Um die Gunst der Wähler warben noch am gestrigen Tag Spitzenkandidaten der Parteien in verschiedenen Städten der DDR.
Beim gestrigen Aktionstag der SPD-Berlin war fast die ganze Spitzenriege der bundesdeutschen SPD erschienen, so unter anderem Hans-Jochen Vogel, Walter Momper, Egon Bahr, Horst Ehmke und Johannes Rau. Sie stellten sich am Abend gemeinsam mit der SPD-Ost in Wahlveranstaltungen ihren potentiellen Wählern.
Erste Schritte zur Sozialunion mit der BRD stellte auf einer Pressekonferenz in Berlin Lothar Pawliczak, Wirtschaftsberater der DDR-SPD, vor. Den am Montag vom Runden Tisch gefassten Beschluss über die Privatisierung des Volkseigentums bezeichnete er als "entscheidende Frage auf dem Weg zur sozialen Marktwirtschaft". Nach Auffassung von Rudolf Dreßler, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sollte sich die DDR "nichts überstülpen lassen". Sie solle ihre Identität wahren.
Auf einer Pressekonferenz in Halle sagte Lothar Späth: "Die Menschen in der DDR haben mit großer Kraft die Freiheit errungen, jetzt sollen sie auch den Mut haben, zusammen mit uns neu anzufangen und nicht vor der Fülle der Probleme resignieren."
Seine Partei wolle mit ganzer Kraft für die Rechte der DDR-Bürger streiten, betonte Gregor Gysi in Freiberg. Bei einer Vereinigung nach
Artikel 23 des BRD-Grundgesetzes gingen jedoch viele Rechte der Einwohner der Republik verloren.
Hans Modrow griff erstmals in den Wahlkampf ein. Zur Frage, ob er erneut als Ministerpräsident zur Verfügung stehe, sagte er in Waren, das würde das Wahlergebnis entscheiden. Er würde eine Wahl nicht ausschlagen. Am Nachmittag sprach der Premier vor 50 000 Zuhörern in Neubrandenburg.
In Halle, einer Station der gemeinsamen Wahlkarawane von Grüner Partei und Unabhängigem Frauenverband durch 22 DDR-Städte, forderte Henry Schramm von der Grünen Partei dazu auf, den großen Parteien auf die Finger zu schauen, damit sie nach dem 18. März ihre Wahlversprechen halten.
Für einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes warb eine Wahlkundgebung der Allianz für Deutschland mit Bundeskanzler Helmut Kohl in der Cottbuser Innenstadt.
Die Währungsumstellung müsse noch in diesem Jahr, noch vor, dem Sommer kommen und bedürfe keiner staatlichen Einheit, erklärte Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) vor etwa 50 000 in Leipzig.
(Berliner Zeitung, Mi. 14.03.1990)
Die Bundesrepublik ist auch bereit, beim Start eines modernen und sozialen Rentensystems rasche Hilfe zu geben, versicherte vor 120 000 Menschen der Vorsitzende der CDU der Bundesrepublik und Bundeskanzler Helmut Kohl auf einer Veranstaltung der "Allianz für Deutschland" auf dem Cottbuser Oberkirchplatz. Seine Rede wurde immer wieder unterbrochen von den begeisterten Rufen "Helmut, Helmut ..." der Anwesenden.
Kein Kleinsparer brauche sich um sein Sparguthaben zu sorgen, es werde im Verhältnis 1:1 umgetauscht. Unter großem Beifall verwies Kohl darauf, dass am Sonntag die Menschen in der DDR zum ersten Mal Gelegenheit haben, selbst zu bestimmen, wer ihre Interessen in der Volkskammer vertritt. In der Bundesrepublik warten rund 3 000 Unternehmen unterschiedlicher Größe, um mitzuhelfen, die marode Wirtschaft dieses Teils Deutschlands aufzubauen. Die Erneuerung der Wirtschaft hätte schon im Februar beginnen können, wenn die Regierung Modrow nicht bei der Schaffung nötiger Rahmenbedingungen zögerlich gewesen wäre Gleichzeitig gestand er Fehler bei der Entwicklung der Bundesrepublik ein, die es gilt, in der DDR nicht zu wiederholen. Gleich von Beginn an sollte ein ausgewogenes Verhältnis von Ökologie und Ökonomie gefunden werden.
Auf der gleichen Veranstaltung unterstrich der Vorsitzende der CDU der DDR, Lothar de Maizière, dass die gleichen, die uns in 40 Jahren in den Bankrott geführt haben, nun versuchen, die Menschen erneut in die Irre zu leiten. Mit der Entfachung der Diskussion um die Paragraphen 23 und 146 soll die Einheit der Nation verhindert werden.
Der Generalsekretär des Demokratischen Aufbruch, Oskar Wutzke, forderte, alles zu unternehmen, damit die Angst aus den Herzen der Menschen verbannt werde. "40 Jahre Sozialismus sind genug - wir wollen keine Experimente mehr." Hans-Wilhelm Ebeling, Vorsitzender der DSU, sagte, die Bundesbürger konnten von den DDR-Bürgern lernen, dass zu Europa auch die Menschen hinter der Oder gehören. Ein vereintes Deutschland wendet sich nach seinem Willen sowohl dem Westen wie dem Osten zu.
(Neue Zeit, Do. 15.03.1990)
Als Altstalinisten und Wendehälse beschimpfte der hessische Ministerpräsident Dr. Walter Wallmann (CDU) am Dienstag eine Gruppe Jugendlicher, die am Rande einer Wahlkundgebung der Allianz für Deutschland auf Geras Zentralem Platz DDR-Flaggen zeigten. Als die etwa 50 Jungen Leute - Vertreter des Aktionsbündnisses Vereinigte Linke, der Grünen Partei, der Alternativen Jugendliste und der Arbeitsgruppe Junge GenossInnen der PDS - kurz vor deren Ende die Veranstaltung verließen, kommentierte Wallmann: "Spalterfahnen eingerollt".
(Junge Welt, Mi. 14.03.1990)
In der DDR besteht nach Ansicht des CSU-Vorsitzenden Theo Waigel der Boden für ein Wirtschaftswunder, wie es das seit 1949 in Deutschland nicht gab. Das betonte der BRD-Finanzminister auf einer Wahlkundgebung der Deutschen Sozialen Union (DSU) in Neubrandenburg. Voraussetzung sei, dass die demokratisch gewählte Regierung der DDR nach dem 18. März möglichst schnell zu Entscheidungen in Richtung sozialer Marktwirtschaft komme. Waigel kündigte an, bei einer Währungsunion brauchten die Sparer in der DDR keine Angst zu haben. Er plädierte für eine "Stichtagsregelung, damit Spekulanten leer ausgehen".
(Neue Zeit, Do. 15.03.1990)
Waren (ADN) Die Partei des Demokratischen Sozialismus wolle eine linke Kraft sein, die dazu beitragt, dass sich in der DDR soziale Sicherheiten mit Marktwirtschaft nicht konfrontieren, sondern eine Komponente bilden. Das erklärte der für die PDS kandidierende Ministerpräsident Dr. Hans Modrow bei seinem erstmaligen Wahlkampfauftritt am Dienstagvormittag im Bezirk Neubrandenburg. In Gesprächen sagte der Premier, statt Marktwirtschaft ohne Wenn und Aber verlange er Marktwirtschaft mit sozialen Sicherheiten. Die Wahlprogramme hätten große Überschriften, aber man müsse auch die kleinen Buchstaben lesen. Demokratie und Mitbestimmung, wie im Gewerkschaftsgesetz verankert, würden künftig mehr gefragt sein als je zuvor. Viele Einwohner dankten Modrow für seine Arbeit in der Übergangsregierung.
(Tribüne, Mi. 14.03.1990)
Helmut Schmidt spricht auch in der Leipziger Karl-Marx-Universität. Er spricht sich für den Beitritt der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes aus. Die rechtliche Angleichung könne Jahre dauern. Beim Saarland waren es drei Jahre. Bei nicht so großen Unterschieden. Das vereinte Deutschland müsse der NATO angehören. Die NATO-Mitgliedschaft diene auch dazu die Deutschen unter Kontrolle zu halten. Die Länder in Europa hätten Angst ein neutrales Deutschland könne ein unkontrollierbarer Machtfaktor auf dem Kontinent werden.
Während der Wahlkampfveranstaltung der SPD in der Dynamo-Halle in Berlin, nach Ibrahim Böhmes Worte handelt es sich entgegen um eine Wahlveranstaltung, stellen sich die Kandidaten für die Volkskammerwahl vor. Niemand müsse von der SPD Angst haben, sagt Böhme. Ein Zusammengehen mit der PDS und der DSU lehne er ab. Er spricht sich für eine Währungs- und Wirtschaftsunion auf der Basis einer Sozialunion, mit starken Gewerkschaften, aus. "Wer zu Kohl geht, den bestraft das Leben", meint er.
Im Speedway-Stadion in Neubrandenburg tritt Hans Modrow für die PDS auf einer Wahlkampfveranstaltung auf. Wo er auch kandidiert. Zuvor trat er in Waren und Demmin auf.
In der Stadthalle in Karl-Marx-Stadt werben Christa Luft, Spitzenkandidatin im Bezirk, und Gregor Gysi um Stimmen bei der Volkskammerwahl
Der Vorsitzende der Demokratischen Bauernpartei, Günther Maleuda, tritt bei einer Wahlkampfveranstaltung in Wittenburg, Kreis Hagenow auf. Zuvor besuchte er das Kartoffelveredelungswerk in Hagenow.
Auf der Wahlkampfveranstaltung der "Allianz" in Halle beklagt sich Rainer Eppelmann vom Demokratischen Aufbruch über die "Verleumdungskampagne" gegen ihren Vorsitzenden Wolfgang Schnur. Der Redner von der CDU, staatstragend sei die CDU-Führung gewesen, die Basis habe schon immer die Werte der Demokratie vertreten.
Bundesfinanzminister Theo Waigel spricht auch auf einer Wahlkampfkundgebung in Stralsund.