Mo. 4. September 1989


Seit Wochen führen gewisse Kräfte der BRD, vor allem in den Medien, eine zügellose Hetze gegen die DDR. Sie konzentriert sich auf die Bürger der DDR, denen man in BRD-Botschaften widerrechtlich Aufenthalt gewährt oder die sich in der ungarischen Hauptstadt in der Erwartung aufhalten, eine illegale Ausreise zu erreichen. Diese Kampagne ist nicht allein darauf aus, die DDR und ihre Verbündeten zu diskriminieren, sondern stellt eine gezielte Kampfansage gegen den Sozialismus im Stile des kalten Krieges dar. Dies erklärte der Sprecher des MfAA der DDR, Botschafter Wolfgang Meyer, am Montag gegenüber ADN.

Wie anders sei es zu verstehen, wenn offizielle Vertreter der BRD Bürger aus der DDR, die ihre Heimat zu verlassen trachten, unter haltlosen Versprechungen schon vorab willkommen heißen, die Medien ihnen dafür als Sprachrohr dienen, selbst Anleitung zum illegalen Verlassen der DDR geben und über zum Teil von ihnen organisierte "Grenzdurchbrüche" eine genüssliche Frontberichterstattung zelebrieren. Von den Notstandsübungen für die Aufnahme angeblich Zehntausender von "Flüchtlingen" ganz zu schweigen, erklärte Botschafter Meyer weiter. Es bleibt seitens der offiziellen BRD-Institutionen und -Persönlichkeiten nicht bei Versprechungen. Ihr Tun wird mit den sattsam bekannten Anmaßungen von der "Obhutspflicht für alle Deutschen" verbrämt, die gegen die Prinzipien des internationalen Rechts, gegen die zwischen den beiden deutschen Staaten geschlossenen Verträge und gegen die Prinzipien der KSZE verstößt. Diese Einmischung auf der Grundlage einer aus der Vergangenheit unrühmlich in Erinnerung gebliebenen großdeutschen Ideologie ist wiederholt und aufs schärfste zurückgewiesen worden, Wiederholt ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass sowohl die Bonner Einmischungsversuche in souveräne Rechte der DDR als auch die Versuche, andere Staaten zu erpressen, zu ernsten Konsequenzen führen können.

Die DDR hat gegenüber den DDR-Bürgern, die einen illegalen Grenzübertritt via UVR beabsichtigen, um die BRD zu erreichen, verbindlich zugesagt, dass sie nach Verlassen der diplomatischen Vertretungen beziehungsweise nach Rückkehr in die DDR keinerlei Strafverfolgung unterliegen. Sie haben die gleichen Rechte wie andere Bürger der DDR auch im Hinblick auf die Verordnung über Reisen von Bürgern der DDR nach dem Ausland vom 30.11.1988 und können ihr Anliegen in den Heimatorten vortragen. Diese Vorsprachen werden als Antragstellung beziehungsweise Wiederholung der Antragstellung auf ständige Ausreise gewertet. Die Bürger haben auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rechtsmitteln und gerichtlicher Nachprüfung. Die DDR hat außerdem zugesichert, das sei unterstrichen, dass diese Bürger grundsätzlich in ihren Beruf und an ihre Arbeitsstelle zurückkehren können. Es wurde gewährleistet, dass die Rechtsanwaltschaft der DDR die betreffenden Bürger vor den staatlichen Organen und Gerichten anwaltlich vertritt und ihnen umfassenden Beistand leistet. Die DDR hat alle in Frage kommenden Stellen auch anderer Staaten gebeten, dass die Bürger der DDR mit diesen Standpunkten vertraut gemacht werden und darauf eingewirkt wird, dass sie freiwillig die diplomatischen Einrichtungen und Aufenthaltsorte verlassen und in ihre Heimatorte zurückkehren. Es sei nochmals deutlich gesagt: Der Aufenthalt in diplomatischen Vertretungen oder an anderen Aufenthaltsorten außerhalb der DDR bringt keine Begünstigung und ist kein Weg zur Erreichung der ständigen Ausreise aus der DDR. Im übrigen, betonte abschließend der Sprecher, sind alle Versuche bestimmter Kreise, mit ihrer Kampagne um ausreisewillige Bürger der DDR die Beziehungen zwischen der DDR und der Ungarischen Volksrepublik zu stören, auf Sand gebaut.
(Neues Deutschland, Di. 05.09.1989)

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