Do. 30. August 1990

Link zum Protokoll der 33. Sitzung der Volkskammer

Link zum Länderwahlgesetz

Link zum Gesetz über die Aufageben der Polizei

Link zum Sicherung und Nutzung der personenbezogenen Daten des MfS/AfNS

Link zum Antrag der FDP-Fraktion zur Treuhand

• • Arbeitsverhältnisse im Museum für Deutsche Geschichte gekündigt

    • Betroffenheit herrschte am Donnerstag im Museum für Deutsche Geschichte Unter den Linden. Über die Medien ließ die Regierung den Museumsmitarbeitern das Ende ihrer Arbeitsverhältnisse zum 15. September ankündigen. "Gab es wirklich keine andere Möglichkeit uns zu informieren?", heißt es in einer ND übermittelten Erklärung der Mitarbeiter. "Die Nutzungsrechte am Zeughaus sollen laut Regierungssprecher dem Deutschen Historischen Museum übertragen werden. Nichts wurde gesagt zum 'lebenden Inventar', das heißt der Zukunft der rund 200 Mitarbeiter."
      (Neues Deutschland, Fr. 31.08.1990)

  • Der Vorsitzende des Arbeitslosenverbandes Etwa 1,5 Millionen DDR-Bürger ohne Arbeit

    • ADN/JW. Etwa 1,5 Millionen DDR-Bürger, das entspricht einer Quote von mehr als 18 Prozent, sind mittlerweile ohne Arbeit. Darüber informierte der Vorsitzende des Arbeitslosenverbandes (ALV) der DDR, Dr. Klaus Grehn, am Donnerstag in Berlin auf einer Pressekonferenz. "Es ist uns daher unmöglich, Auffassungen über eine Beruhigung des Arbeitsmarktes zu teilen", sagte Grehn. Nach wie vor fehlten Beschäftigungsprogramme und Konzeptionen. Arbeitslosigkeit werde verharmlost. So würden als Arbeitslose gegenwärtig nur die 350 000 Antragsteller auf Arbeitslosengeld gezählt, nicht aber die eine Million Kurzarbeiter. Diese sind faktisch arbeitslos.
      (Junge Welt, Fr. 31.08.1990)

  • Sachverständigenrat beim Ministerrat der DDR Umstrukturierung der Belegschaften durch erfahrene Personalchefs westdeutscher Firmen

    • Berlin (ADN/ND). Die Umstrukturierung der Belegschaften von DDR-Betrieben soll nach Auffassung des Sachverständigenrates beim Ministerrat der DDR durch erfahrene Personalchefs westdeutscher Firmen begleitet werden. Nach einer Presseerklärung des Sachverständigenrates vom Donnerstag meinte dessen Leiter Elmar Pieroth am selben Tage in Berlin, die durch das Arbeitsförderungsgesetz vorgesehenen Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen könnten dadurch besonders wirkungsvoll eingesetzt werden. Ein Team von Personalchefs werde bereits zusammengestellt. Ziel des Sachverständigenrates ist es, für alle 15 Bezirke der DDR in Personalfragen versierte Manager zu gewinnen. Pieroth will mit diesen Maßnahmen in der Phase der Umstellungsarbeitslosigkeit Resignation und Passivität entgegenwirken.
      (Neues Deutschland, Fr. 31.08.1990)

  • Mahnwache gegen sowjetischen Militärflugplatz in Bedrängnis

    • Potsdam (ND). Erneute Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und den Initiatoren des Zeltdorfes in der Einflugschneise des sowjetischen Militärflugplatzes bei Neuruppin konnte die Polizei in der Nacht zum Donnerstag verhindern. Rund 540 jugendliche Diskobesucher wollten mit den als Mahnwache im Zeltdorf weilenden Bewohnern gegen den Fluglärm protestieren. Dabei kam es zu Rangeleien. Bereits in der Nacht zuvor hatten randalierende Nationalisten unter "Sieg heil!"-Geschrei versucht das Zeltdorf zu überfallen. Die Randalierer waren mit Schlagwaffen ausgerüstet. Auch In diesem Fall gelang es der Polizei, durch das Gespräch mit den Jugendlichen, Gewalt zu verhindern.
      (Neues Deutschland, Fr. 31.08.1990)

  • "Die Grünen/Bündnis 90" stellen Wahlplattform vor
    Die DDR im deutschen Einigungsvertrag benachteiligt

    • Bonn (ADN). Nach Auffassung des Wahlbündnisses "Die Grünen/Bündnis 90" wird die DDR im deutschen Einigungsvertrag benachteiligt. Vertreter der am Vortag mit sechs Parteien und Gruppen aus der DDR vereinbarten Wahlplattform für die ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember warfen den Regierungen von Bundesrepublik und DDR am Donnerstag vor der Presse in Bonn vor, mit beiden Staatsverträgen der DDR bundesdeutsche Verhältnisse aufzuzwingen. Die Vertrage seien "Ausdruck ökonomischer Gewaltverhältnisse". Massenarbeitslosigkeit und Armut zeigten, dass die Schere zwischen Arm und Reich im vereinigten Deutschland größer werde.

      Die Wahlplattform wendet sich gegen Deutschtümelei, lehnt eine Integration des vereinten Deutschlands in die NATO ab und verlangt eine vollständige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands. 370 000 deutsche Soldaten seien angesichts der Entwicklung in Europa nicht notwendig. Weiter wird gefordert, dass ökologische Grundsätze vor ökonomischen rangieren sollten. Die Selbstbestimmung der Frau müsse in der Verfassung garantiert sein und es dürfe im vereinten Deutschland keine Regelung beim Schwangerschaftsabbruch geben, die hinter die derzeitigen Gesetze in der DDR zurückfalle.

      Eine direkte Koalitionsaussage zugunsten der SPD ist in der Wahlplattform nicht enthalten aber vorstellbar. Gegenüber der PDS habe das Wahlbündnis, so Verbandssprecherin Renate Damus, "eine ganz klare Abgrenzung vorgenommen".
      (Neues Deutschland, Fr. 31.08.1990)

  • Volkskammer Gesetz über die Sicherung und Nutzung personenbezogener Daten des ehemaligen MfS/AfNS soll Eingang in den Einigungsvertrag finden

    • Berlin (ND Werner/Hübner). Die Volkskammer hat am Donnerstag auf ihrer 33. Tagung der DDR-Regierung die Pflicht auferlegt, zu sichern, dass das am 24. August 1990 verabschiedete Gesetz über die Sicherung und Nutzung personenbezogener Daten des ehemaligen MfS/AfNS Eingang in den Einigungsvertrag mit der BRD findet und damit in einem künftigen Deutschland fortgeltendes Recht wird. Der entsprechende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Grüne wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen. Den Hintergrund bildet die Mitteilung des Staatssekretärs im DDR-Innenministerium, Dr. Eberhard Stief, am Mittwoch vor der Presse, das besagte Gesetz sei für Bonn "nicht konsensfähig" gewesen.

      Roland Claus (PDS-Fraktion) bezeichnete es als "besonders kritikwürdig", dass ein Gesetz, das seinerzeit mit den Stimmen aller Fraktionen gebilligt worden war, vom BRD-Verhandlungsführer missachtet wird. Heftige Kritik musste Innenminister Diestel einstecken. Er habe es als Dienstherr von Staatssekretär Stief - der zur Verhandlungsdelegation von Dr. Krause gehört - zugelassen, dass das Votum der DDR-Volksvertreter offensichtlich nicht nachhaltig genug vertreten wurde.

      Auf einer Pressekonferenz am Rande der Parlamentstagung zeigte sich Joachim Gauck (Bündnis 90/Grüne) betroffen von dieser Entscheidung, durch die die politische und moralische Aufarbeitung des MfS-Erbes erschwert wird. Werner Fischer, ehemals Regierungsbeauftragter zur Auflösung des MfS, bezeichnete es als ungeheuerlich, dass in Bonn schon zwei Tage vor der Annahme des DDR-Gesetzes beschlossen worden war, es nicht in den zweiten Staatsvertrag aufzunehmen. Man habe die Abgeordneten als Komparsen missbraucht. Als dritter in der Runde sprach der den Bürgern in der DDR als aufrechter Demokrat bekannte Theologe Dr. Wolfgang Ullmann, Vizepräsident der Volkskammer, von Brüskierung all jener, die gegen das alte Regime kämpften, eine Brüskierung der Bürgerkomitees, eine Brüskierung der Kirche. Zu der in der DDR geäußerten Furcht, MfS-Daten über DDR-Bürger könnten in die Hände bundesdeutscher Nachrichtendienste gelangen, erklärte Nordrhein-Westfalens Innenminister Schnoor in Dortmund, dies könne nur Belustigung auslösen. Derartiges Material sei schon lange "da".

      Offensichtlich unter dem Druck des eindeutigen Votums der Volkskammerabgeordneten haben sich am Donnerstagabend in Bonn beide Verhandlungsdelegationen auf eine Neuregelung zur Sicherung und Nutzung der. MfS/AfNS-Akten verständigt. Gesetzliche Regelungen wird ein künftiges gesamtdeutsches Parlament schaffen. Bis dahin soll ein Sonderbeauftragter der Bundesregierung eingesetzt werden.
      (Neues Deutschland, Fr. 31.07.1990)

  • Streitkräfte im vereinten Deutschland nicht mehr als 370 000

    • Wien. In einer "bindenden Erklärung" vor dem Plenum der Wiener Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa verpflichtete sich die Bundesrepublik in feierlicher Form, die Streitkräfte des vereinten Deutschland innerhalb von drei bis vier Jahren auf eine Personalstärke von 370 000 Mann zu reduzieren. Im Rahmen dieser Gesamtobergrenze sollen, heißt es in der von Bundesaußenminister Genscher abgegebenen Erklärung, nicht mehr als 345 000 Mann den Land- und Luftstreitkräften angehören, über die in Wien verhandelt wird. Wenn man die bisherige Friedenssollstärke von Bundeswehr und NVA zugrunde legt, werden damit die Streitkräfte des künftigen vereinten Deutschland um fast die Hälfte vermindert.

      Die Regierung der DDR befinde sich in vollem Einvernehmen mit dieser Verpflichtung, sekundierte Ministerpräsident de Maizière, der auch in seiner Eigenschaft als Außenminister für einige Stunden an die Donau geeilt war, vor dem 23-Staaten-Forum. Die Erklärung sei ein vertrauensbildender Vorgriff auf die generell anzustrebende Entwicklung in Europa. Die künftige deutsche Armee werde nicht die Addition von Bundeswehr und NVA sein. Die vom Vertrag erfaßten Waffensysteme würden um rund 50 Prozent reduziert, das betreffe auch die etwa 7 000 Panzer beider Armeen.

      Das Gebiet der DDR, konstatierte de Maizière, werde trotz seiner Einbeziehung in die NATO einen speziellen militärischen Status haben. Die deutschen Streitkräfte auf diesem Gebiet würden zunächst nicht der NATO unterstellt. Der Premier plädierte für die Einrichtung eines europäischen Zentrums für Konfliktverhinderung, für dessen Sitz die DDR Berlin vorschlage.
      (Neues Deutschland, Fr. 31.08.1990)

      Auf der Konferenz über Konventionelle Streitkräfte in Europa in Wien geben Lothar de Maizière und Hans-Dietrich Genscher eine Erklärung zur künftigen Obergrenze der Streitkräfte in einem vereinten Deutschland ab.

Ab Donnerstag wird nach einer Ankündigung der Deutschen Post das erste Kartentelefon der DDR in Leipzig bereitstehen.
(Berliner Zeitung, Di. 28.08.1990)

"Berliner Linke" heißt eine neue Wochenzeitung, die ihre Leser "parteilich, sozial" informieren will. Die erste Nummer fand am Donnerstag und Freitag guten Absatz. In der Premieren-Ausgabe ward der Frage "Was ist links, wo ist links, wer ist links?" nachgegangen. Antworten liefern unter anderen Ibrahim Böhme (SPD), Hansjoachim Walther (DSU), Jutta Braband (Vereinigte Unke), Bärbel Bohley (Stadtverordnete, Bündnis 90) und der Kreuzberger Bürgermeister Günter König.
(Neues Deutschland, Sa. 01.09.1990)

Die IG Chemie-Papier-Keramik schlägt eine "Beratungsrunde Kohlechemie, Energie und Umwelt" aus Gewerkschaft, Arbeitgeber und Regierung vor. Aufgabe ist er sozialverträgliche Umstieg von Carbo- auf Petrochemie in der DDR zu gestalten.

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