Auf ihrem gesamtdeutschen Wahlkongress am Wochenende hat die LINKE LISTE/PDS ihr Wahlprogramm verabschiedet. Zwei Tage hatten die rund 800 Teilnehmer Abgesandte aus den BRD-Landesverbänden der LINKEN LISTE/PDS, Delegierte von der PDS sowie unabhängige Linke der DDR den Entwurf, der vor zwei Wochen veröffentlicht worden war, debattiert. Bis zum Schluss umstritten waren wirtschaftliche und ökologische Probleme, beispielsweise die Forderung nach dem sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie. Das Plenum einigte sich schließlich, solche Streitpunkte im Programm festzuhalten und nicht durch findige Formulierungen zu vertuschen. Das fand die Zustimmung der überwiegenden Mehrheit; nur 16 Delegierte lehnten das Papier ab, 22 enthielten sich der Stimme.
Zur Eröffnung am Sonnabend hatten Walter Janka vorn Ältestenrat der PDS, die Schriftstellerin Helga Königsdorf, als Parteilose Mitglied der Listenvereinigung, Jacob Moneta, ein Vertreter der linken Gewerkschaftsbewegung in der BRD, sowie Jutta Ditfurth von den Grünen in der BRD das Wort ergriffen und ihre Hoffnungen auf eine starke linke Opposition im künftigen gesamtdeutschen Parlament zum Ausdruck gebracht. In den folgenden Referaten von Andrea Lederer, LINK LISTE/PDS Hamburg, Michael Mäde, Vereinigte Linke Berlin, und Gregor Gysi, PDS, wurde deutlich, welch unterschiedlich Erfahrungen und Vorstellungen von linker Politik auf diesem Kongress zusammengeführt wurden. Zugleich bekräftigten sie, dass es jetzt darauf ankomme, mit Blick auf die Bundestagswahl das Einigende in den Vordergrund zu stellen.
"Wir haben uns in einer Brite zusammengefunden, wie es sie bei der linken Opposition in Deutschland vielleicht noch nie gegeben hat", meinte Gysi. Das sei eine große Verantwortung, die wir jetzt gemeinsam tragen für eine starke linke Kraft in diesem Land, dessen Vereinigt große Gefahren, aber auch Möglichkeiten bringe. "Stellen wir uns den Tatsachen und lassen wir nicht zu, dass der Traum vorn demokratischen Sozialismus untergeht."
Das linke Wahlbündnis, das wurde sowohl im Plenum als auch in den acht Arbeitsgruppen klar, versteht sich als eine kritische Stimme in der Gesellschaft und in den Parlamenten für demokratische Grundrechte, für Umweltschutz, für Frieden, menschengerechtes Wohnen, gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen. Gegen Großmannssucht und großdeutsche Hegemoniebestrebungen will man angehen.
Auf einer anschließenden Pressekonferenz der sechs Sprecher des Beirates der LINKEN LISTE/PDS, Mariles Deneke, Andrea Lederer, Helga Königsdorf, Gregor Gysi, Michael Mäde und Michael Stamm wurde resümiert, dass die Verschiedenartigkeit der Meinungen, die auf diesem Kongress in zum Teil langwierigen Diskussionen zutage traten, geringfügiger war, als ursprünglich gedacht. Bei der Einschätzung der Chancen zeigte man sich optimistisch. "Wir erreichen mehr als 5, aber wahrscheinlich nicht über 10 Prozent", sagte Gysi mit einem Augenzwinkern.
Michael Stamm trat vor der Presse erneut Behauptungen entgegen, es gäbe in der Bundesrepublik gezielte Abwerbeaktionen der LINKEN LISTE/PDS bei anderen Parteien, beispielsweise bei den Grünen, wo auch Geld im Gesprächsei. Derartiges Vorgehen stehe für dieses Bündnis außerhalb jeder Überlegung. Bundestagsabgeordnete der Grünen könnten der Listenvereinigung nur beitreten, wenn sie vorher ihr Bundestagsmandat niederen.
Am Sonnabend verabschiedeten die Teilnehmer der Konferenz eine Erklärung, in der sie ihre Sympathie für die Besetzer in, der Berliner MfS-Zentrale bekundeten.
(Neues Deutschland, Mo. 17.09.1990)
Erster Tag des zweitägigen Wahlkongresses der "Linken Liste/PDS" in Berlin. Daran nimmt auch der UFV teil.