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Herr Schnur, distanzieren Sie sich von der Schmutzkampagne gegen die SPD!

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Sielaff, Mitglied des Bundestagsausschuss für innerdeutsche Beziehungen, hat den Vorsitzenden des demokratischen Aufbruch, Rechtsanwalt Wolfgang Schnur, aufgefordert, sich von der Schmutzkampagne gegen die DDR-SPD zu distanzieren. Wir veröffentlichen den Brief im Wortlaut.

Sehr geehrter, lieber Herr Schnur,

wir sind uns wiederholt - in schwierigen Zeiten bei Internen Gesprächen in der Samariter-Kirchengemeinde bei Herrn Pfarrer Eppelmann – begegnet.

Gemeinsam mit Jürgen Schmude und - falls er nicht an der Grenze zur DDR zurückgehalten wurde - Gert Weisskirchen haben wir in kleinem Kreise engagierter Christen überlegt und geplant, wie der Demokratisierungsprozess verstärkt werden könnte, wie die Realisierung der Menschenrechte und die Anwendung der KSZE-Akte in der DDR in Gang gesetzt und von uns, wenn auch nur in bescheidenem Maße, geholfen werden kann. Ich habe in diesen offenen Gesprächen viel gelernt und bin immer mit Hochachtung von der menschlich verantwortungsbewussten und demokratischen Grundeinstellung aus diesen Gesprächen nach Hause gefahren.

In diesem Kreis in der Samariter-Kirchengemeinde in Berlin/Ost wurde auch immer wieder die Wichtigkeit der Arbeit der Sozialdemokraten aus der BRD hervorgehoben und unterstrichen. Und nun er lebe ich in der DDR einen Wahlkampf mit Diffamierungen und Unterstellungen schlimmster Art auch gegen Sozialdemokraten. In großem Maße beteiligt sich daran auch der von Ihnen geführte Demokratische Aufbruch. Darüber bin ich entsetzt und persönlich enttäuscht. Ich selbst habe In meinen Reden in der DDR, trotz unterschiedlicher parteipolitischer Auffassungen, immer darauf hingewiesen, wie Menschen, die heute in unterschiedlichen politischen Gruppen arbeiten, gemeinsam die Demokratie erkämpft haben und dass diese gemeinsame demokratische Basis nicht zerstört werden darf und man auch nach dem Wahlkampf wiederum gemeinsam die schweren Aufgaben zu lösen hat.

Deshalb mehr Appell und meine Bitte an Sie: Lassen Sie nicht zu, dass diese Schmutzkampagne (vermutlich durch Ihre politischen Partner aus der Bundesrepublik in Gang gesetzt und finanziert) insbesondere gegen die Sozialdemokraten, die Atmosphäre in der DDR zwischen den Reformgruppen vergiften und ein gemeinsames Arbeiten für die Demokratie blockieren.

Bekennen Sie sich dazu, dass es - vielleicht sogar in der Hauptsache - gerade Sozialdemokraten waren, die ohne große Presse den Reformgruppen auch vor dem 9. November zur Seite standen.

Lesen Sie es nicht zu, dass wir als antidemokratisch oder als Gegner der Freiheit diffamiert werden. Es ist eine schlimme Verleumdung, die traditionsreiche SPD mit einer SED in einen Topf zu werfen und in Flugblättern zu polemisieren: "Wir wollen die Einheitssozialisten nicht mehr, auch nicht als demokratische Sozialisten oder soziale Demokraten." Andere Flugblätter sind da noch schamlosen und drastischer.

Ich bitte Sie, distanzieren Sie sich noch vor dem 18. März von dieser Schmutzkampagne gegen Sozialdemokraten!

Mit besten Grüßen
Ihr
gez. Horst Sielaff

Sozialdemokratischer Pressedienst, 45. Jahrgang, 48, Fr. 09.03.1990

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