Nach fünftem Hungertag kam der erste Hammer
Besetzer der Stasi-Zentrale sind ungebrochen
Seit gut einer Woche hungern die Besetzer der Stasi-Zentrale nun schon, um mit dieser spektakulären Aktion zu verhindern, dass die Millionen Akten in die falschen Hände geraten. Podium sprach mit Reinhard Schult, einem der Besetzer.
Wie fühlt Ihr Euch? Wie wirkt sich das Hungern aus?
Am Sonntag, das war der fünfte Hungertag, da hatten die meisten von uns ihren ersten Hammer, Kreislauf, weiche Knie und so. Aber seit Montag sind wir alle wieder o. k. Und Angelika Barbe von der SPD-Volkskammerfraktion, die sich uns am letzten Freitag angeschlossen hat, die kann sich nun ausrechnen, wann sie ihren ersten Hammer kriegt.
Seid Ihr Euch in Euren Forderungen noch einig?
Wir sind uns einig, ohne Ausnahme, und keiner will aussteigen, jedenfalls nicht vor den entscheidenden Tagen am Mittwoch und Donnerstag, wenn die Volkskammer noch mal tagt.
Was erwartet Ihr überhaupt noch von dieser Volkskammer nach dem Eklat vom letzten Donnerstag?
Immerhin haben die Abgeordneten ja bewiesen, dass sie standhaft sein können, wenn es um ihre Diäten geht. Und vielleicht nutzen sie ihre Chance, sich zu rehabilitieren. Wir bestehen jedenfalls auf unseren Forderungen: Kein fremder Zugriff auf unsere Akten, Entfernung aller Stasi-Mitarbeiter aus Volkskammer, Ministerien und aus den Archiven.
Was hat Dir am meisten Eindruck gemacht von den Aktionen draußen?
Die Mahnwache, viele der Transparente, aber am meisten die Begegnungen mit Stasi-Opfern, die uns so viele unglaubliche Dinge erzählt haben. Für die sind wir so eine Art Hoffnungsträger geworden, was wir ja nicht annähernd praktisch realisieren können. Wir können nur Öffentlichkeit provozieren, den Leuten helfen, die Augen zu öffnen: Da gibt es Politiker an den Schaltstellen, die wollen mit neuem Vorzeichen da weiter machen, wo Mielke und Co. aufgehört haben. Und da muss man halt Druck machen. Und zwar am Mittwoch und Donnerstag ab 13 Uhr vor der Volkskammer!
PODIUM – Die Seite der und für die BürgerInnenbewegungen, Initiativen und Minderheiten in der Berliner Zeitung, Mi. 19.09.1990