Erklärung der sowjetischen Regierung zu den Eigentumsbeschlüssen der DDR-Regierung (27. März 1990):

Im Zusammenhang mit der Erklärung der Regierung der DDR vom 1. März 1990 zu Fragen des Eigentums in der DDR erachtet es die sowjetische Regierung für erforderlich, folgendes zu konstatieren:

Die Erklärung vom 5. Juni 1945 über die Niederlage Deutschlands und das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 sahen die Annahme eines Programms von Maßnahmen vor, das auf die Ausmerzung des deutschen Militarismus und Nazismus und auf die Demokratisierung des politischen Lebens gerichtet ist, damit Deutschland nie wieder seine Nachbarn oder den Weltfrieden bedroht. Es wurden Beschlüsse über die Übergabe der gesamten deutschen Rüstungsindustrie in die Verfügungsgewalt der vier alliierten Mächte und über die Bestrafung der Kriegsverbrecher sowie über die Dezentralisierung der Wirtschaft mit dem Ziel gefasst, die in der Vergangenheit bestehende Überkonzentration der Wirtschaftsmacht zu eliminieren. Auf der Grundlage dieser Beschlüsse erließ der Alliierte Kontrollrat in Deutschland in den Jahren 1945/46 eine Reihe von Verordnungen, darunter das Gesetz Nr. 9 vom 20. November 1945 'Über die Konfiszierung des der Aktiengesellschaft IG Farbenindustrie gehörenden Eigentums und die Kontrolle darüber' und das Gesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 'Über die Bestrafung der Personen, die an Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden und gegen die Menschlichkeit schuldig sind', das unter anderem die Konfiszierung des Eigentums der erwähnten Personen vorsah.

In Verwirklichung dieser Verordnungen nahm die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) das Eigentum der Nazikriegsverbrecher, des faschistischen Staates und der deutschen Militäreinrichtungen unter Sequester und beschlagnahmte das Eigentum der nationalsozialistischen Partei.

Im Frühjahr 1946 wurden dieses Eigentum und die Betriebe durch einen Befehl der SMAD den örtlichen Organen der deutschen Selbstverwaltung übergeben.

Am 30. Juni 1946 wurde durch einen Volksentscheid im Land Sachsen das Gesetz über die Enteignung der Nazis und Kriegsverbrecher und die Überführung ihres Eigentums in Volkseigentum angenommen An der Abstimmung nahmen 93,7 Prozent der Erwachsenen teil. Für die Billigung des Gesetzes sprachen sich 82,42 Prozent aus. Diese Beschlüsse wurden 1946/47 von der Bevölkerung der gesamten Sowjetischen Besatzungszone unterstützt. Die Verwaltungen anderer Länder und Provinzen gaben ähnliche Beschlüsse heraus. Insgesamt wurden bis August 1946 9 281 Betriebe in Volkseigentum überführt.

Dieses Vermögen bildete die Grundlage für den volkseigenen staatlichen Sektor in Ostdeutschland. Später, bis Ende 1953, wurden viele Betriebe, die auf Anordnung der damaligen Besatzungsbehörden sowjetisches Eigentum waren, darunter mehrere Industriebetriebe, die auf der Grundlage der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz als Reparationsform der UdSSR gehörten, Eigentum des Volkes der DDR.

In Übereinstimmung mit den Zielen des Potsdamer Abkommens, mit Zustimmung der Sowjetischen Militäradministration und auf Forderung der Massen der werktätigen Bauern wurde 1945 von den Landesbehörden Ostdeutschlands die Bodenreform verwirklicht. In deren Verlauf wurden die Basis des reaktionären preußischen Junkertums beseitigt und 1945 und 1946 2 852 000 Hektar Land - sämtliche Ländereien der Kriegsverbrecher sowie der Großgrundbesitzer mit einer Fläche von mehr als 100 Hektar - beschlagnahmt. Dadurch wurde die Möglichkeit geschaffen, landarmen und landlosen Bauern, Obersiedlern und volkseigenen Betrieben Grund und Boden zur Verfügung zu stellen.

Es sei hervorgehoben, dass die sowjetische Seite den Alliierten Kontrollrat über alle Maßnahmen zur Demokratisierung des Eigentums in Ostdeutschland informiert hat, solange dieser Rat existierte. Der Kontrollrat nahm diese Informationen zur Kenntnis.

Da diese Maßnahmen im Rahmen des Programms der Entmilitarisierung und Entnazifizierung Deutschlands und der Entkartellisierung seiner Wirtschaft verwirklicht wurden, waren sie beim Prozess der Bildung antifaschistischer demokratischer Strukturen auf dem Territorium der heutigen DDR von prinzipieller Bedeutung.

Unter Berücksichtigung ihrer Rechte und ihrer Verantwortung in den deutschen Angelegenheiten tritt die Sowjetunion für die Wahrung der Gesetzlichkeit der Eigentumsverhältnisse in der DDR ein, und sie ist gegen die Versuche, die Vermögensverhältnisse in der DDR im Falle der Bildung der Währungs- und Wirtschaftsunion mit der BRD sowie im Falle des Entstehens des einheitlichen Deutschlands in Frage zu stellen. Das setzt voraus, dass beide deutsche Staaten im Prozess ihrer Annäherung und Vereinigung davon ausgehen, dass die 1945 bis 1949 von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland verwirklichten Wirtschaftsmaßnahmen gesetzmäßig waren. Absolut unannehmbar wären eventuelle Versuche, die Rechte der gegenwärtigen Besitzer von Boden und anderen Vermögens in der DDR in Abrede zu stellen, die seinerzeit mit Einwilligung oder auf Beschluss der sowjetischen Seite, die sich dabei von der Erklärung über die Niederlage Deutschlands, vom Potsdamer Abkommen und von anderen vierseitigen Beschlüssen und Entscheidungen leiten ließ, erworben wurden.

Die sowjetische Regierung teilt in dieser Frage die Position der Regierung der DDR, wonach es notwendig ist, die Rechtsordnung strikt einzuhalten sowie die sozialökonomischen Rechte und Interessen von Millionen Menschen in der DDR zu schützen.

TASS, Moskau, vom 27. März 1990

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