Demokratie Jetzt
Am 13. August 1989 erläuterten Mitglieder der Initiative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung (IAPPA), Michael Bertozek, Hans-Jürgen Fischbeck und Gerhard Weigt, das Anliegen ihrer Initiative in der Bekenntnis-Kirche in Berlin-Treptow. In der Diskussionsrunde wurde von Hans-Jürgen Fischbeck die Forderung erhoben, eine oppositionelle Sammlungsbewegung zur demokratischen Erneuerung der DDR ins Leben zu rufen.
Daraufhin wurde ein in Berlin von der IAPPA verfasster "Aufruf zur Einmischung in eigener Sache" am 12. September 1989 vervielfältigt und am 15. September auf der Synode der evangelischen Kirche in Eisenach verbreitet. In ihm wird zu einer Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt" aufgefordert. Des weiteren werden "Thesen für eine demokratische Umgestaltung der DDR" verabschiedet. Der auf dem Gründungstreffen geäußerte Vorschlag, mit dem Neuen Forum zu fusionieren wurde abgelehnt.
In dem Gründungsaufruf heißt es u. a.:
"Der Sozialismus muss nun seine eigentliche, demokratische Gestalt finden, wenn er nicht geschichtlich verloren gehen soll. Er darf nicht verloren gehen, weil die bedrohte Menschheit auf der Suche nach überlebensfähigen Formen menschlichen Zusammenlebens Alternativen zur westlichen Konsumgesellschaft braucht, deren Wohlstand die übrige Welt bezahlen muss".
Statt eines vormundschaftlichen, von der Partei beherrschten Staates, der sich ohne gesellschaftlichen Auftrag zum Direktor und Lehrmeister des Volkes überhoben hat, wollen wir einen Staat, der sich auf den Grundkonsens der Gesellschaft gründet, der Gesellschaft gegenüber rechenschaftspflichtig ist und so zur öffentlichen Angelegenheit (RES PUBLICA) mündiger Bürgerinnen und Bürger wird. Soziale Errungenschaften, die sich als solche bewährt haben, dürfen durch ein Reformprogramm nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Demokratie Jetzt forderte nicht nur Reformen in der DDR, sondern auch Reformen in der BRD.
Gründungsmitglieder von Demokratie Jetzt waren u.a. Stephan Bickhardt, Hans-Jürgen Fischbeck, Katrin Göring-Eckardt, Reinhard Lampe, Ludwig Mehlhorn, Ulrike Poppe, Wolfgang Ullmann und Konrad Weiß.
Die InitiatorInnen von DJ gingen damals von einem jahrelangen Kampf gegen die Herrschenden in der DDR aus. Ein erstes Vertretertreffen war dann auch erst für Januar oder Februar 1990 geplant. Einen Versuch, ihrer Organisation legalisieren zu lassen, wie das Neue Forum es anstrebte, hielten sie für aussichtslos.
Am Neuen Forum störte sie vor allem der Verzicht auf programmatische Aussagen. Auch wurde nicht zum Dialog mit den Herrschenden aufgerufen. Demokratie Jetzt wendete sich an die Bevölkerung der DDR.
Demokratie Jetzt versuchte Schriftsteller wie Stefan Heym und Christa Wolf zu gewinnen. Beide lehnten aber ab. Nachdem Hans Modrow Ende September 1989 in Stuttgart laut dpa erklärt hatte, man müsse in der DDR über Reformen nachdenken, wurde Anfang Oktober ein Brief an in geschrieben. Den er aber nicht beantwortete. Einen Brief erhielt auch die LDPD. Sie antwortete mit einem Gesprächsangebot. Ein Brief wurde auch an Michail Gorbatschow vor seinem Besuchs zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR geschrieben.
Am 27. Oktober ruft Demokratie Jetzt bei einer Veranstaltung in der Gethsemanekirche in Berlin zu einem "Volksentscheid 1990" auf. In dem Aufruf heißt es:
"Die Zeit drängt. Das Volk soll entscheiden. Wir brauchen Demokratie für unser Land jetzt.
Wir fragen: Gibt es für den Führungsanspruch der SED, auf den Egon Krenz schon wenige Minuten nach seiner Wahl zum Staatsratsvorsitzenden der DDR verwies, einen klaren Auftrag der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes?
Wir meinen: Sozialismus sollte auf dem Mehrheitswillen der Bürgerinnen und Bürger und nicht auf der festgeschriebenen Führungsrolle der SED beruhen. Sozialismus hört mit dem Ende solcher Vorherrschaft nicht auf. Er fängt mit lebendiger Demokratie an.
Wir fordern: "Demokratische Willensbildung ohne festgeschriebene Führungsrolle der SED".
Bis Ende November hatten 75 000 mit ihrer Unterschrift das Anliegen eines Volksentscheids unterstützt.
Auf der Veranstaltung fordert Wolfgang Ullmann einen Runden Tisch. Die Vertreter von Demokratie Jetzt am Zentralen Runden Tisch wurden bei ihnen durch Wahlen bestimmt. Demokratie Jetzt wollte von Beginn an eine Regierungsbeteiligung am Zentralen Runden Tisch.
Auf einem Treffen in der Erlöserkirche in Berlin am 24.11. ist der Runde Tisch und der Volksentscheid Thema. Es wird die Absicht erklärt, im Bündnis mit anderen oppositionellen Initiativen und Parteien eigene Kandidaten für die Parlamentswahlen aufstellen zu wollen.
Am 14.12.1989 wird ein "Dreistufenplan der nationalen Einheit" vorgestellt. Er sieht eine schrittweise politische Annäherung der beiden deutschen Staaten vor. Reformen sollen danach in der ersten Stufe nicht nur in der DDR, sonder auch in der BRD erfolgen. In der zweiten Phase sollte ein Nationalvertrag geschlossen werden. Der zu bildende Staatenbund sollte sowohl der EG wie auch RGW angehören. Die Bürger der DDR und der BRD sollten eine doppelte Staatsbürgerschaft erhalten. In der dritten Stufe war der Abzug aller ausländischen Truppen vorgesehen. Ein Friedenvertrag sollte mit dem Bund deutscher Länder geschlossen werden. Über den auch die politische Einheit herzustellen sei.
Vom 19.01.-21.01.1990 fand in Berlin das erste Landesvertretertreffen von Demokratie Jetzt statt. In den Programmaussagen heißt es u.a.:
"Übergang von der Staatsplanwirtschaft zur sozial und ökologisch orientierten Marktwirtschaft: Der Übergang muss zügig und entschlossen mit einer klaren Perspektive eingeleitet werden: baldiger Wirtschafts- und Währungsverbund mit der Bundesrepublik im Rahmen der europäischen Integration".
Abgelehnt wird die Einheit in Form eines Anschlusses. Befürwortet wird eine schrittweise Annäherung an die BRD. Konrad Weiß, der für die Einheit eintrat, sagte später, "meine Entscheidung zu sagen, ich gehe jetzt für die erneute Diskussion des Punktes aus dem Saal, um die Diskussion nicht zu belasten, weil ich in dieser Frage sehr dominierend gewesen bin. Dass ist von manchen dann interpretiert worden vielleicht als ein Austritt, zumindest als ein zeitweiser Austritt". Und damit lagen sie richtig. Mit seinem Auszug aus dem Saal beeinflusste Konrad Weiß die Diskussion wahrscheinlich stärker, als wenn er im Saal geblieben wäre. Eine weiter Mitarbeit bei Demokratie Jetzt wäre ohne Entscheidung in seinem Sinne für ihn nicht mehr möglich gewesen, sagte er. Nach einer dann gefundenen Kompromissformulierung erklärte er, zur weiteren Mitarbeit bereit zu sein. Gestritten wurde auch über die Frage ob das Ziel einer gemeinsamen Währung mit der BRD formuliert werden sollte oder nicht.
Als Sprecher werden Hans-Jürgen Fischbeck, Wolfgang Ullmann und Konrad Weiß gewählt.
In das Programm wurde das vorliegende frauenpolitische Papier nicht aufgenommen, da es nicht hinreichend ausgearbeitet gewesen sei, so die Begründung.
Vor dem Beschluss zum Eintritt in die Regierung-Modrow als Minister ohne Geschäftsbereich am 28.01.1990, wird innerhalb DJ darüber diskutiert Schlüsselpositionen wie das Ministerium des Innern und des Bildungsministerium zu besetzen.
Die zweite Vertreterversammlung fand am 10./11.02.1990 statt. Dort wird die Befürchtung geäußert, eine schnelle Währungsunion führe zu 1,5 bis 2 Millionen Arbeitslosen binnen eines Jahres.
Es wurde sich dafür ausgesprochen, Grund und Boden, Immobilien, Produktionsstätten und -mittel im Besitz von genossenschaftlichen, gesellschaftlichen und privaten Eigentümern in der DDR bleiben müssen.
Zuvor war schon der Rücktritt der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrates für den Bereich Wirtschaft, Christa Luft, gefordert worden.
Nach den Verhandlungen der Regierung Modrow mit der Bundesregierung in Bonn im Februar 1990 erklärte Demokratie
Jetzt, dass die Ergebnisse "unzureichend und politisch falsch", seien. Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands sowie die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze fanden keine Berücksichtigung beim Bundeskanzler, so die Kritik. "Eine schnellstmögliche Währungsunion erscheint uns wirtschafts- und sozialpolitisch als ein unvertretbares Risiko. Wir sehen in der Politik der Bundesregierung eine Gefährdung des Demokratisierungsprozesses und des Rechts auf Selbstbestimmung der Bevölkerung der DDR", heißt es in der Erklärung.
In der 13. Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 19.02.1990 erklärte Konrad Weiß: Für die Bürgerbewegung Demokratie Jetzt ist es unannehmbar, dass auch nur darüber nachgedacht wird, dass die NATO auf das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik ausgeweitet werden könnte und es ist für uns ebenso unannehmbar, dass die Frage der Oder Neiße-Grenze nicht vor der Herstellung der deutschen Einheit geklärt ist.
Zu den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 schließen sich am 07. Februar Demokratie Jetzt, Initiative Frieden und Menschenrechte und Neues Forum zu einem Wahlbündnis mit dem Namen "Bündnis 90: Bürger für Bürger" zusammen. Von Demokratie Jetzt kommt der Vorschlag, Wolfgang Ullmann als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten für das Bündnis 90 zu nominieren.
Gründungsmitglied des "Interforum für Demokratie und Menschenrechte", am 22.04.1990 in Berlin, während einer Konferenz, zu der die Föderation für ein Demokratisches China, eingeladen hatte.
Für 16.06.1990 lud eine Initiativgruppe nach Frankfurt/Main zu einer Gründungsversammlung des DJ West ein. Vom 22.-24.06.1990 fand in Dresden die 4. Vertreterkonferenz statt. Themen waren u.a. die Wirtschafts- und Währungsunion, sowie die Haltung zum Staatsvertrag.
Zu den gesamtdeutschen Wahlen ging Demokratie Jetzt mit Grüner Liga, Die Grünen (DDR), Initiative für Frieden und Menschenrechte, Neues Forum, dem Unabhängigen Frauenverband und Einzelpersonen der Vereinigte Linke und Die Grünen (BRD) eine Listenverbindung unter dem Namen "Die Grünen/Bündnis 90-BürgerInnenbewegungen" ein. Im Beschluss vom 05.08.1990 distanzierte sich das Bündnis von der PDS und drängte die VL als Organisation aus dem Bündnis hinaus.
Anfang Februar 1991 beschließen DJ und IFM ihre Vereinigung bis Oktober 1991 unter dem Namen "Bündnis 90". Auf einer Konferenz am 28.-29.06.1991 in Berlin werden weitere Weichen, z.B. Bildung von Arbeitsgruppen, zur Gründung des Bündnis 90 gestellt. Über einen ersten Satzungsentwurf und über Thesen für eine gemeinsame Bürgerbewegung Bündnis 90 wurde diskutiert. Bis zum Hebst 1991 sollte die organisatorische Gründungsvorbereitung abgeschlossen sein. Das Neue Forum wurde zur Mitarbeit eingeladen.
Am 21.-22. September 1991 wurde dann das Bündnis 90 in Potsdam aus der Taufe gehoben. Ihm schließen sich auch Teile des Neuen Forum an. DJ soll zu diesem Zeitpunkt ca. 600, die IFM rund 150 und das NF etwa 5 000 Mitglieder gehabt haben. Das NF blieb aber im Gegensatz zu DJ und der IFM als eigenständige Organisation bestehen. In Magdeburg wurde im Dezember 1990 ein Arbeits- und Aktionsbündnis zwischen DJ und dem DA bekannt gegeben.
Hintergrund zur Bildung des Bündnisses 90 war die Übergangsregelung des Einigungsvertrages nach der nur noch bis Oktober 1991 politische Vereinigungen aus der DDR an Wahlen teilnehmen durften. Um weiter wahlfähig bleiben zu können, mussten sie nach BRD-Recht parteiähnliche Strukturen übernehmen. Außerdem hatte sich frühere Mitstreiter aus der politischen Betätigung zurückgezogen oder sind zu anderen Organisationen gewechselt. Die Wahlergebnisse des Jahres 1990 ließen zudem in Zukunft wenig politische Einflussnahme erwarten.
Demokratie Jetzt, die Initiative Frieden und Menschenrechte und das Neue Forum hatten im Verhältnis zu ihrer organisatorischen Größe viele Parlamentarier. Woran auch Mitarbeiter hingen. Sie wollten für sich eine Perspektive.
Der Name, Demokratie Jetzt, brachte schon eine zeitliche Begrenzung der Organisation zum Ausdruck. Was aber bei den Gründungsüberlegungen keine Rolle spielte.
Die Gründung des ersten Landesverbandes von Bündnis 90/Die Grünen erfolgte am 27.-29.09.1991 in Zwickau.
Der Zusammenschluss in einer Partei zwischen Bündnis 90 und den Grünen erfolgte nach langen Verhandlungen im Mai 1993.
Demokratie Jetzt gelang es nicht, wie etwa dem Neue Forum, sich mit einigen Abstrichen republikweit zu organisieren. Einer ihrer Schwerpunkte war Berlin, Brandenburg und einige Bezirksstädte. Neben dem schnell wachsenden Neuen Forum hatte eine zweite bürgerbewegte Organisation keinen Platz. Auch die Herkunft von Demokratie Jetzt stand einer raschen Ausbreitung im Wege.
Wie bei anderen Organisationen des Herbstes 1989 auch, wurde der Mitgliederregistratur keine Beachtung geschenkt, was zeitlich und personell auch nicht möglich gewesen wäre. Erst im Frühjahr 1990, als die Anhängerschar bereits bröckelte, wurden die Mitglieder erfasst.
Seit Oktober 1989 gab Demokratie Jetzt ein eigenes Informationsblatt mit dem Namen "DEMOKRATIE JETZT Zeitung der Bürgerbewegung" heraus. Am dem 03.10.1990 war es das Blatt von Demokratie Jetzt und der Initiative für Menschenrechte. Im Dezember 1990 wurde es in "BÜNDNIS 2000" umbenannt.
Von der Rechtsstelle des MfS wurden die DJ-Schriften als staatsfeindliche Hetze eingestuft.
Die "Initiative für Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung" (IAPPA) beteiligte sich an der Kontrolle der Kommunalwahlergebnisse vom 07. Mai 1989. Mitglieder der IAPPA versuchten vergeblich sich für die Wahl als Mandatsträger aufstellen zu lassen. Im Juli 1989 wurde auf dem evangelischen Kirchentag in Leipzig Volkskammerwahlen nach einem reformierten Wahlrecht gefordert.
Demokratie Jetzt war die einzige Organisation in dessen Gründungskern sich kein Stasispitzel befand. Die Stasi hatte auch nicht versucht Spitzel im Gründungskern zu platzieren. Was an seiner Abgeschottetheit und der Rekrutierungspraxis seiner Mitglieder lag. Wohl aber auch daran, dass die IAPPA-Aktivitäten innerkirchlich ausgerichtet waren und es zunächst kein Bestreben gab außerkirchlich zu wirken. Die IAPPA versuchte zuerst die Kirche zu stärken. Von dort sollten die Forderungen an die SED herangetragen werden. Die evangelische Kirche sollte als demokratische Institution zu einem eigenständigen Handeln gebracht werden.
Die IAPPA wendete sich bewusst nicht an die Westmedien sondern an die demokratisch gewählte Synode.
Erst als die Mitglieder der IAPPA ihr Scheitern erkennen mussten, traten sie aus der kirchlichen Öffentlichkeit hinaus und riefen zu einer Sammlungsbewegung auf.
Den Begriff der Abgrenzung bezog sich nicht nur auf die Ost- und Westgrenzen der DDR, sondern auch auf die Prozesse in dessen Inneren. Aus dem Geflecht von Praxis der Abgrenzung wurde ein Prinzip. Daher der Name "Praxis und Prinzip der Abgrenzung" und die Reihenfolge.
Laut Ludwig Mehlhorn war zu Beginn des Jahres 1989 die spätere Gruppe "Demokratie Jetzt" bereits eine arbeitsfähige, aufeinander eingespielte Gruppe, deren Kern seit 1986 bestand. Zu Erich Honeckers Äußerungen über die Berliner Mauer bei der Tagung des Thomas Müntzer Komitees am 19.1.1989, wurde ein Offener Brief verfasst. Ein weiterer Offener Brief erfolgte am 01.07.1989 anlässlich der gefälschten Kommunalwahl vom 07.05.1989.
"Nach unserer - vermutlich auch aus heutiger Sicht noch richtigen - Einschätzung war die Gefahr eines gewaltsamen Einschreitens desto geringer, je stärker der Einfluss der Opposition auf die Gesellschaft war. Es kam also auch darauf an, den sich verstärkenden 'Volkszorn' zu kanalisieren und in Bahnen konstruktiven Handelns zu lenken. Diesem Ziel diente die Ankündigung, eine 'oppositionelle Sammlungsbewegung' ins Leben zu rufen," so Ludwig Mehlhorn.
Zur Gründung von Demokratie Jetzt meinte er, durch die Ausreisewelle 1989 geriet die DDR-Führung viel stärker unter Druck und internationalen Rechtfertigungszwang als durch die Aktivitäten der politischen Opposition. Die Opposition musste ein Angebot an diejenigen Menschen machen, die nur noch im Weggehen eine Perspektive für sich selbst entdecken konnten. Der günstige Zeitpunkt zum Handeln war möglicherweise schon verpasst und die Opposition lief der Entwicklung nur hinterher. (1)
Wie bei anderen Organisationen auch, wurde von einem langen Kampf gegen die SED um mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu erringen ausgegangen. Zumal die Basisgruppen in der DDR klein und oftmals isoliert von der Bevölkerung waren. Ein Konzept für eine Massenbewegung und dem schnellen Ende der DDR innerhalb eines Jahres hatte keiner. In den Jahren 1989/90 zeigte sich die Überlegenheit der Politprofis gegenüber den Politamateuren.
"Ludwig Mehlhorn schrieb dazu:
'Demokratie jetzt' versuchte in dieser Situation des zunehmenden Drucks der Öffentlichkeit auf das Regime zweierlei. Zum einen musste innerhalb dieser Bewegung die Kommunikation über politische Ziele und Inhalte beginnen, denn Einigkeit konnte nur im Blick auf die Vergangenheit vorausgesetzt werden. Als demokratische Opposition in der SED-Diktatur hatten wir zwar eine Strategie des 'langen Atems', aber keinerlei Konzept für den Tag 'X', an dem eine Massenbewegung in Erscheinung trat. Auf diese Situation - ebenso wie auf die Öffnung der Mauer - war niemand inhaltlich vorbereitet." (2)
Demokratie Jetzt war die erste Organisation, die den Begriff Bürgerbewegung benutzte. Laut Carlo Jordan soll Ludwig Mehlhorn den Begriff "Bürgerrechtler", der in der DDR nicht gebräuchlich war, aus dem polnischen entlehnt und in der DDR eingeführt haben. Die vom MfS so genannten feindlich-negativen Kräfte, benutzten den heute oft gebrachten Begriff Opposition für sich nicht. Es wurde oftmals von Basisgruppen gesprochen.
Nach Gerhard Weigt wurde aus den Begriffen "Sammlungsbewegung" und "Bürgerkomitee Solidarność" das Wort "Bürgerbewegung". Die Bezeichnung "Demokratie jetzt" sei als aktionsbezogene Ergänzung gewählt worden. Pate gestanden bei der Bezeichnung "Demokratie jetzt" hat der Namen der israelischen Friedensbewegung "Frieden jetzt". (3)
Stephan Bickhardt berichtete später, auf der Gründungsversammlung rief ein Teilnehmer: "Demokratie ja, aber jetzt!"
Hans-Jürgen Fischbeck sagte am Gründungsabend von Demokratie Jetzt am 12. September 1989: "Wir nennen das jetzt mal Sammlungsbewegung für die demokratische Umgestaltung." Da sprang Wolfgang Ullmann vom Sofa auf und rief: "Nein, das hat schon Adolf Hitler gesagt am Anfang seiner Bewegung, das geht nicht." (4)
(1) Mehlhorn, Ludwig in "Am Ende des realen Sozialismus (3)"
(2) Weigt, Gerhard in "DEMOKRATIE JETZT, Der schwierige Weg zur deutschen Einheit"
(3) ebenda, S. 276
(4) 25. Bautzen-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro Sachsen 7. und 8. Mai 2014