Die Behandlung von ehemaligen Spionen nach der Herstellung der deutschen Einheit hat zu heftigen parteipolitischen Kontroversen geführt. Während DDR-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann (DA) die Vernichtung der Akten über die Militärspionage ankündigte, um die Identität der Spione zu verschleiern, und sich dabei auf das Einvernehmen mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) berief, nannte die SPD die Amnestie von Stasi-Agenten "völlig unakzeptabel".
Der nun vorliegende Abschlussbericht über die Auflösung des militärischen Geheimdienstes der DDR ergebe, dass rund 500 Personen für die Militärspionage beschäftigt waren. Nach Eppelmanns Auskunft waren davon insgesamt 138 Personen, so wohl DDR- als auch Bundesbürger, in der Bundesrepublik eingesetzt.
Die SPD sprach sich entschieden gegen die von der Union und der FDP geforderte Amnestie für ehemalige Stasi-Spione aus. Es sei "völlig unakzeptabel" und "nachgerade empörend", dass ausgerechnet dieser Personenkreis privilegiert werden solle, sagte der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Hans-Jochen Vogel. Man müsse auch an diejenigen denken, die jahrelang in ihren Ämtern ausspioniert worden seien. Es könne sich schließlich ein Agent offenbaren und bei einem erwarteten Strafmaß unter drei Jahren dann auch dienstrechtlich nicht mehr belangt werden. Der amnestierte Ex-Spion bleibe damit seinen Kollegen "erhalten".
Außerdem beantragte die SPD für Mittwoch eine Aktuelle Stunde im Bundestag, um die angebliche Verpflichtung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter durch bundesdeutsche Nachrichtendienste zur Sprache zu bringen.
(Neue Zeit, Mi. 12.09.1990)
Die Identität der insgesamt 500 Personen, die in der Bundesrepublik für die DDR spioniert haben, soll nach dem Willen des DDR-Abrüstungs- und Verteidigungsministers Rainer Eppelmann für immer verborgen bleiben.
Wie Eppelmann in einem Presseinterview mitteilte, sind die entsprechenden Akten des militärischen DDR-Geheimdienstes bereits vernichtet worden oder werden bis Ende der Woche vernichtet. Zur Begründung gab er an, dass "niemand, der in der Bundesrepublik für die DDR spioniert hat und dies in gutem Glauben für sein Land, die DDR, getan hat, vor bundesdeutschen Gerichten sich verantworten muss". Auch die Bundesbürger, die für den militärischen Geheimdienst der DDR gearbeitet hätten, wurden so geschützt. Diese Beurteilung decke sich mit der des Bundesinnenministers, meinte Eppelmann.
Der DDR-Minister versicherte, dass der Apparat des militärischen Geheimdienstes in der DDR "völlig zerschlagen" sei. Der Dienst arbeite definitiv seit dem 31. März dieses Jahres nicht mehr. Es bestehe nur noch ein Informationszentrum.
(Berliner Zeitung, Mi. 12.09.1990)
Egon Bahr seines Zeichens Berater von Abrüstungs- und Verteidigungsminister Rainer Eppelmann schreibt in seinem Buch "Zu meiner Zeit", er wurde von einem Oberst der NVA über die Existenz des militärischen Geheimdienstes der NVA unterrichtet. Er nahm zwei großformatige Bände, in denen die Kenntnisse über die Einheiten der Bundeswehr bis zur Kompaniestärke hinunter verzeichnet waren, mit nach Bonn. Dort zeigte er sie einem General, der für den BND im Verteidigungsministerium sitzt.