Deutsche Soziale Union

Die DSU schloss sich im Januar [1990] aus zwölf Gruppierungen zu einer konservativ-liberalen Partei zusammen. JW sprach mit dem Vorsitzenden, Pfarrer Hans-Wilhelm Ebeling aus Leipzig.

Auf Plakaten mit der DSU-Losung "Freiheit statt Sozialismus" haben pfiffige Wähler in der Nähe des Bahnhofes Berlin-Schöneweide das Wörtchen "statt" durch ein "und" ersetzt. Ist das nicht eine erstrebenswerte Lösung?

Nein. Unsere Partei kämpft gegen jede Art von Sozialismus. Sozialismus ist für mich eine phantastische Idee, die mit dem Menschen, so wie ihn Gott geschaffen hat, nicht umzusetzen ist. Für mich hat Karl Marx gegen Ludwig Erhard, der die soziale Marktordnung eingeführt hat, verloren.

Die DSU strebt die deutsche Einheit und soziale Marktwirtschaft so schnell wie möglich an. Viele machen in diesem Zusammenhang auf soziale Gefahren aufmerksam, teilen Sie diese Sorge?

Nach meinen Informationen aus Bonn sind wir in der DDR wirtschaftlich so nieder, dass wir allein gar nicht mehr aus dem Schlamassel herausfinden. Bleiben wir ein selbständiger Staat, sind wir Ausland für die BRD, in dem sich Investitionen nicht lohnen.

Ist die Marktwirtschaft ein Allheilmittel für ein besseres Leben der Bürger der DDR?

Wir sehen es in der BRD: Die private Wirtschaft ist gut in der Lage, ökonomische, ökologische und soziale Fragen zu lösen. Natürlich weiß ich, dass es auch im Westen negative Dinge gibt. Zum Beispiel Randgruppen. Menschen, die ausgegrenzt sind. Auch müssen wir das Problem der Arbeitslosigkeit besser in den Griff bekommen und verhindern, dass die Rentner weiter in eine soziale Unsicherheit abgleiten. Ich möchte mich auch dafür einsetzen, dass Gruppen, die anders denken als die Mehrheit, geachtet und geschützt werden, überhaupt jede Gewalt begrenzt wird.

Welche Wege sieht denn die DSU, um die genannten Probleme zu lösen?

Wir sind jetzt dabei diese Fragen im einzelnen zu erkunden und nach Wegen zu suchen, um sie zu beantworten. Ich habe zum Beispiel im Moment das Problem, wie bei einer Währungs- und Wirtschaftsreform den Menschen so geholfen werden kann, dass Ängste abgebaut werden. Darum kümmern sich bei uns Fachleute, ich kann da nichts Genaueres sagen.

Arbeitslose sind schon fest eingeplant?

Für eine vorübergehende Zeit bestimmt. Wobei ich nicht sicher bin, ob es überhaupt Arbeitslose geben muss, zu tun gibt es ja bei uns im Land genug. Für diejenigen, die ohne Arbeit sind, wird es wichtig werden, flexibel zu sein und umzuschulen.

Ist eine gewisse Angst vor der Zukunft völlig unbegründet?

Es kann doch nur besser werden. Ich wehre mich dagegen, mit der Angst Politik zu machen. Vor allem die linken Gruppierungen tun das, um die Einheit Deutschlands zu verhindern. Aber die Menschen wollen sie. Ich stelle mir das vor wie eine Operation; sie ist ein bisschen schmerzhaft. Aber lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Es wird eine nicht allzu lange Zeit geben, in der wir Probleme zu meistern haben. Aber, und das hat mir auch der Kanzler gesagt, hier wird ein wirtschaftlicher Aufschwung kommen, der größer sein wird als nach 1945 in der BRD. Das ist meine feste Überzeugung.

Die Regierung Modrow kam im Gegensatz zu Ihnen weniger froh aus Bonn in die Heimat zurück, man hatte wohl mehr, Entgegenkommen von der Bundesregierung erwartet.

Die Enttäuschung der Regierung - ich kann das nicht nachvollziehen. Ich finde es schon eigenartig, wenn die Regierung der DDR mit Ministern, von denen einige noch nicht einmal für die Einheit sind, plötzlich von der BRD 15 Milliarden Mark fordern. Das Geld ist natürlich da, aber vorher muss es gesetzliche Regelungen geben, die zum Beispiel dem westlichen Kapital die Türen öffnen, und eine Regierung, die wirklich legitimiert ist.

Besteht bei der Einführung der gesetzlichen Regelungen, die Sie meinen, nicht die Gefahr, dass die DDR als Geschenksendung an die BRD geht?

Was wird denn geschenkt? 16 Millionen Menschen, die Erfahrungen mit einem totalitären System, Hoffnung und Aktivität, ansonsten haben wir fast ein totes Land. Mehr bringen wir nicht ein.

Heißt das, in diesem Land haben sich die Menschen 40 Jahre, lang umsonst angestrengt?

Nein, wenn sich einer ein Haus erarbeitet hat oder einen kleinen Betrieb, bleibt das sein Haus, sein Betrieb.

Ich hatte jetzt eher an solche Dinge wie das Netz von Kinderkrippen und -gärten, medizinische Betreuung und so weiter gedacht, damit zum Beispiel Frauen beruhigt arbeiten gehen können.

Das, was sich in diesem Land abgespielt hat, war negativ. Die Frauen wurden ausgebeutet. Wenn sie arbeiten gehen, weil der Mann zuwenig Geld verdient, gut. Ich kann aber nicht verstehen; wenn eine Frau drei Kinder hat und arbeiten gehen will, um eine gewisse Befriedigung in ihrem Leben zu finden. Die Gleichberechtigung muss gewahrt werden. Nur ist für mich Kindererziehung keinesfalls minderwertiger als die Arbeit in einem Betrieb. Wenn der Mann bereit ist, die Kinder zu erziehen, warum nicht.

Wie steht die DSU zur Jugend?

Ich sehe in der Jugend den Motor einer Gesellschaft. Wir haben die Junge Union gegründet, die ihre Ideen einbringt. Für eine eigene Jugendfraktion im Parlament sind wir nicht, sondern bauen auf viele junge Abgeordnete in der Parteifraktion.

Die DSU versteht sich als Schwesterpartei von CSU und CDU der BRD. Zahlreiche Auftritte westlicher Politiker, zum Beispiel von Theo Waigel und Helmut Kohl, sind geplant. Der Runde Tisch hat sich gegen eine derartige Wahlunterstützung ausgesprochen.

Die Empfehlung des Runden Tisches ist für uns nicht maßgeblich. Wir sind sehr froh über diese Unterstützung. Schreibmaschinen, Papier, Werbematerial. Alles ist jetzt aus der BRD eingetroffen.

(Das Gespräch führte
Heidrun Braun)

aus: Junge Welt, Nr. 44 B, 21.02.1990, 44. Jahrgang, Linke Sozialistische Jugendzeitung

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