Gemeinsame Erklärung der IG Metall der DDR und der BRD

Auf Zukunft orientiert

Die Einheit Deutschlands hat dem Wohl der Menschen zu dienen

Für eine einheitliche Interessenvertretung der Beschäftigten der Metallwirtschaft im Zuge der wirtschaftlichen und staatlichen Einheit Deutschlands sprachen sich am Dienstag in Frankfurt (Main) die Vorsitzenden der IG Metall für die BRD, Franz Steinkühler, und für die DDR, Hartwig Bugiel, aus.

In einer gemeinsamen Erklärung stellen die Vorsitzenden der beiden größten deutschen Einzelgewerkschaften u. a fest: Beide Gewerkschaften unterstützen den Prozess zur Einheit Deutschlands.

Sie darf jedoch nicht überhastet erfolgen sondern muss sozial vertraglich gestaltet werden. Die soziale Einheit Deutschlands muss parallel zur staatlichen und wirtschaftlichen Einheit ausbaut werden. Die Einheit Deutschlands hat dem Wohl der Menschen zu dienen und ein friedliches Zusammenleben mit unseren Nachbarn zu ermöglichen. Die polnische Westgrenze ist unantastbar. Die Einheit Deutschlands ist nur denkbar, wenn sie in einem gesamteuropäischen Einigungsprozess eingebettet ist, der auch die Völker Osteuropas mit einschießt.

Die IG Metall der DDR wird ihren begonnenen Reformprozess zu demokratischen, freien, unabhängigen Gewerkschaften mit Finanzhoheit Tarifautonomie und Streikrecht fortsetzen.

Weiter beißt es in der gemeinsamen Erklärung: "Wir bitten die Menschen in der DDR, ihr Land nicht zu verlassen, sondern am demokratischen, wirtschaftlichen und sozialen Aufbau der DDR mitzuwirken.

Der materielle Wohlstand und das Niveau der sozialen Sicherheit in der Bundesrepublik ist nicht das automatische Ergebnis einer nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionierenden Ökonomie. Es ist vor allem das Resultat einer seit über 40 Jahren währenden Auseinandersetzung starker Gewerkschaften um sozialen Fortschritt, um Mitbestimmung, Arbeitszeitverkürzung und Einkommenserhöhung. Marktwirtschaft ist nur dann sozial, wenn sie durch den Sozialstaat und durch freie, unabhängige und starke Gewerkschaften begrenzt und ausgestaltet wird.

Wir fordern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der DDR auf, den Gewerkschaften nicht den Rücken zu kehren, sondern sich aktiv am demokratischen Neuaufbau der Gewerkschaftsbewegung in der DDR zu beteiligen."

Für die weitere Zusammenarbeit wurden mehrere gemeinsame Arbeitsausschüsse zu Sachfragen sowie Informations- und Beratungsbüros der IG Metall/BRD in Berlin, Leipzig, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Halle, Erfurt, Rostock und Magdeburg vereinbart.

Tribüne, Do. 01.03.1990

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