Aus Berlin war zu vermelden, dass die SPD-Fraktion auf ihrer Donnerstagssitzung entschieden habe, informelle Gespräche mit der CDU zu führen. Die sozialdemokratischen Abgeordneten ließen sich bei diesem Entschluss, wie es in einer Erklärung heißt, "von der Mitverantwortung für unser Land" leiten. Eine Koalition mit der DSU wird weiter ausgeschlossen.
(Neues Deutschland, Fr. 23.03.1990)
Berlin/Bonn (ADN). Die SPD der DDR will der CDU und dem Demokratischen Aufbruch Koalitionsgespräche unter Ausschluss der CSU-Schwesterpartei DSU anbieten.
Darauf verständigte sich die Volkskammer-Fraktion der SPD am Donnerstag in Berlin.
Die Entscheidung sei "im Interesse der Stabilität des Landes" gefallen, hieß es am Rande der Sitzung.
Die SPD-Volkskammerabgeordneten hatten sich als erste Fraktion des Hohen Hauses konstituiert und ihren Parteivorsitzenden Ibrahim Böhme zum Fraktionschef gewählt.
Die CDU begrüße die Entscheidung der SPD-Fraktion, informelle Koalitionsgespräche zu führen. Das erklärte CDU-Pressesprecher Helmut Lück am Donnerstag. Seiner Ansicht nach wäre es wohl für die Bevölkerung und auch für viele SPD-Wähler schwer verständlich gewesen, wenn nicht einmal miteinander gesprochen würde.
Die Abgeordneten der konservativen Allianz für Deutschland werden in der DDR-Volkskammer keine gemeinsame Fraktion bilden. Wie aus einer Erklärung vom Donnerstag hervorgeht, die die Vorsitzenden Lothar de Maizière (CDU), Rainer Eppelmann (Demokratischer Aufbruch) und Hans-Wilhelm Ebeling (DSU) nach Gesprächen mit Bundeskanzler Helmut Kohl in Bonn veröffentlichten, werden die Allianz-Parteien in einer Arbeitsgemeinschaft konservativer Abgeordneter zusammenwirken.
Eine Entscheidung über die Nominierung des Kandidaten für den Ministerpräsidenten der DDR werde erst nach den Koalitionsverhandlungen erfolgen, erklärte Lothar de Maizière.
Auf einer Pressekonferenz warf der stellvertretende SPD-Vorsitzende Meckel dem Bundeskanzler Wählerbetrug vor. Mit seinen Äußerungen, die deutsche Einheit sei 1992 vollendet, gehe Kohl auf Positionen über, die er vor den Wahlen als Bremsertum bezeichnet hatte.
Es werde eine Reihe von Sachfragen geben, bei deren Lösung die SPD die Allianz unterstützen würde, käme keine große Koalition zustande, sagte Meckel. Die deutsche Einigung sei so schnell und so gut wie möglich zu vollziehen. Alles, was den Weg dazu frei mache, werde die SPD mittragen. das schließe Verfassungsänderungen ein. Der Weg in die deutsche Einheit könne nach Vorstellung der Partei über die Verbindung der Artikel 23 und 146 des Grundgesetzes erfolgen.
Denkbar sei auch, den Artikel 23 zu beanspruchen und in Verhandlungen einzutreten. Wichtig seien nicht der verfassungsrechtliche Weg, sondern die Inhalte, die den Interessen der Bürger entsprechen.
(Berliner Allgemeine, Fr. 23.03.1990)