DDR 1989/90Brandenburger Tor

04.-07.09. Vorletztes Treffen der 2+4-Gespräche über die äußeren Aspekte der deutschen Einheit in Berlin

11.09. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag wird in Moskau finalisiert

12.09. Der 2+4-Vertrag wird in Moskau unterschrieben

12.09. Die Besetzer im Haus 7 der ehemaligen Stasizentrale in Berlin-Lichtenberg treten in einen Hungerstreik

16.09. Die PDS setzt den im Februar begonnen Parteitag fort

21.09. Der Minister für Abrüstung und Verteidigung befiehlt die Auflösung der Grenztruppen

24.09. In Berlin wird ein Protokoll über die Herauslösung der Nationalen Volksarmee aus den Vereinigten Streitkräften des Warschauer Vertrages unterschrieben

26.09. Die SPD (DDR) und die SPD (BRD) beschließen auf getrennten Parteitagen in Berlin die Voraussetzungen für einen Vereinigungsparteitag

27.-28.09. Vereinigungsparteitag der SPD in Berlin



Mo. 10. September 1990


RIAS-Intendant Drück und der Intendant des DDR-Rundfunks Singelnstein verteidigten gestern auf einer Pressekonferenz den Mediencoup vom vergangenen Freitag, durch den 24 Stunden lang Jugendradio DT 64 nur im Großraum Berlin zu empfangen war. Dabei räumte Singelnstein ein, dass er in der Hektik Fehler begangen habe. So hatte er weder die Belegschaft von DT 64 noch den DDR-Medienminister von der Umschaltung informiert. Allerdings halte er noch wie vor daran fest, mit RIAS kooperieren zu wollen und Jugendradio in einen Privatsender umzuwandeln. Die überstürzte Umstellung sei notwendig geworden, weil am Donnerstagabend Informationen über seine Verhandlungen mit dem RIAS durchgesickert seien. Zudem habe die Gefahr bestanden, dass durch einen privaten Anbieter 18 Frequenzen des DDR-Rundfunks übernommen werden sollten.

Singelnstein und Drück bestätigten beide, dass die Abschaltung von DT 64 erst für den 15. September vorgesehen war. Beispiele unfreiwilliger Komik oder vorsätzlicher Frechheit lieferte mit seinen Formulierungen RIAS-Intendant Drück: Es sei kein Medienputsch gewesen, sondern - der "Versuch einer Hilfeleistung"! (Er musste wohl Sterbehilfe gemeint haben.) Die Abtretung der Frequenzen war demnach "ganz und gar keine illegale Sache". Es sei um "Programmabgabe, nicht um Frequenz-Okkupation“ gegangen.

Mit einer Erklärung ging die Chefredaktion von DT 64 gestern nochmals auf die Frage des "Wie weiter?" für den Jugendsender ein. Die vielfältigen Proteste hätten DT 64 erst einmal vor dem Rückzug in die Provinzialität bewahrt. "Dies ist eine für das medienpolitische Gerangel wichtige Erfahrung: Es gibt bei der notwendigen Neuordnung der Rundfunklandschaft in Deutschland, einem Vorgang, der alle betrifft und den bislang wenige betrieben, neben Politik und Wirtschaft eine viel wichtigere Größe: unsere Hörer. Hörer, die ... unser Programm so behalten möchten, weil sie sich über unsere Wellen und mit hiesigen Journalisten am besten darüber verständigen können, was sie bewegt." Für diese Hörer werde man weitermachen. Jetzt sei die Politik an der Reihe.

"Sind die politischen Mandatsträger bereit, dem Jugendkanal DT 64 über zu schaffende gesetzliche Regelungen eine Chance im öffentlich-rechtlichen System und überregional einzuräumen?" Wenn nicht, müsse man privatisieren. Auch die Regierung in Form ihres Sprechers Gehler bezeichnete die Aktion als Fehler.

Ebenfalls am Montag hoben der Betriebsrat und die IG Medien im RIAS Berlin in einer Erklärung den Versuch der Übernahme der Frequenzen von DT 64 als "medienpolitische Instinktlosigkeit" gewertet, die "letztlich ganz anderen Interessen in die Hände spielen dürfte".
(Junge Welt, Di. 11.09.1990)

Die Gewerkschaft Kunst, Kultur Medien beschließt zum 1. Oktober 1990 ihre Auflösung. Es wird empfohlen in die DGB-Gewerkschaft IG Medien einzutreten.

Die Botschafter bzw. Geschäftsträger der DDR in den jeweiligen Hauptstädten übergeben bis heute einen Brief von Ministerpräsident Lothar de Maizière an seine Amtskollegen in den Staaten des Warschauer Vertrages, in denen um die Aufnahme von Konsultationen über die Beendigung der Mitgliedschaft der DDR im Warschauer Vertrag nachgesucht wird.

Die der PDS nahestehende Zeitschrift "UTOPIE konkret" erscheint zum ersten Mal.

Das US-Marktforschungsunternehmen A. C. Nielsen GmbH eröffnet in Leipzig sein ersten Büro in der DDR.

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