Leider - es kam noch kein Beschluss zustande

Gewerkschafter im Namen ihrer Kollektive: Konzeption ist dringend nötig

IG Bergbau-Energie: Schwierigkeiten, eine Position zur Erneuerung der Gewerkschaftsarbeit zu finden

"Wir brauchen eine Konzeption für unsere weitere Gewerkschaftsarbeit." Das forderte nicht nur Helga B(...), Vorsitzende des Bezirksvorstandes Schwerin der IG Bergbau-Energie. "Der Zentralvorstand hat mit seinem Positionspapier spät reagiert, das entspricht nicht der Verantwortung der Bergarbeiter, die immer zu den revolutionären Strömungen gehörten", meinte Ulli K(...), Vorsitzender des Bezirksvorstandes Suhl der Industriegewerkschaft. "Wäre das Papier jetzt nicht endlich gekommen, hätten wir bald mehrere Gewerkschaften", befürchtete Siegfried B(...) aus dem Gaskombinat Schwarze Pumpe.

Ernste, mahnende Worte

An ernsten, mahnenden Worten hat es in der Diskussion auf der jüngsten Tagung des Zentralvorstandes der IG Bergbau-Energie nicht gemangelt. Ziel der Zusammenkunft war, Aufgaben und Position des Zentralvorstandes bei der Herbeiführung einer Wende in der gewerkschaftlichen Arbeit zu beraten und zu beschließen. Ein Entwurf war zuvor im Organ des Zentralvorstandes "Glück auf" zur Diskussion gestellt, ein zweiter vor der Sitzung an die Mitglieder des Zentralvorstandes verteilt worden. Gute Voraussetzungen also - besser als bei den meisten anderen Zentralvorständen -‚ um alle Mitglieder mit dem Positionspapier gründlich vertraut zu machen und ihre Vorschläge zu nutzen. Doch leider es kam zu keinem Beschluss. Der Leiter der Redaktionskommission musste passen. Wegen der Fülle der Hinweise sei eine Überarbeitung des Papiers während der Tagung nicht möglich. Man müsse sich noch einmal treffen. Der Zentralvorstand stimmte zu, am 28. 11. wird nun Redaktionsschluss sein.

Für einen Redakteur der Gewerkschaftszeitung ist es bedrückend, berichten zu müssen, dass eine Gewerkschaftsleitung offensichtlich nicht den Erwartungen ihrer Mitglieder entspricht. Das ist in letzter Zeit nicht selten vorgekommen und trägt nicht gerade dazu bei, geschwundenes Vertrauen zurückzuerobern. Auch Gewerkschafter der IG Bergbau Energie sind den kritischen Forderungen der Mitglieder ausgesetzt. Dass nicht jede real ist und akzeptiert werden kann, ist klar. Aber eine Position ist gefragt. Darauf haben die Kohle- und Energiearbeiter ein Recht, die trotz aller Demonstrationen, Reisewellen und politischen Diskussionen in diesen Wochen und auch an den Wochenenden ihre volkswirtschaftlichen Aufgaben erfüllen. Und natürlich auch die Geologen und Wasserwirtschaftler, die ebenso zuverlässig arbeiten.

Eindeutige Formulierungen

Woran liegt es nun, dass auf der ZV-Tagung kein befriedigendes Ergebnis erzielt wurde? In der Diskussion wurden einige Gründe sichtbar. Es scheint weniger eine Frage der Formulierung als eine der eindeutigen Position zu sein. Zum Beispiel zur führenden Rolle der Partei. Im Positionspapier heißt es: "Die Interessen der Berg- und Energiearbeiter. Geologen und Wasserwirtschaftler vertritt die Industriegewerkschaft am wirksamsten, wenn sie in einem starken und unabhängigen Gewerkschaftsbund ihre volle Eigenständigkeit wahrnimmt." Die Mitglieder wollen offenbar eine eindeutige Formulierung, "eine Änderung des Verfassung der DDR Artikel 1Artikels 1 der Verfassung, eine Änderung der Satzung des FDGB" (Heinz S(...), ZBGL-Vorsitzender im Stammbetrieb des BKK Bitterfeld), "die eindeutige Trennung von Partei und Gewerkschaft, die klare Abgrenzung der Aufgaben von Gewerkschaft und Regierung" (Dr. Otto H(...), Vorsitzen der des Kreisvorstandes der IG im Mansfeld-Kombinat), "wir brauchen einen klaren Standpunkt zur führenden Rolle der Partei, der muss als erstes in das Grundsatzdokument" (Ulli K(...)).

Verhältnis zur Regierung

Vielfach wurde in der Diskussion auch ein Gewerkschaftsgesetz gefordert, von dem im Positionspapier nichts zu lesen ist. Aus der Erfahrung, dass staatliche Leiter in der gegenwärtigen Situation eigenmächtig gewerkschaftliche Rechte beschneiden wollen - Beispiele dazu nannten unter anderem Rudolf G(...), Vorsitzender des Bezirksvorstandes Leipzig der IG, Ulli K(...), Siegfried B(...), Adolf H(...), Vorsitzender des Kollektivs der BGL-Vorsitzenden im Kombinat Kali -, ist auch dazu eine eindeutige Position nötig. Das betrifft die Rechte der haupt- und ehrenamtlichen Funktionäre ebenso wie die soziale Sicherstellung ausgeschiedener und zurückgetretener Gewerkschafter.

Das Verhältnis zur Regierung formulierte der Vorsitzende des Zentralvorstandes, Günther Wolf, so: "Wir wollen sie nicht erdrücken, aber klare Position beziehen." Er schlug vor, dass sie auf der nächsten Sitzung des Zentralvorstandes Antwort geben sollte auf Fragen zu Ersatzteilen, Hilfsgeräten, Kleinmechanismen und zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Eine unabdingbare Voraussetzung für die Arbeit der Industriegewerkschaft in der Zukunft sei eine über das Jahr 2000 hinausgehende Konzeption der Regierung für die Energie- und Rohstoffpolitik.

Abschließend setzte sich der Zentralvorstand für einen außer ordentlichen FDGB-Kongress noch in diesem Jahr ein. Begründung von Dr. Otto H(...): "Sonst spült uns das Leben weg. Die Haltung der Gewerkschaften zur Erneuerung ist unbedingt nötig."

Katja Fischer

Tribüne, Organ des Bundesvorstandes des FDGB, Mi. 22.11.1989

Die Tagung des Zentralvorstands der IG Bergbau-Energie fand am 20.11.1989 statt.

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