Mittwochnachmittag vor dem Haus der Gewerkschaften am Märkischen Ufer. Transparente wurden entrollt, Sprechchöre ertönten. Etwa 3 000 Berliner Eisenbahner waren gekommen. lautstark und nachdrücklich richteten sie ihre Forderungen an die Gründungskonferenz der IG Eisenbahn, schnell und energisch die Interessenvertretung der Mitglieder in die Hand zu nehmen. Mit Entschiedenheit forderten die Demonstranten, die Bau- und Werkstätteneisenbahner, die in Sorge um ihre Arbeitsplätze sind, sowie den medizinischen Dienst des Verkehrswesens nicht aus der Eisenbahn auszugrenzen. Sich anbahnende Spaltungsversuche durch eigene Organisationen für Lokführer und Angestellte wurden abgelehnt.
Kein Eisenbahner wird aufs Abstellgleis geschoben, bekräftigte vor den Versammelten Franz Kling, Vorsitzender des Arbeitssekretariats der IG. Dafür werde sich die neue Gewerkschaft stark machen.
Viele Forderungen der Demonstranten fanden in der Diskussion der Delegierten auf der Gründungskonferenz, die am Mittwoch bis in die Abendstunden dauerte und am Donnerstag fortgesetzt wurde, ihre Widerspiegelung. Detailliert diskutiert wurde der Entwurf der neuen Satzung. Zur Debatte standen unter anderem der Name der neuen Gewerkschaft, die Beitragshöhe ein Kündigungsschutz für Eisenbahner und Gewerkschaftsfunktionäre und viele andere Fragen, die vor allem die unzumutbaren Arbeitsbedingungen und dafür notwendige Lösungen betrafen.
Mit viel Beifall begrüßt wurde eine Delegation der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED). Deren Vorsitzender Rudi Schäfer sprach sich für starte Gewerkschaften in der DDR aus.
Noch am späten Mittwochabend wurde der 37jährige Peter Rothe, BGL-Vorsitzender im Fährkomplex Mukran auf Rügen, von Beruf Diplomökonom, zum Vorsitzenden der IG Eisenbahn gewählt. Er erhielt fast 85 Prozent der abgegebenen Stimmen.
(Tribüne, Fr. 16.02.1990)
Zur Gründung einer IG Eisenbahn sind gestern 220 Delegierte aus Betrieben und Einrichtungen der Deutschen Reichsbahn zu einer zweitägigen Konferenz in Berlin zusammengekommen. Die Industriegewerkschaft sofort handlungsfähig zu machen für eine echte Interessenvertretung, bezeichnete Franz Kling, Vorsitzender des Arbeitssekretariats zur Vorbereitung dieser außerordentlichen Zentralen Delegiertenkonferenz, als Arbeitsziel. Sich nur den Mitgliedern gegenüber verantwortlich zu fühlen, das heiße, sich nicht mehr in falscher „Berufsehre" abzufinden mit unzumutbaren Arbeitsbedingungen, ein unerträgliches und beschämendes Reiseniveau zu tolerieren.
Über 1 600 Vorschläge waren in den vergangenen acht Wochen dem Arbeitssekretariat zugegangen Vorläufige Satzung, heiß umstrittene Beitragsordnung, Entwurf eines Aktionsprogramms sowie erste Vorstellungen für Forderungen in bevorstehenden Tarifverhandlungen lagen zur Beratung vor. Mit demokratischer Disziplin und Eisenbahner- Gewissenhaftigkeit machten sich die Delegierten an die Arbeit. Konstruktive Vorstellungen über künftige Verkehrspolitik verlangten sie vom amtierenden DR-Generaldirektor Herbert Keddi. Er orientierte auf streitbares Miteinander und sicherte den Gewerkschaften freie Betätigung in allen Leitungen, Betrieben und Dienststellen zu. Schnelle Lösungen für anstehende Probleme waren dennoch nicht in Sicht. 5 000 Arbeitskräfte, darunter 360 Lokführer, haben die DDR verlassen. Das Arbeitskräftedefizit konnte seit Januar durch 3 000 Neueinstellungen verringert werden.
Herzlich begrüßter Gast der Konferenz war Rudi Schater, Vorsitzender der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED).
(Tribüne, Do. 15.02.1990)
Die Industriegewerkschaft Eisenbahn wird als Interessenvertreter der rund 250 000 Eisenbahner der DDR neu gegründet. Auf einer Konferenz, die am Mittwoch in Berlin begann, beraten und beschließen die über 200 basisdemokratisch gewählten Vertreter aus allen Reichsbahndirektionen die vorläufige Satzung sowie ein Aktionsprogramm und wählen den Vorstand. Bisher hatten die Eisenbahner der IG Transport- und Nachrichtenwesen angehört.
Mit einer Demonstration am Märkischen Ufer brachten am Mittwochnachmittag etwa 300 Berliner Eisenbahner ihre Forderungen an die Gründungskonferenz der IG Eisenbahn zum Ausdruck. Auf Transparenten und in einer Willensbekundung sprachen sich die Teilnehmer für eine einheitliche Gewerkschaft aus.
(Neues Deutschland, Do. 15.02.1990)
Die Gewerkschaft der Eisenbahner erhebt den Anspruch alle Berufsgruppen zu vertreten. Sie spricht sich für das Prinzip "Ein Betrieb – eine Gewerkschaft", und somit gegen die Gewerkschaft der Lokomotivführer, aus.