01.12. Der Führungsanspruch der SED wird aus der Verfassung entfernt
03.12. Das Politbüro und das Zentralkomitee der SED treten zurück
04.12. Beginn der Besetzung der Dienststellen der Staatssicherheit
06.12. Egon Krenz tritt als Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR zurück
06.12. Innenminister Lothar Arendt verfügt die Entwaffnung der Kampfgruppen der Arbeiterklasse.
07.12. Erste Sitzung des Zentralen Runden Tisch in Berlin
08.12. Der Vorsitzende des Ministerrates hat in allen Bezirken Regierungsbeauftragte eingesetzt teilt der Presse- und Informationsdienst der Regierung mit.
14.12. Demokratie Jetzt stellt den Dreistufenplan der nationalen Einheit vor
14.12. Der Ministerrat beschließt die Auflösung der Kampfgruppen und des Amts für Nationale Sicherheit. Gleichzeitig die Bildung eines Nachrichtendienstes und eines Verfassungsschutzes der DDR.
19.12. Treffen Modrow Kohl in Dresden
29.12. Die erste Ausgabe der Anderen Zeitung erscheint in Eisenach
Im Laufe des Monats lösen sich die Parteiorganisationen der SED in der NVA auf.
Di. 5. Dezember 1989
Besetzung von Bezirks- und Kreisämtern des Amtes für Nationale Sicherheit
Record of Conversation between Mikhail Gorbachev and Hans Dietrich Genscher
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Mahnwache vor dem Haus des Bundesvorstandes des FDGB
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Mahnwache vor dem Haus des Bundesvorstandes des FDGB, dem fix in Kimmel-Center umgetauften riesigen Bau an der Jannowitzbrücke [Berlin-Mitte], über dessen Finanzierung es äußerst widersprüchliche Meldungen gibt. Studenten der Gewerkschaftshochschule "Fritz Heckert" standen gestern von 6 bis 18 Uhr, um gegen die Verschleierung von Amtsmissbrauch, für eine neue, saubere Gewerkschaft zu demonstrieren. Heute Abend schließt sich ab 17 Uhr eine genehmigte Demonstration an.
Die Hochschüler, vor dem Studium allesamt in Betrieben tätig, wollen einen Entwurf für eine neue Satzung, eine Gewerkschaftsführung, unter der man ohne Angst vor Aufdeckung von Korruption arbeiten kann. Sie wollen eine entschieden auftretende, für die Interessen der Werktätigen kämpfende Gewerkschaft.
(Neues Deutschland, Mi. 06.12.1989)
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Tagung des Zentralvorstandes der IG Textil-Bekleidung-Leder
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Zu niedrige Preise für Exportproduktion; Umverteilung des Lohnfonds in einem Brandenburger Betrieb, der Kinderbekleidung produziert; wer sollte in Tarifkommissionen mitarbeiten? - Anfragen von Kollegen auf der 10. Tagung des Zentralvorstandes der IG Textil-Bekleidung-Leder, die am Dienstag in Berlin stattfand, gerichtet an den stellvertretenden Minister für Leichtindustrie und an das Sekretariat des Zentralvorstandes.
Auf dieser Tagung ging es vor allem um die Erneuerung der Industriegewerkschaft. Verantwortung für die entstandene Situation der Gewerkschaften trage auch der Zentralvorstand der IG, stellte die Vorsitzende Annelie Unger fest.
Aus den kritischen und selbstkritischen Auseinandersetzungen des Sekretariats des Zentralvorstandes in den letzten Tagen und Wochen sind deshalb notwendige Schlüsse für die weitere Arbeit gezogen. Dabei wurden viele Kritiken und Vorschläge zur Erneuerung der Gewerkschaftsarbeit aus den Betrieben, Vorständen und Leitungen berücksichtigt. Dem Zentralvorstand wurde ein überarbeitetes Arbeitsprogramm zur weiten Diskussion mit den Mitgliedern der Organisation vorgelegt. Der stellvertretende Minister für Leichtindustrie schätzte die derzeitige Lage im Industriebereich ein. Eine Planerfüllung 1989 sei nicht zu realisieren. Eine genaue Analyse zur Lage in der Leichtindustrie werde dem Zentralvorstand am 13. Dezember übergeben.
(Tribüne, Mi. 06.12.1989)
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Das Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer öffnet sich
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Das Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer öffnet sich für jeden Bürger, der sich dem Antifaschismus verpflichtet fühlt, unabhängig von seiner politischen, religiösen und weltanschaulichen Position. Das beschloss das Sekretariat des Komitees gemeinsam mit den Vorsitzenden der Bezirkskomitees und einer Arbeitsgruppe des Präsidiums. Dazu wurde auf der Beratung festgelegt, im Haus der Zentralleitung des Komitees in Berlin Unter den Linden 12 einen Konsultationsstützpunkt einzurichten. Die antifaschistischen Widerstandskämpfer wollen den sich in der DDR formierenden Antifa-Gruppen und Bürgerbewegungen aufrichtige Partner sein. Gegenüber neonazistischen Umtrieben sei höchste Wachsamkeit geboten.
(Neues Deutschland, Di. 05.12.1989)
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Schwund bei der FDJ
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Seit dem Sommer hat die FDJ einen Schwund von 750 000 Leuten zu verzeichnen. Dies teilte Frank Türkowsky, 1. Sekretär des Zentralrats der FDJ, am Dienstag auf einem Pressegespräch mit. In den Statistiken seien es im vergangenen Jahr 1,9 Millionen, real jedoch höchstens 1,7 Millionen Mitglieder gewesen. Er wisse noch nicht, so der FDJ-Chef, welchen Einfluss die Ereignisse und Offenlegungen des Wochenendes diesbezüglich gehabt haben.
(Junge Welt, Do. 07.12.19989)
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Stahlwerk Hennigsdorf gegen Verbleib von SED, FDJ und Kampfgruppen im Betrieb
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Am Dienstag fand im Stahlwerk Hennigsdorf eine Demo statt. Aufgerufen hatten Neues Forum und LDPD. Mit der Forderung "FDJ raus aus Betrieben!" wurde vom Betriebsdirektor verlangt, das FDJ-"Büro" zu schließen. Was er auch tat. WER - so fragen sich empörte Jugendliche des Betriebes - entscheidet eigentlich über die FDJ-Arbeit im Betrieb, wenn nicht die FDJ-Mitglieder selbst?! Soll hier die alte Einmischung in FDJ-Angelegenheiten etwa durch eine neue ersetzt werden? Heute [06.12.] 17.00 Uhr beraten die Jugendlichen im Jugendklub des Betriebes, wie sie sich gegen diese skandalöse Verfahrensweise wehren können. Junge Welt wird darüber berichten.
(Junge Welt, Mi. 06.12.1989)
Am Dienstag, als fast 1 000 Belegschaftsangehörige des Stahlwerkes Hennigsdorf gegen den Verbleib der Parteileitung und der Kampfgruppe im Betrieb demonstrierten, hieß es auch FDJ - raus aus dem Werk!
Am Mittwoch trafen sich 40 von ihren Jugendlichen beauftragte FDJler, um zu klären: wie weiter?
Ihr Treffpunkt, der stahlwerkseigene Jugendklub der FDJ - ein gutes Argument für de FDJ. Doch in den Gesichtern Frust und Wut, aber auch Kämpfermut. Der FDJ-Sekretär des Betriebes, Ingolf Christianus, berichtete über seine schwierigen Verhandlungen mit dem Betriebsdirektor: "Wir müssen den Realitäten ins Auge blicken. Von 1 600 Stahlwerken sind noch 450 in der FDJ. Aber wir fordern: Die Grundrechte der Jugend lassen wir nicht antasten! Und noch gibt es keine andere Organisation, die darum kämpft."
Ergebnis: Die FDJ-Gruppen können im Betrieb arbeiten! Die zwei hauptamtlichen Sekretäre werden ihr Betriebsbüro verlassen und im Jugendklub Ansprechpartner bleiben.
In der Diskussionsrunde wird klar: Es geht nicht um die FDJ allein. Die jungen Stahlwerker brauchen eine Interessenvertretung, die mehr als nur arbeitsrechtliche Fragen klärt. Denn ihre Stadt lebt vom Stahl.
Deshalb schlagen die FDJler allen jungen Stahlwerkern vor:
1. Schaffen wir uns einen unabhängigen Jugendrat im Werk!
2. Kämpfen wir um unsere Rechte, um die Einhaltung des Jugendgesetz!
(Junge Welt, Fr. 08.12.1989)
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UFV fordet Teilnahme am Runden Tisch
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Die Sprecherinnen des Unabhängigen Frauenverbandes, Walfriede Schmitt und Ina Merkel, haben am Dienstag gegenüber dem ADN gegen die geplante Ausgrenzung des Verbandes vom "Runden Tisch" protestiert. Sie hatten ihre Forderung an den Vertreter des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Oberkirchenrat Martin Ziegler, gerichtet, der mit der Vorbereitung und Koordinierung der am "Runden Tisch" teilnehmenden politischen Kräfte beauftragt ist. Er habe den Sprecherinnen nicht nur prinzipiell das Recht auf Teilnahme abgesprochen, sondern darüber hinaus für sie Hausverbot für die am 7. Dezember um 9.30 Uhr stattfindende Vorberatung ausgesprochen. "Wir rufen alle Frauen auf", heißt es in einer Erklärung der Sprecherinnen, "mit uns gemeinsam am 7. Dezember um 9 Uhr vor dem Dietrich-Bonhoeffer-Haus Berlin, Johannisstraße, gegen die fortgesetzte Ausgrenzung von Frauen aus allen wichtigen politischen Entscheidungsprozessen zu demonstrieren."
(Der Morgen, Do. 07.12.1989)
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Räume und Panzerschränke des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit in Dresden werden versiegelt
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Bei der Volkspolizei in Dresden wird am Vormittag wegen des Verdachts der Vernichtung von Beweismitteln Anzeige erstattet. Diensträume und Panzerschränke des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit werden versiegelt. Es wird ein Bürgerkomitee gebildet.
Journalisten können das Gelände des Bezirksamtes besichtigen. Vor dem Tor rufen die Menschen "Wir wollen rein" und "Aufmachen!" Der Chef des Bezirksamtes, der Staatsanwalt und ein Vertreter des Neuen Forum erklären sich bereit vor den Menschen vor dem Tor zu sprechen. Die Rufe, das Tor zu öffnen, werden immer lauter. Schließlich wird das Tor geöffnet. Von Superintendent Christof Ziemer wird vorgeschlagen eine Gruppe aus 50 Personen, vor allem ehemalige inhaftierte, zu bilden, die das Objekt besichtigen sollen. Es lässt sich aber keiner die Gelegenheit nehmen das Objekt zu durchsuchen. Es beginnt das übliche Spiel. Schlüssel werden nicht gefunden, leere Schränke und Regale.
Der russische Journalist Leonid Mletschin schreibt in der Zeitung "Petersburger Dialog" Oktober 2019 über die Ereignisse in Dresden:
"Am 5. Dezember 1989 stürmten die Massen das Gebäude der Bezirksverwaltung der Stasi. Sie stießen auf keinen Widerstand: Ein Teil der Menge überquerte die Straße und versuchte, in das Gebäude einzudringen, in dem die sowjetischen Tschekisten residierten. Ein junger Offizier trat vor die Menge. Die Dresdener erinnern sich gut an seine Worte: 'Versuchen Sie nicht hier einzudringen. Meine Genossen sind bewaffnet und haben das Recht, im äußersten Notfall die Waffe zu gebrauchen.'
Dieser junge Mann war Oberstleutnant Wladimir Putin, der zur damaligen Zeit in der Gruppe der sowjetischen Verbindungsoffiziere bei der Bezirksverwaltung der Staatssicherheit diente. Die Menge stoppte. Danach schickte der Kommandeur der in der Nachbarschaft stationierten sowjetischen I. Gardepanzerarmee Soldaten zum Schutz der KGB-Vertretung."
Werner Schulz schildert die Ereignisse in einem Interview in der Zeitung "Der Tagesspiegel" am 18.05.2014 so:
"Zum ersten Mal hörte ich von ihm, nachdem meine Freunde vom Neuen Forum am 6. Dezember 1989 die Stasi-Zentrale in Dresden besetzt hatten. Am selben Abend wollten sie zur KGB-Zentrale. Dort kam ihnen ein Mann mit gezogener Pistole entgegen und sagte: Keinen Schritt weiter. Ich bin Offizier der Roten Armee und bereit, dieses Objekt bis zur letzten Patrone zu verteidigen. Das war der Oberstleutnant Putin."
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Räume und Panzerschränke des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit in Halle werden versiegelt
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Am Nachmittag betreten eine Abordnung von Bürgern, Medien, Polizei und Staatsanwaltschaft das Bezirksamt für Nationale Sicherheit in Halle. Räume und Panzerschränke werden versiegelt. Gefordert wird die Reißwölfe in einen separaten Raum wegzuschließen. Die Anlage zum abhören von Telefongesprächen außer betrieb zu setzen und jegliche Bespitzelung der Bevölkerung einzustellen.
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Bürger in Suhl betreten das Amt für Nationale Sicherheit erneut
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Nachdem Busfahrer die Stasizentrale in Suhl blockiert haben, stürmen Bürger das Gebäude. Es kommt zu geringem Sachschaden. Mitglieder des Neuen Forum setzen alles daran, dass die einen Tag zuvor versiegelten Räume nicht aufgebrochen werden. Was gelingt.
An das Gebäude des Amtes für Nationale Sicherheit in Suhl wird das Graffito "Stasi raus es ist aus!" gesprüht.
Im Büro des Neuen Forum geht ein Anruf vom Leiter des Amtes für Nationale Sicherheit ein. Er bittet um Hilfe bei der Beruhigung der aufgebrachten Bürger.
Bürgerwachen werden gebildet.
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Einrichtungen des Amtes für Nationale Sicherheit bekommt in mehreren Städten Besuch
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Vor der Kreisdienststelle des Amtes für Nationale Sicherheit in Altenburg wird demonstriert. In der Kreisdienststelle werden Räume versiegelt.
Vor dem Kreisamt für Nationale Sicherheit in Brandenburg (Havel) beginnt am Nachmittag eine Mahnwache.
In Eisenach gibt es eine Bürgerwache gegen die Aktenvernichtung.
Versiegelungen durch die Staatsanwaltschaft findet auch in Eisenberg statt.
In Frankfurt betreten Bürger und Staatsanwaltschaft das Amt für Nationale Sicherheit. Es werden Räume und Schränke versiegelt.
Das Amt für Nationale Sicherheit in Gera bittet den Bezirksstaatsanwalt eine Papierverkollerungsmaschine und das Archiv bei ihnen zu versiegeln. Anwesend sind auch Vertreter der Presse.
Vor dem Kreisamt für Nationale Sicherheit in Gotha versammelt sich eine Menschenmenge, um die Vernichtung von Akten zu verhindern. Dem Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit wird der Zutritt verweigert. Vor dem Gebäude war die ganze Nacht über Wache gehalten worden. Waffen und Munition wurde durch die Volkspolizei abtransportiert.
Die ehemalige Kreisdienststelle des MfS wird in Güstrow von Bürgerinnen und Bürgern besichtigt und anschließend versiegelt.
In Herzberg wird das Gebäude der Staatssicherheit von einem Bürgerkomitee und Staatsanwaltschaft besichtigt.
Versiegelungen finden in der Kreisdienststelle des Amtes für Nationale Sicherheit in Hoyerswerda statt.
In Anwesenheit von Staatsanwälten versiegeln Bürgervertreter Räume des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit in Karl-Marx-Stadt.
Im Beisein von Bürgern versiegelt die Staatsanwaltschaft Räume der Kreisdienststelle des Amtes für Nationale Sicherheit in Lobenstein. Vor dem Gebäude stellen Demonstranten am Abend Kerzen auf.
Akten aus der Kreisdienststelle Nordhausen des Amtes für Nationale Sicherheit werden unter Aufsicht in die Bezirksdienststelle nach Erfurt gebracht.
In Pössneck und in Sonneberg werden Aktenschränke und Räume in der Kreisdienststelle des Amtes für Nationale Sicherheit durch die Staatsanwaltschat versiegelt.
Von der Bürgerinitiative in Templin wird ein Raum im Kreisamt für Nationale Sicherheit zur Überwachung der Dienststelle gefordert.
In Ueckermünde werden außer dem Zimmer des Leiters die Räume des Kreisamtes für Nationale Sicherheit versiegelt. Im Kreisamt für Nationale Sicherheit in Waren werden alle Räume durch den Kreisstaatsanwalt versiegelt. Das Objekt wird durch Angehörige des Kreisamtes für Nationale Sicherheit bewacht.
In Weimar betreten Bürger die Kreisdienststelle des Amtes für Nationale Sicherheit. Es werden Räume versiegelt. Am Abend findet einen Demonstration statt.
Link zu einem Bericht aus Potsdam.
Im Stadthaus in Potsdam wird über die Bildung eines "Rats der Volkskontrolle" beraten.
Seit dem 30. Jahrestag der Besetzung in Potsdam erinnert eine Gedenktafel in der Hegelallee 7 mit der Aufschrift "Auf Initiative des Neuen Forums besetzten Potsdamer Bürgerinnen und Bürger am 5. Dezember 1989 an diesem Ort die Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit und setzten gewaltfrei die Auflösung dieses Garanten der SED-Diktatur durch".
Link zur Betreten des Dienstobjektes Wartin
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Rudi Mittig und Gerhard Neiber vom Amt für Nationale Sicherheit werden von ihren Amt entbunden
Kundgebung auf dem Gelände des Amtes
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Rudi Mittig und Gerhard Neiber vom Amt für Nationale Sicherheit werden von ihren Amt entbunden. Außerdem 17 Leiter von größeren Dienstbereichen. Das Kollegium des Amtes für Nationale Sicherheit tritt geschlossen zurück.
Für jeden Bezirk wird ein "Beauftragter des Vorsitzenden des Ministerrats", der für die vollständige Auflösung des MfS zuständig ist, bestellt.
Im Innenhof des Amtes in Berlin findet eine Kundgebung statt. Es wird sich gegen den Abtransport und die Vernichtung von Akten ausgesprochen.
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Bürgerkomitee in mehreren Städten
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Pressemitteilung des Rats der Stadt Magdeburg 22. 12. 1989
Am 5. 12. 1989 wurde auf Vorschlag verantwortungsbewusster Bürger insbesondere aus Kirchenkreisen in Übereinstimmung zwischen Rat der Stadt und neuen Initiativgruppen ein Bürgerkomitee gebildet.
Als Aufgaben stellte sich das Bürgerkomitee
- die Vernichtung von Akten und Beweismaterial für Machtmissbrauch und Übergriffe zu verhindern,
- auf Gewaltfreiheit der Bürger bei der Besetzung von Dienststellen Einfluss zu nehmen und
- vertrauensvolle Hinweise von Bürgern zu Amtsmissbrauch und Übergriffen der Sicherheitsorgane entgegenzunehmen.
Diese Aufgaben wurden und werden gegenwärtig mit viel Verantwortungsbewusstsein und hoher persönlicher Einsatzbereitschaft durch alle Mitglieder des Bürgerkomitees auch im Zusammenwirken mit der eingesetzten Regierungskommission wahrgenommen.
Der Rat dankt allen Mitgliedern des Bürgerkomitees für ihre bisherige Arbeit, durch die Ausschreitungen und mögliche Gewalt in unserer Stadt verhindert werden konnten.
Der Rat erachtet gleichzeitig diese neue demokratische Form der Machtausübung durch unabhängige Bürgerkomitees als einen wichtigen Schritt zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Lebens, von Ordnung und Gewaltfreiheit in unserer Heimatstadt Magdeburg.
Im Auftrage des Rates
Ullrich
Erster Stellvertreter
des Oberbürgermeisters
(Volksstimme, Fr. 12.01.1990)
Im Sitzungssaal des Stadthauses in Potsdam wird die Gründung eines Rat der Volkskontrolle beschlossen. Die Gründungsversammlung findet einen Tag später statt.
In Erfurt bildet sich im Rathaus ein Bürgerkomitee aus Parteien und Bürgerinitiativen mit einem Bürgerrat.
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Helmut Kohl Joint ventures sehr bald möglich
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Joint ventures zwischen der BRD und der DDR sind nach Meinung von BRD-Bundeskanzler Helmut Kohl grundsätzlich sehr bald möglich. Es bestehe schon jetzt große Bereitschaft dazu bei zahlreichen Unternehmen im In- und Ausland, betonte Kohl am Dienstag in Pforzheim. Wirtschaftlichen Aufschwung könne es nach Auffassung von Kohl in der DDR jedoch nur geben, wenn Raum für marktwirtschaftliche Entwicklungen geschaffen werde.
Zu der von Ministerpräsident Modrow vorgeschlagenen Vertragsgemeinschaft sagte Kohl: "Wir sind bereit, diesen Gedanken aufzugreifen".
(Neues Deutschland, Mi. 06.12.1989)
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VW-Konzern in Wolfsburg plant Zusammenarbeit mit IFA in Karl-Marx-Stadt
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Der VW-Konzern in Wolfsburg plant zusammen mit dem DDR-Autowerk IFA in Karl-Marx-Stadt, einen Nachfolger für das Zweitakter-Modell Trabant zu entwickeln und zu bauen, berichtet dpa Dienstag. Nach Angaben des stellvertretenden VW-Vorstands- Vorsitzenden Horst Münzner wollen beide Unternehmen zu diesem Zweck eine GmbH gründen. Als Stammkapital schlug Münzner eine Million DM vor, das zu je 50 Prozent aus der DDR und von VW eingezahlt werden sollte. Mit dem Bau könne begonnen werden, wenn die DDR-Regierung die nötigen Gesetze für gemeinsame Industrievorhaben verabschiedet habe.
(Neue Zeit, Mi. 06.12.1989)
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Initiativgruppe für unabhängigen wissenschaftlichen Gesellschaft
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Zur aktiven Teilnahme an der Arbeit einer unabhängigen wissenschaftlichen Gesellschaft für Kommunikationsforschung und Medienwissenschaften hat sich am Dienstag eine Initiativgruppe an Wissenschaftler und Praktiker gewandt, die sich mit Fragen der Massenmedien, der Information und Kommunikation befassen. Im revolutionären Umbruch unserer Gesellschaft, heißt es im Gründungsaufruf, ist es notwendig, eine auf Werten und Prinzipien eines demokratischen Sozialismus basierende neue nationale Information- und Kommunikationsordnung zu errichten, die den Rahmen für einen freien und verantwortungsbewussten Journalismus konstituiert.
(Neues Deutschland, Mi. 06.12.1989)
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SPD-Vorsitzender Hans-Jochen Vogel kritisiert Helmut Kohl
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Bundeskanzler Helmut Kohl hat nach Ansicht des SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel seine Pflichten als Regierungschef verletzt schrieb dpa am Dienstag. Es werde immer klarer, dass es dem Kanzler mit seinem 10-Punkte-Plan zur Deutschlandpolitik nicht um verantwortliche Regierungspolitik, sondern um eine spektakuläre parteipolitische Aktivität gegangen sei, sagte Vogel vor Journalisten in Bonn. Zur Wiedervereinigungs-Diskussion sagte Vogel, an erster Stelle stehe das Selbstbestimmungsrecht. Die SPD werde eine Entscheidung der Menschen in der DDR auf jeden Fall respektieren. Das Zusammenwachsen beider deutschen Staaten sei ein Prozess, der viele Stufen einschließe, insbesondere auch eine Konföderation.
(Neues Deutschland, Mi. 06.12.1989)
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Feindseligkeiten gegenüber DDR-Bürgern
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BONN (adn). Anschläge auf DDR-Autos und Feindseligkeiten gegenüber DDR-Bürgern sind nach Feststellung des Bonner "General-Anzeigers" keine Seltenheit. Speziell Beschädigungen an Wagen aus der DDR häuften sich, stellte die Zeitung am Dienstag fest. Der Jüngste Fall habe sich am Wochenende in Bonn-Pennenfeldt ereignet, als an einem Wartburg mit DDR-Kennzeichen die Scheibenwischer-Anlage völlig demoliert und alle Reifen dick mit Öl beschmiert worden waren. Letzteres gehe weit über normale Sachbeschädigungen hinaus. Auffällig sei, dass nur diese Wagen unter den vielen parkenden Autos demoliert wurden. Die herbeigerufene Polizei habe keine Bescheinigung über die Beschädigung ausgestellt, da BRD-Versicherungen keine Zahlungen für derartige Fälle übernähmen.
(National-Zeitung, Mi. 06.12.1989)
Militärstrafgefangene in Schwedt kündigen für den folgenden Tag einen Streik an. An den Kommandeur der Diensteinheit werden zwei Schreiben übergeben. Ein Solidaritätsschreiben mit den Strafgefangenen in anderen Anstalten. Zum anderen Forderungen sie selbst betreffen, wie Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit, Amnestie, Besichtigung und Gespräche mit Vertretern von Medien und Justiz und Ministerien, öffentliche Kontrolle der Haftbedingungen.
Das Innenministerium teilt mit, die "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" werden entwaffnet. Bewaffnung, Technik und spezielle Ausrüstung der Kampfgruppen werden vollständig in die Dienststellen der Organe des Ministeriums für Innere Angelegenheiten zurückgeführt.
Die Demokratische Bauernpartei Deutschlands und die Liberaldemokratische Partei Deutschlands beendet ihre Mitarbeit im "Demokratischen Block".
Das Präsidium des Parteivorstandes der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands fordert den Rücktritt des Staatsrats.
Im Gebäude des Ministerrats in Berlin kommt es zu einem Gespräch zwischen Vertretern der DDR mit Hans Modrow an der Spitze und Bundesminister Rudolf Seiters. Anschließend wurde eine Presseerklärung abgegeben.
In Berlin kommt es zu einem Treffen zwischen dem Berliner Oberbürgermeister, Erhard Krack und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Walter Momper.
Nach dem Rücktritt des Politbüros und des Zentralkomitees der SED zwei Tage zuvor, wird von einem Angehöriger des Wachregiments Egon Krenz der Zutritt zum ZK-Gebäude nicht gestattet. Als er seinen Ausweis als Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates vorzeigt, darf er passieren.
Demonstriert wird in Nordhausen.
In Mühlhausen wird die örtliche SDP gegründet.
Als Einheit wird der SDP-Orts- und -Kreisverband Quedlinburg gegründet. Auf der 1. Kreisdelegiertenkonferenz am 30.01.1990 erfolgt die Trennung in Orts- und Kreisverband.
In der HO-Gaststätte "Glück Auf" in Pirna-Sonnenstein findet die erste Informationsveranstaltung der SDP statt.
Im Wichernhaus in Brandenburg (Havel) findet das 3. Plenum des Neuen Forums statt. Es wird ein "Grundkonsens" des Neuen Forums Brandenburg angenommen.
Der Rat des Kreises Rostock tritt zurück.
Der Rat der Stadt Gotha tritt zurück.
In Greifswald und in Rostock konstituieren sich Untersuchausschüsse.
Die Bürgerinitiative "Kinderbewegung in der DDR" bildet sich.
Im Amt für Nationale Sicherheit wird ein Konsultationspunkt der Hauptabteilung Untersuchung eingerichtet.
Das Gebäude der SED-Kreisleitung Finsterwalde wird wegen Verdachts auf Aktenvernichtung kontrolliert. Pikanterweise gehören zu den Kontrolleuren auch Vertreter von CDU und NDPD, die selber kontrolliert gehören.
Eine Stahltür, der Zugang zu den Dienststellen der Staatssicherheit, in Bautzen II wird zugeschweißt. Bereits einen Tag zuvor begannen männliche Häftlinge aus der BRD mit einem Hungerstreik. Die anderen Häftlinge legten die Arbeit nieder. Einen Tag später wird von den Gefangenen ein Hungerstreik angedroht. Es wird ein Gefangenenrat gebildet. Am 06. und 07. öffneten sich die Gefängnistore für Medien, Neues Forum, Pfarrer und Rechtsanwalt.
Bürger der DDR, die ihren Wohnsitz in der BRD oder Westberlin haben können mit ihrem Ausweis oder Pass jederzeit in die DDR einreisen. Sie unterliegen auch nicht dem Mindestumtausch.
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