In zahlreichen Städten der DDR demonstrierten gestern Abend über eine halbe Million Bürger. Sie folgten einem Aufruf des Neuen Forum zu einer landesweiten Aktion gegen die Restaurationspolitik der SED und ihres Sicherheitsapparates.
Demonstrationen wurden aus Berlin, Cottbus, Dresden, Erfurt, Frankfurt (Oder), Halle, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Potsdam, Rostock und Stralsund gemeldet. Die übergroße Mehrheit der Teilnehmer sprach sich für eine gewaltfreie Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses aus.
Gestern kam es erneut in mehreren DDR-Städten zu politischen Warnstreiks, zu denen zum Teil oppositionelle Parteien und Gruppierungen aufgerufen hatten.
In Jena, Gera und Zwickau forderten Tausende ein Ende der restaurativen Bestrebungen der SED-PDS, die bedingungslose Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit und die Einstellung der Überbrückungszahlungen für ehemalige Mitarbeiter.
(Berliner Zeitung, Di. 16.01.1990)
Friedensgebete in vier Leipziger Kirchen, darunter auch in der Nikolaikirche, leiteten um 17.00 Uhr in der Bezirksstadt die zweite diesjährige Montagsdemonstration ein. Sie soll im Zeichen der landesweiten Aktion des Neuen Forum gegen die Restaurationspolitik der SED und ihres Sicherheitsapparates stehen. Im Vorfeld gab es mit Sozialdemokraten, der Initiative Frieden und Menschenrechte und weiteren oppositionellen Gruppen keine Einigung darüber, ob die Demonstration auch mit einer Kundgebung verbunden sein wird.
(Berliner Zeitung, Di. 16.01.1990)
Die Mehrzahl der 80 Angehörigen des Betriebsteils in Markranstädt des VEB Elguwa Leipzig beteiligen sich an einem einstündigen Warnstreik. Es bildet sich eine Streikkomitee. Neben den politischen Forderungen geht es auch um die Arbeitsbedingungen.
Beim VEB Kraftverkehr Wismar kommt es zu einem Warnstreik.
Dem Aufruf des Neuen Forum zu einer landesweiten Aktion gegen die Restaurationspolitik der SED und ihres Sicherheitsapparates, schließen sich in Luckau mehre Parteien und Gruppierungen an. Es findet eine Kundgebung und Schweigemarsch statt.
Auf der Demonstration in Spremberg wird die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit, die Offenlegung der Finanzen der SED und die Bestrafung der SED-Führung gefordert. Außerdem wird zur Bekämpfung von Rechts- und Linksradikalismus aufgerufen. Der Vertreter des Neuen Forum spricht sich für die Gründung der Deutschen Forumpartei aus.
Für die schnelle Einheit wird sich auf der Kundgebung nach der Demonstration in Weißwasser ausgesprochen.
Auch in Karl-Marx-Stadt wird die deutsche Einheit als Ziel genannt. Es wird sich gegen Überbrückungsgelder für ehemalige Mitglieder der Staatssicherheit ausgesprochen. Am Tag der Volkskammerwahl am 6. Mai soll ein Volksentscheid über den Namen der Stadt durchgeführt werden. Dafür spricht sich die Initiative "Für Chemnitz" aus. Eine zeitgleiche Abstimmung mit der Volkskammerwahl wird nicht zugelassen.
Auch in Altenburg, Dingelstädt, Gehren, Ilmenau und Sondershausen gehen Demonstranten gegen die SED-PDS auf die Straße.
In Bernburg ziehen die Demonstranten zum Marktplatz.