum der Genossenschaftsbauern zu erhalten, die Arbeitsplätze zu sichern, dazu eine effektive Landwirtschaft zu organisieren, die den Interessen der Bauern entspricht und internationalen Ansprüchen standhält.
Über den Weg dahin wurde breit und zum Teil kontrovers diskutiert. Die Teilnehmer einigten sich auf den Konsens, die Gründung von Genossenschaftsverbänden in Territorien voranzubringen, ihre Statuten jedoch nicht im Republikmaßstab zu verallgemeinern. Weitere Diskussionen wird es im Vorfeld des Bauerntages im März geben. Eine Arbeitsgruppe von Praktikern und Wissenschaftlern unter Leitung von Parteikollegen Prof. Bernd Helmich, LPG-Hochschule Meißen, wird bisherige Erfahrungen zusammenfassen und Grundsatzfragen zu Genossenschaftsverbänden als Diskussionsstoff für die Vollversammlungen der LPG formulieren.
(Bauern-Echo, Fr. 05.01.1990)
Die Bildung eines Verbandes landwirtschaftlicher Genossenschaften in der DDR befürworteten die Teilnehmer einer Beratung am Donnerstag in Berlin. Vor LPG-Vorsitzenden, Wissenschaftlern und Politikern erklärte Manfred Scheler, 1. Sekretär des VdgB-Zentralvorstandes, Sinn und Zweck eines solchen landesweiten Verbandes sei in erster Linie die wirksame Vertretung der politischen, ökonomischen und sozialen Interessen der rund 800 000 Bauern und Gärtner und ihrer Genossenschaften in einer marktorientierten Wirtschaft.
Die Vereinigung regionaler Verbände - ihre Bildung steht in mehreren Kreisen unmittelbar bevor - soll zu steigender Effektivität der Genossenschaften und damit zu ihrer Konkurrenzfähigkeit beitragen. Die VdgB, so Manfred Scheler, verfüge über gute Erfahrungen im Genossenschaftswesen und könne in einen Verband 13 Milliarden Mark Einlagen sowie weitere Mittel und Einrichtungen einbringen. Ob der Verband unter Schirmherrschaft der VdgB gestellt wird, ist bisher nicht entschieden. Der Dachverband soll auf dem Bauerntag Ende März in Suhl gegründet werden.
(Neues Deutschland, Fr. 05.01.1990)
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Bürgerkomitees beraten
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Mehr als 30 Vertreter von Bürgerkomitees, die sich mit der Auflösung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit beziehungsweise des Amtes für Nationale Sicherheit befassen, berieten gestern in Leipzig über den derzeitigen Stand ihrer Tätigkeit. Die Ausschüsse befassten sich mit möglichen Herangehensweisen zum auch jetzt notwendigen Schutz vor Neofaschismus, Wirtschaftssabotage und Terrorismus. Sie sprachen sich über Geheimhaltungszwänge und sofortiges Handeln bei aufgedeckten Strafbeständen aus und suchten ferner nach Wegen, wie der Verfassungsschutz in Zukunft zu praktizieren sei.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
Die Vertreter der Bürgerkomitees sind sich bei ihrem Treffen in Leipzig einig, dass die SED die Verantwortung für die Tätigkeit des MfS trägt. "Damit ergibt sich die Notwendigkeit, gegen die SED-PDS wegen des Verdachts verfassungswidriger Aktivitäten zu ermitteln. Hiervon leiten wir ab, dass die immer noch bestehenden Machtstrukturen der SED-PDS aufgelöst werden müssen", heißt es in einer Pressemitteilung.
Am nächsten Tag sollten die Archive besetzt werden. Denn mit der Verkündung dieser Feststellung sei damit zu rechnen, dass Akten beiseite geschafft werden. Was nicht bedacht wurde, für die SED war das MfS "Schwert und Schild der Partei". Auf die Idee Akten verschwinden zu lassen kamen die Akteure schon früher selbst.
Das Treffen erstreckt sich über zwei Tage.
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Armeeangehörige und Zivilbeschäftigte demonstrieren gegen Neofaschismus
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Armeeangehörige und Zivilbeschäftigte der Robert-Siewert-Kaserne Neuseddin fanden sich gestern zu einer Demonstration gegen Neofaschismus zusammen. Sie bekundeten ihren Willen zur Fortsetzung der Demokratisierung der DDR. Dieser Prozess sollte nicht durch Schönhuber und Co. gefährdet werden. Die Demonstranten verurteilten die Schmierereien und Schändungen auf Ehrenfriedhöfen der Sowjetarmee. Sie forderten eine intensivere Berichterstattung in den Medien der DDR über das Gesamtproblem Neofaschismus und seine geschichtlichen Wurzeln sowie konkrete Maßnahmen der Regierung gegen den Rechtsradikalismus.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
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Demonstrationen in mehren Städten
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In Ribnitz-Damgarten ziehen Demonstranten vor das Haus der SED-PDS-Kreisleitung. Sie protestieren gegen die katastrophalen Zustände im Gesundheitswesen. Mit Erfolg wird gefordert, das Gebäude der Kreisleitung für eine Klinik zur Verfügung zu stellen.
Als der Demonstrationszug in Gera am Objekt der Bezirksverwaltung des Amtes für Nationale Sicherheit vorbeizieht, versucht eine Gruppe in das Gebäude einzudringen. Ordner können sie davon abhalten.
Demonstriert wird auch in Erfurt.
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Stopp von Müllimporten gefordert
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Den Stopp von Müllimporten aus Berlin (West) und Stuttgart forderten Bürger Ketzins gestern bei einem Protestmarsch zur Deponie unweit der Stadt.
Sie blockierten für eine Stunde die Zufahrt zu dem 90 Hektar großen Gelände, auf dem seit 1977 Hausmüll, Filterkuchen aus Entgiftungsanlagen und andere Schadstoffe verbracht werden.
Die Deponie vor Ketzin liegt in einem Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiet. 1974 wurde zwischen der DDR-Regierung und dem Senat von Berlin (West) ein Vertrag über ihre Nutzung für 20 Jahre abgeschlossen. Nach Recherchen der Bürgerinitiative ist der Standort auf Grund der Bodenverhältnisse völlig ungeeignet. Durch Salze und organische Substanzen würden Grund- und Oberflächenwasser erheblich belastet.
Umweltschützer aus der DDR und der Bundesrepublik haben am selben Tag vor der Deponie Schönberg erstmals gemeinsam gegen Mülltransporte aus der BRD in die DDR protestiert.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
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Gewerkschaftshochschule in Bernau organisiert Treffen
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Die Gewerkschaftshochschule in Bernau organisiert gemeinsam mit dem Vorbereitungskomitee für den außerordentlichen FDGB-Kongress vom 12. bis 14. Januar ein Treffen mit Gewerkschaftern. Dazu werden Mitglieder aller Industriegewerkschaften und Gewerkschaften, interessierte Vertreter von Parteien, Organisationen und Bürgerbewegungen, von Initiativgruppen neuer Gewerkschaften, der Kirche sowie Wissenschaftler und Künstler eingeladen. Die Teilnahme ist bis zum 8. Januar an Jürgen Prang, Gewerkschaftshochschule "Fritz Heckert", Fritz-Heckert-Straße 1, Bernau, 1280, zu melden.
(Neues Deutschland, Do. 04.01.1990)
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Gewerkschaftsorganisation der Berufssoldaten gegründet
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Am Freitag übergab Oberstleutnant Schur ND die Information, dass am 4. Januar 1990 an der Militärpolitischen Hochschule "Wilhelm Pieck" eine Gewerkschaftsorganisation der Berufssoldaten gegründet wurde. Ihr gehören gegenwärtig Armeeangehörige im Dienstgrad Unteroffizier bis Oberst an. Sie ist für alle Berufskader der Streitkräfte offen. Für den 13. Januar 1990 um 10 Uhr lädt die Gewerkschaftsgruppe Vertreter von bestehenden oder sich bildenden Verbänden, Initiativ- und Gewerkschaftsgruppen zu einer Beratung ein. Ziel ist eine weitere Klärung der Möglichkeiten und Wege, in Zukunft die soziale Absicherung der Berufssoldaten zu gewährleisten.
(Neues Deutschland, Sa. 06.01.1990)
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Mitglieder der linken Fraktion des Demokratischen Aufbruchs beraten über weitere Schritte
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Friedrich Schorlemmer, Sonja Schröter (stellvertretende Vorsitzende), Christiane Ziller und andere Mitglieder der linken Fraktion des "Demokratischen Aufbruchs - sozial-ökologisch" äußerten sich auf einem Arbeitstreffen besorgt über die Gefahr einer weiteren Zersplitterung in der demokratischen Erneuerungsbewegung.
Deshalb beschlossen die Versammelten mehrheitlich, sich auf der Basis ihres "Leipziger Programms" auf die SDP zuzubewegen. Angestrebt wird eine starke rot-grüne Partei.
(Neue Zeit, Fr. 05.01.1990)
Leipzig (JW) Auf einem Arbeitstreffen von Mitgliedern der linken Fraktion des "Demokratischen Aufbruchs - sozial-ökologisch" wurde übereinstimmend die Gefahr einer weiteren Zersplitterung in der demokratischen Erneuerungsbewegung als solche erkannt. Deshalb beschlossen die Versammelten mehrheitlich, sich auf der Basis ihres "Leipziger Programmes" auf die SDP zuzubewegen und damit auch der Erwartung der Bevölkerung nach klar erkennbaren Parteiprofilen zu entsprechen. Dieser Schritt sei zugleich eine Aufforderung an alle ökosozial orientierten Kräfte, sich programmatisch, strukturell und personell in einer starken rot-grünen Partei zu vereinen.
(Junge Welt, Fr. 05.01.1990)
Während Friedrich Schorlemmer sich der SDP anschloss, sahen Christiane Ziller und Sonja Schröter in Demokratie Jetzt ihre neue politische Heimat.
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DIE NELKEN wollen sich gründen
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Am 15. Januar wollen sich DIE NELKEN als marxistische Partei gründen. Welche Ziele die Gruppe verfolgt, entnahmen wir einem Positionspapier der NELKEN.
In diesem Dokument wird der Kampf um einen sozialistischen Entwicklungsweg der DDR als Hauptziel genannt. Durch ein gemeinsames Handeln der marxistischen Kräfte soll die Entwicklung kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse verhindert werden.
Als notwendig erachten DIE NELKEN eine umfassende Wirtschaftsreform. Aus ihrer Sicht schließt das ein die Herstellung und Sicherung des gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln der Groß- und Grundmittelindustrie bei gewinnorientierter Eigenverantwortung der Kombinate und Betriebe; die Erneuerung der materiell-technischen Basis durch moderne Technologien bei schrittweiser Verbesserung der ökologischen Gesamtsituation eine gleichberechtigte internationale Wirtschaftskooperation bei Herausbildung einer effektiven Wirtschaftsstruktur im Inland; eine Marktwirtschaft bei gesellschaftlicher Rahmenplanung zur Sicherung der Bedürfnisse der Menschen: die materielle Sicherung des gesellschaftlichen Lebens durch Besteuerung.
DIE NELKEN betonen den Zusammenhang von Wirtschafts- und Gesellschaftsreform. Sie streben eine Gesellschaft an, die die freie Entwicklung aller garantiert, in dem sie die Freiheit jedes einzelnen Menschen verwirklicht. Sie wollen ihren Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung eines Sozialismusmodells leisten.
Beseitigt werden sollen die Strukturen, die zu den von der SED-Führung zu verantwortenden Verbrechen am Volk geführt haben. Die direkte Einflussnahme der Werktätigen auf Politik und Wirtschaft soll durchgesetzt werden.
DIE NELKEN wollen an einer gemeinsamen Plattform aller demokratischen linken Kräfte mitwirken und mit allen demokratischen Organisationen zusammenarbeiteten, und sie treten gegen Nationalismus und faschistische Ideologie auf.
In den Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten plädieren DIE NELKEN für ein umfassendes Vertragswerk mit der BRD auf politischem, ökonomischem, ökologischem, juristischem, kulturellem und sozialem Gebiet.
In dem Papier fordern DIE NELKEN des weiteren die umfassende Kontrolle des Staates durch die Bürger, die Bildung von Betriebsräten und den Erlass eines Betriebsverfassungsgesetzes sowie die Aufnahme der Institution des Volksbegehrens in die Verfassung.
Es soll ein Rechtssystem der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Ausführung und Rechtsprechung hergestellt werden. Konkret bedeutet das die direkte Unterstellung der exekutiven Organe unter die Volksvertretungen, die jederzeitige Rechenschaftslegung und Abwahl von Volksvertretern durch die Wahlversammlung des Wahlkreises sowie die generelle Freistellung der Volksvertreter von der Arbeit zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben, verbunden mit einer Tätigkeitsbeschränkung auf maximal zwei Wahlperioden.
(Berliner Zeitung, Do. 04.01.1990)
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Ein Gründungsausschuss für eine Freie Demokratische Partei tritt an die Öffentlichkeit
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Ein Gründungsausschuss für eine Freie Demokratische Partei (F.D.P.) ist Ende vergangenen Jahres in Berlin gebildet worden: In einer Pressemitteilung wird informiert, dass ein Gründungsaufruf und ein vorläufiges Programm beschlossen wurden.
Im Aufruf heißt es, die Freie Demokratische Partei soll eine politische Kraft der Mitte sein. Gegen totalitäre und diktatorische Bestrebungen jeder Art vertrete sie eine ideologiefreie moderne Politik ohne Bindung an irgendwelche "-ismen". Sie sei für die staatliche Einheit des deutschen Volkes in Frieden und Freiheit. Erste Schritte zu diesem Ziel seien eine Vertragsgemeinschaft und die intensive Zusammenarbeit im politischen, sozialen und kulturellen Bereich auf allen Ebenen.
(Neues Deutschland, Fr. 05.01.1990)
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Freie Deutsche Union vorgestellt
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Als neue bürgerlich-konservative Partei in der DDR, die sich den Grundwerten Freiheit, Recht und Einheit verpflichtet fühle, hat sich die Freie Deutsche Union (FDU) am Donnerstag wahrend eines Pressegesprächs in Rostock vorgestellt. Nach den Worten des 26jährigen Parteivorsitzenden, Martin Wisser, ist die FDU am 1. Dezember des Vorjahres gegründet worden und hat bisher Mitglieder vor allem im Norden des Landes. "Die FDU hat sich", so der Vorsitzende, "kompromisslos für das funktionierende, marktwirtschaftliche System entschieden und will auf dessen Grundlage eine freiheitliche und demokratische Ordnung errichten."
(Neues Deutschland, Fr. 05.01.1990)
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AG "Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft" hat sich konstituiert
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BERLIN (adn). Eine Arbeitsgruppe des Runden Tisches der DDR "Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft" hat sich konstituiert. Wie ADN am Donnerstag mitgeteilt wurde, werden Frauen aus DBD, FDGB, Grüner Liga, Initiative Frieden und Menschenrechte, LDPD, NDPD, SDP, SED-PDS, Unabhängigem Frauenverband und Vereinigter Linken in den nächsten zwei Monaten Grundsätze für eine Gesellschaftsstrategie erarbeiten, die die Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen sichert. Die Frauen der Arbeitsgruppe werden auch Vorschläge zur Schaffung dafür notwendiger Rechtsgrundlagen machen. Sie bitten die Runden Tische in den Städten und Gemeinden und darüber hinaus alle an dieser Problematik Interessierten, ihnen Ideen, Vorschläge, Gesichts- und Standpunkte zuzusenden.
(National-Zeitung, Fr. 05.01.1990)
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Deutsche Liga für Menschenrechte in der DDR gegründet
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Berlin (ADN/JW) In Berlin wurde am Donnerstag eine Deutsche Liga für Menschenrechte in der DDR gegründet. Sie fühlt sich der Tradition der 1922 geschaffenen Deutschen Liga für Menschenrechte verbunden, die im gleichen Jahr Mitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte und 1933 von den Nazis verboten wurde.
Die Liga tritt an die Stelle des seit mehr als drei Jahrzehnten bestehenden DDR-Komitees für Menschenrechte. Die Tagungsteilnehmer beschlossen eine Arbeitsgruppe für die Fertigstellung eines Statuts der unabhängigen nichtstaatlichen Organisation.
(Junge Welt, Fr. 05.01.1990)
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Für das Fortbestehen einer eigenständigen demokratischen Kultur in der DDR
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Für das Fortbestehen einer eigenständigen demokratischen Kultur in der DDR haben sich Vertreter der Künstlerverbände in einer gemeinsamen Erklärung ausgesprochen, die kürzlich in Berlin auf einer Beratung zur Vorbereitung der Gründung eines Schutzverbundes angenommen und dem Ministerpräsidenten und dem Volkskammerausschuss für Kultur zugeleitet worden ist.
"Ohne kulturelle Identität hört dieses Land auf zu existieren!" heißt es darin. "Und wir fügen hinzu: Künstler gehören zu den Wegbereitern und Erzwingern einer politischen Wende in der DDR und erheben nun Anspruch, an einer demokratischen Erneuerung unserer Gesellschaft mitzuwirken. In diesem Sinne verstehen wir die Aussage in der Regierungserklärung, die Regierung wolle den Rat der Akademie der Künste, der Künstlerverbände und aller künstlerischen Kräfte in unserem Lande hören und aufnehmen." Die Zeit dafür dränge.
Erklärungen des Kulturministers hätten Widerspruch und Besorgnis unter den Künstlern hervorgerufen. Besorgnis gelte der künstlerischen und sozialen Existenz des einzelnen Künstlers in einer Gesellschaft, in der Kunst zur Ware deklariert werde, ebenso wie einer Kulturkonzeption, in der sich "Spreu vom Weizen trennen" solle und das "Volk selbst entscheidet, was es braucht und was nicht". Unverzichtbar sei, dass die nationale Kultur in der Gesellschaft verwurzelt ist und von ihr getragen wird, was die europäische Bedeutung der DDR-Kultur ausmache und sie von der nationalen Kultur des anderen deutschen Staates unterscheide. Besorgnis herrsche auch darüber, dass "mit dem übereilten Rückzug des Ministeriums für Kultur und somit des Staates aus einer kulturellen Gesamtverantwortung, die auch eine materielle Seite hat das Feld dem freien Spiel der Kräfte überlassen bleibt - gleichgültig, um welchen Preis". Eine Kulturkonzeption, die das kulturelle Instrumentarium, zum Beispiel Verlage und Redaktionen, eilfertig kapital- und einflussreichen Meistbietern zugänglich mache, beraube eine eigenständige demokratische Kultur der DDR ihrer materiellen Wurzeln.
"Die Position der überwiegenden Mehrheit der Künstler unseres Landes ist klar: Wir waren, sind und bleiben Mitgestalter bei der demokratischen Erneuerung der DDR. Wir sind nicht Objekte von Kultur-Politik!", heißt es in der Erklärung. "Wir ersuchen den Ministerpräsidenten der DDR den in der Regierungserklärung zugesagten Rat bei den Künstlern einzuholen, bevor Entscheidungen von großer Tragweite gefällt werden. Wir ersuchen den Kulturausschuss der Volkskammer der DDR um ein Gespräch mit Vertretern der Künstlerverbände."
(Berliner Zeitung, Do. 04.01.1990)
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Präsidium des Friedensrates der DDR zurückgetreten
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Das Präsidium des Friedensrates der DDR ist zurückgetreten und hat einen Geschäftsführenden Ausschuss mit der Vorbereitung einer Tagung des Friedensrates zwecks Neukonstituierung am 24. Februar betraut.
Das teilte der Präsident des Friedensrates, Prof. Dr. Günther Drefahl, gestern in Berlin mit. Auf seiner Tagung am Mittwoch habe sich das Präsidium mit der vergangenen Tätigkeit des Rates und seiner Leitungsgremien auseinandergesetzt und den "Gegensatz zwischen dem toleranten, auf gegenseitiger Achtung beruhenden Wirken mit seinen Friedenspartnern im Ausland und den Defiziten und Versäumnissen hervorgehoben, die der Friedensrat im Lande selbst verschuldet hatte, indem er ideologischer Dominanz und zentralistisch-bürokratischem Dirigismus nicht widerstand". Jetzt seien Kontakte mit dem Neuen Forum, dem Demokratischen Aufbruch, der Jüdischen Gemeinde sowie mit kirchlichen und anderen Organisationen geknüpft worden.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
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Neues Wehrdienstgesetz wird erarbeitet
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Ein neues Wehrdienstgesetz, das noch im Januar erarbeitet wird, sieht u. a. die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf zwölf Monate und des Dienstverhältnisses auf Zeit auf zwei Jahre vor. Der Pressesprecher des Verteidigungsministeriums. Oberstleutnant Hempel, kündigte an, dass Soldaten im Grundwehrdienst des dritten Diensthalbjahres am 26. Januar 1990 wegen der neuen Regelungen vorzeitig entlassen werden. Die weitere Entlassung derzeit dienender Soldaten aus dem aktiven Wehrdienst wird nach Ablauf von zwölf Monaten vorgenommen. Soldaten und Unteroffiziere auf Zeit können beantragen, ihre Dienstzeit auf zwei Jahre zu verkürzen. Für ein Zivildienstgesetz liege ein Entwurf vor. Er sehe vor, dass der Zivildienst sechs Monate länger als der Grundwehrdienst dauert und in die Zuständigkeit des Ministeriums für Arbeit und Löhne fällt. Bausoldaten solle es dann nicht mehr geben.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
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Volkskammer aus ABI wird "Komitees für Volkskontrolle"
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Das Präsidium der Volkskammer beschloss am Donnerstag in Berlin unter Leitung von Günter Hartmann (NDPD), das Komitee der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion für den Zeitraum bis zur verfassungsmäßigen und gesetzlichen Regelung über die Volkskontrolle in der DDR mit sofortiger Wirkung der Volkskammer zu unterstellen. Es wird in das "Komitee für Volkskontrolle der DDR" umgestaltet. Die Bezirks-, Kreis-, Stadt- und Stadtbezirkskomitees der ABI sind in "Komitees für Volkskontrolle" umzugestalten. Als amtierender Vorsitzender des Komitees wurde Heinz Kittner bestätigt. Das Präsidium ließ sich bei seiner Entscheidung davon leiten, dass die DDR künftig eine auf breiter demokratischer Grundlage organisierte Volkskontrolle braucht, die den Bürgern und den gewählten Volksvertretungen verpflichtet ist.
(Neue Zeit, Sa. 06.01.1990)
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Tatverdächtige der Schändung von Gräbern im sowjetischen Ehrenhain in Gera ermittelt
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Die Kriminalpolizei ermittelte in Gera eine Gruppe Jugendlicher, die im dringenden Tatverdacht steht, in der Silvesternacht Gräber im sowjetischen Ehrenhain in der thüringischen Bezirksstadt geschändet zu haben. Es handelt sich um sechs Schüler 9. und 10. Klassen sowie einen 18jährigen Lehrling. Die Jugendlichen sind nicht vorbestraft und sollen auch nicht zur rechtsradikalen Szene gehören. Während der Untersuchungen wurde gestern Abend ein weiterer Tatverdächtiger ermittelt und vernommen. Der 19jährige Schlosser war zwar nicht unmittelbar an den Ausschreitungen beteiligt, er hatte aber die beschuldigten Jugendlichen zuvor militärisch gedrillt und im Hitlergruß unterwiesen.
(Berliner Zeitung, Do. 04.01.1990)
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Reisezahlungsmittel
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In den ersten drei Januartagen haben 229 000 DDR-Bürger 37 Millionen D-Mark Reisezahlungsmittel in Geld- und Kreditinstituten der DDR eingetauscht. Darüber informierte gestern der stellvertretende Staatsbankpräsident, Bruno Meier. Er unterstrich noch einmal, dass der Umtausch während des ganzen Jahres 1990 garantiert ist. DDR-Bürger können ab Montag auch bei den Postämtern der Deutschen Bundespost der BRD Devisen erwerben. Ein Umtausch von Teilbeträgen ist dort nicht vorgesehen.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
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Alternative Liste Die grenzüberschreitende Arbeitsaufnahme von DDR-Bürgern kann unterbunden werden
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Die grenzüberschreitende Arbeitsaufnahme von DDR-Bürgern sei genehmigungspflichtig durch die Alliierten, es gebe also rechtliche Möglichkeiten, diese "Pendlerarbeit" zu unterbinden dies erklärte gestern die AL-Fraktion und verwies dabei auf ein altes Militärgesetz, das jetzt wieder ausgegraben wurde.
Die Verordnung von 1950, Teil des sogenannten alliierten Devisenbewirtschaftungsgesetzes, verbietet "alle Geschäfte, die zum Gegenstand haben oder sich beziehen auf Devisenwerte", zitierte gestern der arbeitspolitische Sprecher der AL, Benno Hopmann, aus dem Gesetz.
Da Arbeitnehmer aus der DDR in West-Berlin in D-Mark bezahlt würden, fiele die Arbeitsaufnahme auch unter, "Geschäft mit Devisen", so Hopmann. Laut Militärgesetz braucht dies die Genehmigung der Alliierten oder von ihr beauftragter Stellen. Mompers geplanter "Genehmigungsvorbehalt" bezüglich der Arbeitsaufnahme von Pendlern sei damit "praktisch schon vorhanden", meinte Hopmann. Gewerkschafter aus West- und Ost-Berlin hatten gestern zusammen mit der AL-Fraktion eine Erklärung abgesetzt, in der sie kritisierten, dass mit der Genehmigungsfreiheit für "Pendler-Arbeit" praktisch ein "Rechtsbruch" praktiziert würde.
Die AL-Interpretation des alten Militärgesetzes wurde von der Senatskanzlei gestern allerdings nicht geteilt: diese Verordnung betreffe nur den Zahlungsverkehr, nicht aber die Beschäftigung von DDR-Bürgern, hieß es gestern in der Senatskanzlei. Für die Frage der Pendlerarbeit sei sie deshalb unerheblich.
(Volksblatt, Fr. 05.01.1990)
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GdP Verbindliche Rechtsgrundlage für Zusammenarbeit Polizeibehörden in der DDR und der BRD
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FRANKFURT/MAIN (adn). Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Polizeibehörden der Bundesrepublik mit der DDR-Volkpolizei müsse so schnell wie möglich eine verbindliche Rechtsgrundlage erhalten. Das forderte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (GdP), Hermann Lutz, im Hessischen Rundfunk.
Verdeckte Ermittlungen bundesdeutscher Beamter sollten auch auf dem Gebiet der DDR möglich sein. Grenzüberschreitende Aktivitäten ohne Formalien könnten dazu beitragen, die aufkeimende Wirtschaftskriminalität und den drohenden Ausverkauf der sozialen Sicherungssysteme" wirksam einzudämmen.
(National-Zeitung, Fr. 05.01.1990)
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Gespräch zwischen dem französischem Staatspräsidenten François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl
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Bei einem Gespräch zwischen dem französischem Staatspräsidenten François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl, meint Mitterrand, die Wiedervereinigung Deutschlands sei kein Problem, sie sei eine Realität. Aber es gibt immer noch eine Mischung von dem Europa von 1919 und 1945 und nicht von 1990. Er glaube, dass das Problem eines Volkes, das nie seine richtigen Grenzen gefunden habe, ein besonderes Problem sei.
Mitterrand fragt was mit den Staaten geschehe, die jetzt nicht in die Europäische Gemeinschaft (EG) eintreten könnten. Die EG könne sie nicht alle aufnehmen.
Bundeskanzler Kohl sagt, die Lage in der DDR sei schlechter als es die DDR-Führung darstellt. Die neuen Gruppen seien zwar von großem Idealismus getragen, jedoch nicht sehr solide strukturiert. Ein Problem sei, dass die Struktur der Blockparteien erhalten geblieben ist.
Bis April sei mit der DDR ein Vertrag über die Vertragsgemeinschaft abgeschlossen.
Mitterrand fragt, ob die Deutschen sich den Kommunismus weiter gefallen lassen würden. Was Kohl verneint, aber die erste freie Wahl werde noch kein rechtes Bild geben.
Kohl erkundigt sich, ob es in der Kommunistischen Partei Frankreichs Bewegung gebe. Was Mitterrand bejahrt.
15 bis 20 Tausend deutsche wurden aus Rumänien jedes Jahr freigekauft, berichtet Kohl. Nikolae Ceauşescu habe gut daran verdient. Er habe einen offiziellen Besuch des Bundeskanzlers gefordert, anderenfalls werde er das Abkommen nicht verlänger. 14 Tage später habe Ceauşescu mitgeteilt, er habe organisiert, dass rumänische Arbeiter den deutschen Arbeitern Lebensmittel schicken.
Zur Stabilisierung des Verbrauchermarktes und des Lebensniveaus der Bevölkerung hat die Regierung vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung spekulativer Inanspruchnahme von Dienstleistungen und Reparaturen durch ausländische Bürger getroffen. Durch die Subventionierung vieler Dienstleistungen in der DDR und ein Preisgefälle gegenüber anderen Staaten, vor allem Westeuropas, bestehen erhebliche Preisdifferenzen, die sich im Zusammenhang mit dem Umtauschkurs noch vergrößern. Die Sofortmaßnahmen richten sich vor allem gegen die Abgabe von Mehrfach- und Sammelaufträgen. Dienstleistungseinrichtungen aller Eigentumsformen sollen derartige Aufträge nur gegen Vorlage des Personalausweises der DDR annehmen. Nicht eingeschränkt sind jedoch international übliche Service-Leistungen bei touristischen Reisen, längerfristigen Besuchen und beruflich bedingten längeren Aufenthalten.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
Gewerkschaftsvertreter aus Berliner Betrieben, von Institutionen und Massenmedien rufen für den 20. Januar um 10 Uhr zu einer Demonstration auf dem Platz der Akademie auf. In Gefahr seien das Recht auf Arbeit, die soziale Sicherheit, die Rechte der Gewerkschaften, die Umwelt und die antifaschistischen Grundwerte, heißt es in dem gestern ADN zugeleiteten Aufruf.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
Nun hat auch der Sport seinen "Runden Tisch", der ebenfalls ein eckiger ist und an dem alle demokratischen gesellschaftlichen Gruppierungen und Institutionen gestern Platz nahmen.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
Der Innenminister des BRD-Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Herbert Schnoor, war gestern in Frankfurt (Oder) mit dem Vorsitzenden des Rates des Bezirks, Gundolf Baust, im Gespräch, um Möglichkeiten der Hilfe zu erörtern und abzustimmen. Daran nahmen auch Vertreter der SDP und des Neuen Forum teil. Der Minister erklärte, seine Landesregierung habe vor Weihnachten Mittel für ein "Programm Deutschland" bereitgestellt. Es enthalte einen Bürgschaftsrahmen in Höhe von einer Milliarde D-Mark für die Ansiedlung privater kleiner und mittelständischer Betriebe in der DDR sowie die Summe von 20 Millionen D-Mark für Sofortmaßnahmen.
(Berliner Zeitung, Fr. 05.01.1990)
Der Sprecherrat der Initiative Vereinigte Linke erklärt, die Zustimmung zum "Wahlbündnis 90" einen Tag zuvor, sei falsch gewesen. Von der Basis sei dazu keine Legitimation eingeholt worden.
In Berlin wird die Liga für Menschenrechte in der DDR gegründet.
In der Pülziger Gaststätte gründet sich der SDP-Kreisverband Roßlau.
Ein SDP-Kreisverband wird in Hoyerswerda gegründet.
In Dresden gründet die SDP eine Wahlkampfgruppe.
Die Gruppe Wasser des ökologischen Arbeitskreises der Dresdner Kirchenbezirke und der Förderkreis "Rettet die Elbe" aus Hamburg haben in Dresden einen außerparlamentarischen und unabhängigen Elberat zur Sanierung der Elbe gegründet.
Vom Ministerrat wird eine fünfzehnköpfige Arbeitsgruppe gebildet. Sie soll eine Konzeption für den Übergang in einen sozialverträglichen Weg in die Marktwirtschaft ausarbeiten.
Der Ministerrat fasst den Beschluss 8/14/90 "zur Unterstützung der Erneuerung der Arbeit der Nationalen Front und zur Herausbildung einer nationalen Bürgerbewegung der DDR".
Im Haus der Gewerkschaften konstituiert sich die Arbeitsgruppe "Recht" des Zentralen Runden Tisches.
An der Militärpolitischen Hochschule "Wilhelm Pieck" in Berlin-Grünau gründet sich eine Gewerkschaftsorganisation der Berufssoldaten.
Die im Militärverlag erscheinende Zeitung "Militärreform in der DDR" erscheint zum ersten Mal. Es gibt insgesamt 24 Ausgaben.
Erste Sendung des Schülermagazin "baff". Nachfolger des Magazins "mobil".
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