Die PDS "gehört schon entmachtet"
Konrad Weiß ("Bündnis '90") für Vermögenskontrolle der alten Blockparteien, aber nicht auf rechtswidrige Weise
taz: Der Beschluss über die Kontrolle des Eigentums der Blockparteien war überfällig?
Konrad Weiß: Ja. Es war eine Forderung, gleich im Herbst 1989, dass die Parteien und Massenorganisationen, die damals bestanden, insbesondere die SED, die CDU und die anderen Blockparteien, auch der FDGB, die FDJ, ihre Vermögen offen legen und dass festgestellt wird, was davon rechtmäßig erworben wurde und was nicht. Das hat sich lange hingezogen, das wurde blockiert...
Von wem?
Von der Modrow-Regierung. Es hat auch einige kosmetische Operationen gegeben, Gregor Gysi hat beispielsweise aus dem Parteivermögen der SED 3 Milliarden Mark freiwillig abgegeben - all das hat dazu geführt, dass die Sache hinausgezögert wurde. Vor der Währungsunion muss das unbedingt festgestellt werden...
Können Sie ein konkretes Beispiel für unrechtmäßig angeeignetes Vermögen nennen?
Das Riesengebäude, in dem sich das ZK befunden hat, das gehörte der Reichsbank.
Deswegen sind die Tresore der Staatsbank im Keller des ZK der SED gewesen?
So ist es. Das ist ein typischer Fall, das Gebäude gehört dem Staat, also dem Volk. Es gibt natürlich Altbestände, die Sowjetische Militäradministration hat die 1933 von den Nazis enteignete KPD-Besitztümer zurückgegeben. Es gibt auch rechtmäßiges Eigentum, auch bei der CDU. Das muss aber überprüft werden.
Hat die CDU diese Überprüfung auch verzögert?
Natürlich. Hier würde ich niemand ausnehmen. Keine von den alten Parteien hat das Interesse gehabt, ihre Vermögensverhältnisse offen zu legen. Die SED ist da genauso wie die CDU belastet.
Das Bündnis '90 war in der Abstimmung nicht einer Meinung?
Es gab bei uns keine jubelnde Zustimmung. Man kann kein Recht schaffen wollen, indem man neues Unrecht schafft. Wir haben erhebliche rechtsstaatliche Bedenken gegen das Hau-Ruck-Verfahren. Nach meiner Meinung ist es auch ein Unding, dass die Kommission, die unabhängig sein soll, vom Ministerpräsidenten, also vom CDU-Repräsentanten festgelegt wird. Wir wollten das Parlament als Kontrollorgan einsetzen, das hat die CDU-Mehrheit abgelehnt.
Das Handstreich-Verfahren sollte verhindern, dass etwas vertuscht wird. Täglich fahren Schwerlaster mit verdeckter Plane und LKW's mit zerschnitzelten Papiersäcken aus dem ZK-Gebäude heraus...
Das ist für mich ein Vorwand. Wenn etwas ins Trockene gebracht werden sollte, dann ist das längst passiert, seit dem 7. Oktober war genug Zeit.
Im Prinzip sind Sie aber für diese Kontrolle?
Wir sind nicht gegen die Sache an sich. Dieses Gesetz darf aber nicht zum Vorwand dienen, um die PDS praktisch zu entmachten und an der politischen Arbeit zu hindern...
Ein bisschen Entmachtung wird sich nicht vermeiden lassen, wenn man der PDS das SED-Vermögen nimmt.
Das finde ich auch nicht böse, denn eine Partei, die soviel Unheil angerichtet hat und sich soviel angeeignet hat, die gehört schon entmachtet.
Interview: K.W.
die tageszeitung, DDR-Ausgabe Sa. 02.06.1990