Potsdam (ND). "Europa im Aufbruch" - unter diesem Motto stand eine Kundgebung, zu der das Neue Forum Potsdam, für Sonnabendnachmittag aufgerufen hatte und zu der sich Hunderte Bürger der Havelstadt vor dem Karl-Liebknecht-Forum versammelten. Der unlängst von den Grünen zur SPD übergewechselte Bundestagsabgeordnete Otto Schily sagte, es sei das erste Mal in der deutschen Geschichte, dass das Volk die Demokratie selbst errungen hat. Er hoffe, "dass wir in der Bundesrepublik ein wenig davon lernen. Was in Osteuropa stattfindet, braucht auch eine Antwort im Westen". Was in der DDR geschehe, sei keine Niederlage des Sozialismus, sondern ein Sieg der Demokratie. Der SPD-Politiker wandte sich gegen eine "Deutschland-über-alles-Politik".
Jens Möller, Vertreter der SDP Potsdam, lehnte den von prominenten Persönlichkeiten der DDR initiierten Aufruf "Für unser Land" ab. Dieser stehe im Widerspruch zum Statut der SDP. Seiner persönlichen Auffassung nach wolle die Mehrheit ein einheitliches Deutschland - eine Feststellung, die auch mit Pfiffen kommentiert wurde.
(Neues Deutschland, Mo. 04.12.1989)
Potsdam (ADN). Um die Rolle der DDR im "Haus Europa" ging es am Sonnabend bei einer Demonstration in Potsdam.
Kontrovers die auf Plakaten geäußerten Meinungen zur Wiedervereinigung. Eine Vereinigung von DDR und BRD in entmilitarisiertem Rahmen schlug Detlef Kaminski vom Potsdamer Neuen Forum vor. Otto Schily, Bundestagsabgeordneter der SPD, sagte: "Was wir heute erleben ist nicht die Niederlage des Sozialismus, sondern der Sieg der Demokratie. Natürlich sind beide Begriffe belastet, doch wir dürfen uns nicht davon verabschieden, dass eine Gesellschaft sozial sein muss." Auf Ernst Blochs geflügeltes Wort eingehend, sagte er, dass das Volk der DDR jetzt den aufrechten Gang geht. Er hoffe auf das Übergreifen dieses Prozesses auf die BRD, denn seiner Meinung nach bedürfen die Vorgänge im Osten einer Antwort aus dem Westen.
(Bauern-Echo, Mo. 04.12.1989)
Magdeburg. Im Anschluss an eine Kundgebung auf dem Magdeburger Domplatz formierte sich ein Demonstrationszug zum Gebäude des Rates des Bezirkes. Auf Transparenten stand "Wer in 40 Jahren nur an den Rand des Ruins kommt, darf nie wieder Führungsrollern". "Dank Honecker und Co. sehen wir das heute so: S chmarotzertum, E goismus, D emagogie".
Auf der Kundgebung hatte die "Antifa-Liga Magdeburg" Flugblätter "gegen Rechts" verteilt, in denen es heißt: "Ein beunruhigendes Gerede über eine deutsche Wiedervereinigung hat eingesetzt, das bei vielen Menschen . . . nicht ohne Wirkung bleibt. Gleichzeitig wird versucht, den Ausländern die Schuld an den Versorgungsschwierigkeiten zuzuschieben." Die Autoren des Blattes hätten eine extreme Zunahme von Ausländerfeindlichkeit und Ausländerhass beobachtet und stellten fest: "Vorsicht! Die Nazis sind im Aufwind".
Von der Bürgerinitiative Colbitz wurde auf dem Domplatz eine Unterschriftensammlung für die Rekultivierung des Truppenübungsplatzes Colbitz-Letzlinger Heide gestartet.
(Bauern-Echo, Mo. 04.12.1989)
Magdeburg (ND). Auf einer Kundgebung, zu der Neues Forum und SDP am Sonnabend auf den Magdeburger Domplatz eingeladen hatten, teilte der Sprecher des Neuen Forums Hans-Joachim Tschiche mit, man wolle demnächst die Arbeit für zwei Stunden niederlegen.
(Neues Deutschland, Mo. 04.12.1989)
PLAUEN. Annähernd 15 000 Bürger von Plauen und Umgebung vereinten sich am am Sonnabend zur nunmehr achten friedlichen Demonstration seit dem 7. Oktober.
In Reden und auf Transparenten wurden u. a. dem Wunsch nach Wiedervereinigung Deutschlands und einem entsprechenden Volksentscheid in beiden deutschen Staaten Ausdruck verliehen.
(National-Zeitung, Mo. 04.12.1989)
Der Demonstrationszug in Potsdam zieht durch die Innenstadt bis zur MfS-Bezirksverwaltung.
An der Kundgebung in Potsdam nimmt auch der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Heinz Vietze teil. Er darf dort nicht reden. Seine Rücktrittsforderung an Egon Krenz wird aber den Versammelten mitgeteilt.