Do. 19. Oktober 1989


Berlin (ND). Nach Abschluss ihres Gespräches in Schloss Hubertusstock beantworteten Dr. Werner Leich und Egon Krenz Fragen von Journalisten. Der Vorsitzende der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen der DDR sagte, es habe für ihn Signalwirkung, dass der Generalsekretär des ZK der SED innerhalb von nicht einmal 24 Stunden nach seiner Wahl zu diesem Gespräch eingeladen hat. Er erkenne daraus, wie wichtig der Dialog genommen wird, auch mit den evangelischen Kirchen in der DDR. "Der Dialog ist sehr offen und rückhaltlos geführt worden und so, dass wir gespürt haben: Je offener und klarer wir miteinander umgehen, um so mehr bestätigen wir das gegenseitige Vertrauen, das wir in der Zukunft brauchen." Der Landesbischof drückte den Wunsch aus, dass der neugewählte Generalsekretär die Zeit habe, um umzusetzen, was programmatisch angesagt worden ist. "Und da wollen wir ihn als offene Gesprächspartner begleiten."

Egon Krenz äußerte steh mit dem Gespräch sehr zufrieden. Es sei über alles gesprochen worden, was uns bewegt. Der Verlauf sei mit den Worten "Offenheit, Ausgewogenheit und Konstruktivität" zu kennzeichnen. "Ich denke, die Zukunft wird beweisen, dass unsere Gemeinsamkeit größer ist als das, was uns trennt", sagte der Generalsekretär des ZK. "Als Bürger der DDR haben wir Interesse daran, dass in diesem Land sich die Dinge vorwärtsbewegen, dass alle Menschen zufrieden sind, dass wir jene Aufgaben lösen, die wir uns gemeinsam vorgenommen haben - auch zu Beginn des 5. Jahrzehnts unserer Deutschen Demokratischen Republik." Den gemeinsamen Nenner habe man während des Gesprächs darin gefunden, dass ein breiter gesellschaftlicher Dialog geführt wird, der alle Bürger einschließt. Denn es gehe ja um das gemeinsame Leben, und da müsse man gemeinsam die Antworten suchen. "Das haben wir in der Vergangenheit geschafft, und das werden wir auch in der Zukunft schaffen", betonte Egon Krenz.

Dr. Werner Leich unterstrich, die evangelische Kirche fühle sich verpflichtet, "ihren Auftrag als Kirche hier in unserem Land, das ein sozialistisches Land ist, auszuführen. Und das mit aller Klarheit und Offenheit." Angesprochen, wie die Kirche angesichts der Straßendemonstrationen in den zurückliegenden Wochen zur Entspannung der Situation beitragen könne, sagte Dr. Leich, die Kirche habe schon immer versucht, die Situation zu entspannen und zu Besonnenheit aufzurufen. Er glaube, das Wesentliche für die künftige Entwicklung werde die Erfahrung sein, dass es einen echten Dialog gibt. "Sobald diese Erfahrung sich durchsetzt, wird es nicht mehr nötig sein, in irgendeiner Weise auf die Straße zu gehen. Ich denke, wir sollten auf diesen Überzeugungsprozess bauen."

Der Generalsekretär des ZK schloss sich dem mit den Worten an: "Wir haben gestern auf der Tagung des Zentralkomitees gesagt: In unserem Land sind komplizierte politische Probleme entstanden, und wir wollen diese politischen Probleme politisch lösen. Das ist das Entscheidende."
(Neues Deutschland, Fr. 20.10.1989)

Eine vom Neuen Forum in Zittau geplante Veranstaltung in der Johanneskirche erfährt einen solch großen Zuspruch, dass zwei weitere, die Kloster- und Marienkirche, geöffnet werden müssen und trotzdem nicht alle Interessierten einen Platz darin finden.

In der Martin-Luther-Kirche in Meißen führt das Neue Forum eine Veranstaltung durch.

Die ersten öffentlichen Veranstaltungen führt die Initiativgruppe Oberlausitz des Neuen Forums in drei Kirchen in Zittau durch.

In der Marienkirche in Röbel (Bezirk Neubrandenburg) nahmen rund 1 000 Teilnehmer an einer Veranstaltung unter dem Thema "Für demokratische Erneuerung" teil.

Ein öffentliches Forum findet in der Mensa der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald statt.

In Rudolstadt muss eine Diskussionsveranstaltung wegen des großen Andrangs wiederholt werden.

Eine Live-Diskussionsrunde, "Donnerstagsgespräch", findet im DDR-Fernsehen statt.

Die Live-Sendung, "Zuschauer fragen - Politiker antworten", wird im Fernsehen ausgestrahlt.

Die Teilnehmer der 8. Brodowiner Gespräche in Wustrow verabschieden eine Erklärung "Gedanken zum ökologischen Umbau unserer Gesellschaft". Ehrliche Umweltinformation, rigorose Einsparung von Energie- und Wasserverbrauch, die Nutzung von Natur kann nicht kostenfrei sein, Abfall ist konsequent zu vermeiden, erneuernde Energiequellen, ökologische Umgestaltung der Industrie, Landwirtschaft, Verkehr und anderer Bereiche, bis hin zum Lebensstil.

56 DDR-Bürger, die sich noch in der BRD-Botschaft in Prag befinden dürfen von dort direkt in die BRD ausreisen.

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