Öffentliche Dienste: Frauenkonferenz tagte in Erfurt

Soziale Strategie schnellstens nötig

Selbstherrliche Leiter entscheiden willkürlich über das Schicksal alleinstehender Mütter

Der Startschuss zur Schaffung von Personengruppenvertretungen in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste wurde am Wochenende [21./22.04.1990] in Erfurt gegeben. Vertreterinnen aus Bezirken und Fachverbänden berieten auf ihrer 1. Frauenkonferenz, wie sie mit der Erneuerung der Frauenarbeit einen Beitrag zur demokratischen Umgestaltung ihrer Organisation leisten können. Gäste waren ebenfalls da: Kolleginnen der Partnergewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen der BRD. Sie fanden Gehör. Delegationsleiterin Ulrike Oesterreich forderte, sich eng zusammenzuschließen, um Fraueninteressen in beiden Ländern zu wahren. Schwerpunkt sei der Kampf um Verkürzung der Arbeitszeit.

Gegen Leiterwillkür

Zum Abschuss der zweitägigen Beratung wurden ein Forderungskatalog an die Delegierten der 3. Zentraldelegiertenkonferenz sowie die Richtlinie zur Frauenarbeit verabschiedet, die die diskutierten Probleme zusammenfassen.

Was steht drinnen? Unter anderem, dass es staatlicherseits noch keine Umschulungskonzepte gibt oder soziale Strategien vorliegen. Selbstherrliche Leiter entscheiden willkürlich über das Schicksal alleinstehender Mütter und älterer Kolleginnen. Das einzig Greifbare sei bisher die gewerkschaftliche Gegenstrategie in Form von Schutzabkommen. Doch wenn sie auf dem Papier stehen, sind sie noch lange keine Praxis. Bittere Erfahrungen.

"Das Traumziel einer real existierenden Gleichberechtigung der Geschlechter" formulierte Eva Günther vom Bundesvorstand des DFD. Und die Realität? Die Lohnentwicklung besonders in Branchen mit hohem Frauenanteil, wie Handel, Banken, Versicherungen und Dienstleistungen, ist zurückgeblieben. Im Durchschnitt verdienen Frauen insgesamt ein Viertel weniger als Männer bei gleichzeitig geringeren Chancen auf einen attraktive Arbeitsplatz. Diese Situation war vorprogrammiert, da in der Vergangenheit für rund zwei Drittel aller Schulabgängerinnen nur 16 Facharbeiterberufe möglich waren, die zu den am schlechtesten bezahlten gehörten.

Für Quotenregelung

Also differenzierte Anwendung einer Quotenregelung und spezifische Qualifikationsprogramme besonders für Alleinerziehende und Ältere. Wer, wenn nicht Frauen, sollen Fraueninteressen am besten vertreten. Deshalb wurden acht Kolleginnen und vier Stellvertreterinnen in einen zentralen Frauenrat gewählt, deren Vorsitzende Rosemarie Haltianer Mitglied des Zentralvorstandes und der großen Tarifkommission sein wird. Der Rat wählte aus seiner Mitte als Frauensprecherin Gundel Schmidt, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Weitere Räte auf Bezirks- und Kreisebene werden folgen. Außerdem nominierte die 1. Frauenkonferenz ihre zwölf Delegierten zur Zentraldelegiertenkonferenz.

K. H. Stark

Tribüne, Mi. 25.04.1990

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